Entscheidungsstichwort (Thema)

EAG-Vertrag. Versorgung. Eigentumsordnung. Anreicherung von Uran im Gebiet der Gemeinschaft durch einen Angehörigen eines dritten Staates

 

Beteiligte

Industrias Nucleares do Brasil SA

Siemens AG

Industrias Nucleares do Brasil SA

UBS AG

Texas Utilities Electric Corporation

 

Tenor

1. Artikel 75 Absatz 1 EA ist dahin auszulegen, dass die darin genannten Begriffe „Aufbereitung, Umwandlung oder Formung” auch die Anreicherung von Uran umfassen.

2. Artikel 196 Buchstabe b EA ist dahin auszulegen, dass ein Unternehmen ohne Sitz in den Hoheitsgebieten der Mitgliedstaaten nicht im Sinne dieser Bestimmung seine Tätigkeit ganz oder teilweise in diesen Hoheitsgebieten ausübt, wenn es zu einem Unternehmen mit Sitz in den Hoheitsgebieten der Mitgliedstaaten eine Geschäftsbeziehung unterhält, die entweder die Anlieferung von Rohstoffen zur Herstellung von angereichertem Uran und den Bezug angereicherten Urans oder dessen Einlagerung zum Gegenstand hat.

3. Artikel 75 Absatz 1 Buchstabe c EA ist dahin auszulegen, dass er nicht die stoffliche Identität der zur Aufbereitung, Umwandlung oder Formung angelieferten und der danach zurückgelieferten Stoffe voraussetzt und es genügt, wenn die ausgelieferten Stoffe den angelieferten Stoffen in Qualität und Menge entsprechen, auch wenn den ausgelieferten Stoffen gegebenenfalls keine angelieferten Stoffe zugeordnet werden können. Außerdem steht es der Anwendung von Artikel 75 Absatz 1 Buchstabe c EA nicht entgegen, wenn das verarbeitende Unternehmen mit der Anlieferung der Rohstoffe das Eigentum hieran erwirbt und das angereicherte Uran deshalb nach der Verarbeitung an die andere Vertragspartei zurückübereignen muss.

4. Artikel 196 Buchstabe b EA ist dahin auszulegen, dass ein Unternehmen nicht einen Teil seiner Tätigkeit im Sinne dieser Bestimmung in den Hoheitsgebieten der Mitgliedstaaten ausübt, wenn es dort lagerndes angereichertes Uran veräußert oder erwirbt.

5. Artikel 73 EA ist dahin auszulegen, dass er nicht auf Vereinbarungen anzuwenden ist, die im Gebiet der Gemeinschaft lagerndes angereichertes Uran zum Gegenstand haben und an denen ausschließlich Angehörige dritter Staaten beteiligt sind.

 

Tatbestand

In den verbundenen Rechtssachen

betreffend Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 150 EA, eingereicht vom Oberlandesgericht Oldenburg (Deutschland) mit Entscheidungen vom 4. Februar 2004, beim Gerichtshof eingegangen am 8. März 2004, in den Verfahren

Industrias Nucleares do Brasil SA

Siemens AG

gegen

UBS AG (C-123/04),

Texas Utilities Electric Corporation (C-124/04)

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, der Kammerpräsidenten P. Jann, C. W. A. Timmermans (Berichterstatter), A. Rosas und K. Schiemann, der Richter S. von Bahr und J. N. Cunha Rodrigues, der Richterin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter K. Lenaerts, E. Juhász, G. Arestis, A. Borg Barthet und M. Ilešič,

Generalanwalt: M. Poiares Maduro,

Kanzler: K. Sztranc-Sławiczek, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 17. Januar 2006,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der Industrias Nucleares do Brasil SA, vertreten durch die Rechtsanwälte E. Wagner und J. Curschmann,
  • der Siemens AG, vertreten durch die Rechtsanwälte R. Schultz-Süchting und L. Kröner,
  • der UBS AG, vertreten durch die Rechtsanwälte U. Hornung, F. Bellen und D. Scharma,
  • der Texas Utilities Electric Corporation, vertreten durch Rechtsanwalt P.-S. Freiling und C. Peterson, AL,
  • der deutschen Regierung, vertreten durch C.-D. Quassowski und C. Schulze-Bahr als Bevollmächtigte im Beistand von Rechtsanwalt W. Hertel,
  • der französischen Regierung, vertreten durch G. de Bergues, E. Puisais und S. Gasri als Bevollmächtigte,
  • der niederländischen Regierung, vertreten durch S. Terstal und D. J. M. de Grave als Bevollmächtigte,
  • der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch M. Patakia, A. Bouquet und B. Schima als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 6. April 2006

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

1 Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung der Artikel 57 EA, 73 EA, 75 EA, 86 EA, 87 EA, 196 EA und 197 EA.

2 Diese Ersuchen ergehen im Rahmen zweier Rechtsstreitigkeiten, in denen die Industrias Nucleares do Brasil SA (im Folgenden: INB) und die Siemens AG (im Folgenden: Siemens) zum einen mit der UBS AG (im Folgenden: UBS) und zum anderen mit der Texas Utilities Electric Corporation (im Folgenden: TUEC) über die Herausgabe von Zylindern mit angereichertem Uran streiten.

Rechtlicher Rahmen

3 Artikel 2 EA, der im Titel I – Aufgaben der Gemeinschaft – des EAG-Vertrags steht, sieht vor:

„Zur Erfüllung ihrer Aufgabe hat die Gemeinschaft nach Maßgabe des Vertrags

d) für regelmäßige und gerechte Versorgung aller Benutzer der Gemeinschaft mit Erzen und Kernbrennstoffen Sorge zu tragen;

…”

4 Die Artikel 57 EA, 73 EA und 75 EA sind Teil von Titel II – Die Förderung des Fortschritts auf dem Gebiet der Ke...

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