Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts. Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen. Zuständigkeit in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung. Kind unverheirateter Eltern. Zuständigkeitsvereinbarung. Fehlen eines anderen anhängigen und im Zusammenhang stehenden Verfahrens. Anerkennung der Zuständigkeit. Bestreiten der Zuständigkeit eines Gerichts durch eine Partei, die dasselbe Gericht angerufen hat”

 

Normenkette

Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 Art. 12 Abs. 3

 

Beteiligte

L

L

M

 

Tenor

1. Art. 12 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates vom 27. November 2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 ist in der Weise auszulegen, dass damit für ein Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung die Zuständigkeit eines Gerichts eines Mitgliedstaats, der nicht der Staat des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes ist, begründet werden kann, auch wenn bei dem gewählten Gericht kein anderes Verfahren anhängig ist.

2. Art. 12 Abs. 3 Buchst. b der Verordnung Nr. 2201/2003 ist in der Weise auszulegen, dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Zuständigkeit des von einer Partei angerufenen Gerichts für ein Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung im Sinne dieser Bestimmung von „alle[n] Parteien des Verfahrens … ausdrücklich oder auf andere eindeutige Weise anerkannt” wurde, wenn die in diesem ersten Verfahren beklagte Partei vor demselben Gericht später ein anderes Verfahren anhängig macht und im Rahmen der ersten von ihr in dem ersten Verfahren vorzunehmenden Handlung die Unzuständigkeit dieses Gerichts geltend macht.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Nejvyšší soud (Tschechische Republik) mit Entscheidung vom 12. November 2013, beim Gerichtshof eingegangen am 12. Dezember 2013, in dem Verfahren

L

gegen

M,

Beteiligte:

R,

K,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Ilešič, des Richters A. Ó Caoimh, der Richterin C. Toader sowie der Richter E. Jarašiūnas (Berichterstatter) und C. G. Fernlund,

Generalanwalt: N. Wahl,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von Herrn M, vertreten durch E. Zajíčková, advokátka,
  • von R und K, vertreten durch Z. Kapitán, advokát,
  • der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek und J. Vláčil als Bevollmächtigte,
  • der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch A.-M. Rouchaud-Joët und J. Hradil als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 12 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates vom 27. November 2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 (ABl. L 338, S. 1).

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Frau L, der Mutter der Kinder R und K, und Herrn M, dem Vater dieser Kinder, über die Sorge für diese Kinder, die sich mit ihrer Mutter in Österreich befinden, während ihr Vater in der Tschechischen Republik lebt.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Verordnung Nr. 2201/2003

Rz. 3

Die Erwägungsgründe 5 und 12 der Verordnung Nr. 2201/2003 lauten:

„(5) Um die Gleichbehandlung aller Kinder sicherzustellen, gilt diese Verordnung für alle Entscheidungen über die elterliche Verantwortung, einschließlich der Maßnahmen zum Schutz des Kindes, ohne Rücksicht darauf, ob eine Verbindung zu einem Verfahren in Ehesachen besteht.

(12) Die in dieser Verordnung für die elterliche Verantwortung festgelegten Zuständigkeitsvorschriften wurden dem Wohle des Kindes entsprechend und insbesondere nach dem Kriterium der räumlichen Nähe ausgestaltet. Die Zuständigkeit sollte vorzugsweise dem Mitgliedstaat des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes vorbehalten sein außer in bestimmten Fällen, in denen sich der Aufenthaltsort des Kindes geändert hat oder in denen die Träger der elterlichen Verantwortung etwas anderes vereinbart haben.”

Rz. 4

Art. 1 der Verordnung Nr. 2201/2003 legt den Anwendungsbereich dieser Verordnung fest. Er sieht insbesondere vor:

„(1) Diese Verordnung gilt … für Zivilsachen mit folgendem Gegenstand:

b) die Zuweisung, die Ausübung, die Übertragung sowie die vollständige oder teilweise Entziehung der elterlichen Verantwortung.

(2) Die in Absatz 1 Buchstabe b) genannten Zivilsachen betreffen insbesondere:

a) das Sorgerecht und das Umgangsrecht,

(3) Diese Verordnung gilt nicht für

e) Unterhaltspflichten,

…”

Rz. 5

In Art. 2 Nr. 7 der Verord...

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