Entscheidungsstichwort (Thema)

Freier Dienstleistungsverkehr. Niederlassungsfreiheit. Nationale Regelung, die ein Betriebsmonopol für Internet-Kasinospiele vorsieht. Zulässigkeitsvoraussetzungen. Expansionistische Geschäftspolitik. In anderen Mitgliedstaaten durchgeführte Kontrollen der Glücksspielanbieter. Vergabe des Monopols an eine privatrechtliche Gesellschaft. Möglichkeit der Erlangung des Monopols nur für Kapitalgesellschaften mit Sitz im Inland. An den Inhaber des Monopols gerichtetes Verbot, außerhalb des Sitzmitgliedstaats einen Filialbetrieb zu errichten

 

Beteiligte

Dickinger und Ömer

Jochen Dickinger

Franz Ömer

 

Tenor

1. Das Unionsrecht und insbesondere Art. 49 EG stehen einer Regelung, die den Verstoß gegen ein Betriebsmonopol für Glücksspiele wie das in der im Ausgangsverfahren fraglichen nationalen Regelung vorgesehene Betriebsmonopol für Internet-Kasinospiele unter Strafe stellt, entgegen, wenn eine solche Regelung nicht mit den Bestimmungen dieses Rechts vereinbar ist.

2. Art. 49 EG ist dahin auszulegen, dass er auf Glücksspieldienstleistungen anwendbar ist, die im Hoheitsgebiet eines Aufnahmemitgliedstaats von einem Wirtschaftsteilnehmer mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat über das Internet angeboten werden, obwohl dieser Wirtschaftsteilnehmer

  • sich im Aufnahmemitgliedstaat mit einer bestimmten EDV-Infrastruktur wie etwa einem Server ausgestattet hat und
  • EDV-Supportleistungen eines im Aufnahmemitgliedstaat ansässigen Dienstleisters in Anspruch nimmt, um seine Dienstleistungen Verbrauchern zu erbringen, die ebenfalls in diesem Mitgliedstaat ansässig sind.

3. Art. 49 EG ist dahin auszulegen,

  1. dass ein Mitgliedstaat, der bestrebt ist, ein besonders hohes Schutzniveau für Verbraucher im Glücksspielsektor zu gewährleisten, Grund zu der Annahme haben kann, dass nur die Errichtung eines Monopols zugunsten einer einzigen Einrichtung, die von den Behörden genau überwacht wird, ihm erlaubt, die Kriminalität in diesem Sektor zu beherrschen und das Ziel, Anreize für übermäßige Spielausgaben zu vermeiden und die Spielsucht zu bekämpfen, hinreichend wirksam zu verfolgen;
  2. dass, um mit den Zielen der Kriminalitätsbekämpfung und der Verringerung der Spielgelegenheiten im Einklang zu stehen, eine nationale Regelung, mit der ein Glücksspielmonopol errichtet wird, das dem Inhaber des Monopols ermöglicht, eine Expansionspolitik zu verfolgen,

    • auf der Feststellung beruhen muss, dass kriminelle und betrügerische Aktivitäten im Zusammenhang mit den Spielen und die Spielsucht im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats ein Problem darstellen, dem eine Ausweitung der zugelassenen und geregelten Tätigkeiten abhelfen könnte, und
    • nur den Einsatz maßvoller Werbung zulassen darf, die eng auf das begrenzt bleibt, was erforderlich ist, um die Verbraucher zu den kontrollierten Spielenetzwerken zu lenken;
  3. dass der Umstand, dass ein Mitgliedstaat ein anderes Schutzsystem als ein anderer Mitgliedstaat gewählt hat, keinen Einfluss auf die Beurteilung der Erforderlichkeit und der Verhältnismäßigkeit der einschlägigen Bestimmungen haben kann, die allein im Hinblick auf die von den zuständigen Stellen des betroffenen Mitgliedstaats verfolgten Ziele und das von ihnen angestrebte Schutzniveau zu beurteilen sind.
 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Bezirksgericht Linz (Österreich) mit Entscheidung vom 10. April 2009, beim Gerichtshof eingegangen am 31. August 2009, in dem Strafverfahren gegen

Jochen Dickinger,

Franz Ömer

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J.-C. Bonichot sowie der Richter K. Schiemann (Berichterstatter), L. Bay Larsen, der Richterin A. Prechal und des Richters E. Jarašiūnas,

Generalanwalt: Y. Bot,

Kanzler: K. Malacek, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 27. Januar 2011,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von Herrn Dickinger und Herrn Ömer, vertreten durch Rechtsanwälte W. Denkmair und O. Plöckinger,
  • der österreichischen Regierung, vertreten durch C. Pesendorfer und J. Bauer als Bevollmächtigte,
  • der belgischen Regierung, vertreten durch L. Van den Broeck und M. Jacobs als Bevollmächtigte im Beistand von A. Hubert und P. Vlaemminck, avocats,
  • der griechischen Regierung, vertreten durch E.-M. Mamouna, M. Tassopoulou und G. Papadaki als Bevollmächtigte,
  • der maltesischen Regierung, vertreten durch A. Buhagiar und J. Borg als Bevollmächtigte,
  • der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Inez Fernandes und A. Barros als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch E. Traversa und B.-R. Killmann als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 31. März 2011

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 43 EG und 49 EG.

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen von Strafverfahren gegen Herrn Dickinger und Herrn Ömer wegen des Vorwurfs, dass die von ...

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