Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen. Gerichtliche Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Unterhaltssachen. Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung. Rechtshängigkeit. Nichtanerkennung einer Entscheidung im Fall einer offensichtlichen Unvereinbarkeit mit der öffentlichen Ordnung. Verbot der Nachprüfung der Zuständigkeit des Gerichts des Ursprungsmitgliedstaats. Auf einen Verstoß gegen die Rechtshängigkeitsregeln gestützter Grund für die Nichtanerkennung. Fehlen

 

Normenkette

EGV Nr. 44/2001, Art. 5 Nr. 2, Art. 27, 35 Abs. 3, Nr. 2201/2003, Art. 19, 22 Buchst. a, Art. 23 Buchst. a, Art. 24

 

Beteiligte

Liberato

Stefano Liberato

Luminita Luisa Grigorescu

 

Tenor

Die Regeln über die Rechtshängigkeit in Art. 27 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen und Art. 19 der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates vom 27. November 2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 sind dahin auszulegen, dass, wenn im Rahmen eines Rechtsstreits in Ehesachen, über die elterliche Verantwortung oder in Unterhaltssachen das später angerufene Gericht unter Verstoß gegen diese Regeln eine rechtskräftig gewordene Entscheidung erlässt, es den Gerichten des Mitgliedstaats, zu dem das zuerst angerufene Gericht gehört, untersagt ist, die Anerkennung dieser Entscheidung allein aus diesem Grund abzulehnen. Insbesondere kann es dieser Verstoß für sich allein nicht rechtfertigen, dass die Entscheidung wegen offensichtlicher Unvereinbarkeit mit der öffentlichen Ordnung dieses Mitgliedstaats nicht anerkannt wird.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Corte suprema di cassazione (Kassationsgerichtshof, Italien) mit Entscheidung vom 26. Oktober 2016, beim Gerichtshof eingegangen am 27. Juni 2017, in dem Verfahren

Stefano Liberato

gegen

Luminita Luisa Grigorescu

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung der Vizepräsidentin R. Silva de Lapuerta in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Ersten Kammer sowie der Richter J.-C. Bonichot, A. Arabadjiev, E. Regan und C. G. Fernlund (Berichterstatter),

Generalanwalt: Y. Bot,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von Herrn Liberato, vertreten durch F. Ongaro und A. Castellani, avvocati,
  • der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von P. Pucciariello, avvocato dello Stato,
  • der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek, J. Vláčil und A. Kasalická als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch E. Montaguti und M. Wilderspin als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 6. September 2018

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates vom 27. November 2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 (ABl. 2003, L 338, S. 1).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Stefano Liberato und Frau Luminita Luisa Grigorescu über einen Antrag auf Anerkennung einer in Rumänien ergangenen Entscheidung in Ehesachen, über die elterliche Verantwortung und in Unterhaltssachen in Italien.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Verordnung Nr. 2201/2003

Rz. 3

Die Erwägungsgründe 11 und 21 der Verordnung Nr. 2201/2003 lauten:

„(11) Unterhaltspflichten sind vom Anwendungsbereich dieser Verordnung ausgenommen, da sie bereits durch die Verordnung [(EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2001, L 12, S. 1)] geregelt werden. Die nach dieser Verordnung zuständigen Gerichte werden in Anwendung des Artikels 5 [Nr.] 2 der Verordnung [Nr. 44/2001] in der Regel für Entscheidungen in Unterhaltssachen zuständig sein.

(21) Die Anerkennung und Vollstreckung der in einem Mitgliedstaat ergangenen Entscheidungen sollten auf dem Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens beruhen und die Gründe für die Nichtanerkennung auf das notwendige Minimum beschränkt sein.”

Rz. 4

Art. 12 „Vereinbarung über die Zuständigkeit”) Abs. 1 der Verordnung Nr. 2201/2003 sieht vor:

„Die Gerichte des Mitgliedstaats, in dem nach Artikel 3 über einen Antrag auf Ehescheidung, Trennung ohne Auflösung des Ehebandes oder Ungültigerklärung einer Ehe zu entscheiden...

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