Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Herstellung, Aufmachung und Verkauf von Tabakerzeugnissen. Kennzeichnung und Verpackung. Begriff ‚Inverkehrbringen‘. Gesundheitsbezogene Warnhinweise, die auf jeder Packung eines Tabakerzeugnisses und jeder Außenverpackung angebracht sein müssen. Verbot des Verdeckens. Ausgabeautomat für Zigarettenpackungen. Von außen nicht sichtbare Zigarettenpackungen

 

Normenkette

Richtlinie 2014/40/EU Art. 2 Nr. 40

 

Beteiligte

Pro Rauchfrei II

Pro Rauchfrei e. V

JS e. K.

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 26.10.2023; Aktenzeichen I ZR 176/19)

 

Tenor

1.Art. 8 Abs. 3 Satz 1 der Richtlinie 2014/40/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. April 2014 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Herstellung, die Aufmachung und den Verkauf von Tabakerzeugnissen und verwandten Erzeugnissen und zur Aufhebung der Richtlinie 2001/37/EG

ist dahin auszulegen, dass

der Begriff „Inverkehrbringen“ im Sinne dieser Bestimmung das Anbieten von Tabakerzeugnissen über Warenausgabeautomaten erfasst, in denen die Packungen dieser Produkte derart vorrätig gehalten werden, dass sie von außen nicht sichtbar sind.

2.Art. 8 Abs. 3 Satz 1 der Richtlinie 2014/40

ist dahin auszulegen, dass

die gesundheitsbezogenen Warnhinweise auf einer Packung oder einer Außenverpackung eines Tabakerzeugnisses nicht allein deshalb im Sinne dieser Vorschrift „verdeckt“ sind, weil dieses Erzeugnis in einem Warenausgabeautomaten vorrätig gehalten wird und deshalb von außen überhaupt nicht sichtbar ist.

 

Tatbestand

In der Rechtssache C-356/22

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesgerichtshof (Deutschland) mit Entscheidung vom 24. Februar 2022, beim Gerichtshof eingegangen am 2. Juni 2022, in dem Verfahren

Pro Rauchfrei e. V.

gegen

JS e. K.

erlässt

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten E. Regan sowie der Richter D. Gratsias (Berichterstatter), M. Ilešič, I. Jarukaitis und Z. Csehi,

Generalanwältin: L. Medina,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • –        von JS e. K., vertreten durch Rechtsanwalt A. Meisterernst,
  • –        der Europäischen Kommission, vertreten durch E. Schmidt, F. van Schaik und H. van Vliet als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2014/40/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. April 2014 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Herstellung, die Aufmachung und den Verkauf von Tabakerzeugnissen und verwandten Erzeugnissen und zur Aufhebung der Richtlinie 2001/37/EG (ABl. 2014, L 127, S. 1).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Pro Rauchfrei e. V. und JS e. K. wegen der von JS verwendeten Ausgabeautomaten für Zigarettenpackungen, bei denen die gesundheitsbezogenen Warnhinweise auf den Verpackungen der Zigaretten für den Verbraucher verdeckt werden.

Rechtlicher Rahmen

Rz. 3

Art. 1 („Gegenstand“) der Richtlinie 2014/40 bestimmt:

„Ziel dieser Richtlinie ist die Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten für

b)      bestimmte Aspekte der Kennzeichnung und Verpackung von Tabakerzeugnissen, unter anderem die gesundheitsbezogenen Warnhinweise, die auf den Packungen und den Außenverpackungen von Tabakerzeugnissen erscheinen müssen, sowie die Rückverfolgbarkeit und die Sicherheitsmerkmale, die für Tabakerzeugnisse angewendet werden, um ihre Übereinstimmung mit dieser Richtlinie zu gewährleisten;

damit – ausgehend von einem hohen Schutz der menschlichen Gesundheit, besonders für junge Menschen – das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts für Tabakerzeugnisse und verwandte Erzeugnisse erleichtert wird und die Verpflichtungen der Union im Rahmen des [Rahmenübereinkommens der Weltgesundheitsorganisation zur Eindämmung des Tabakgebrauchs] eingehalten werden.“

Rz. 4

In Art. 2 („Begriffsbestimmungen“) der Richtlinie heißt es:

„Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck

32.      ‚gesundheitsbezogener Warnhinweis‘ einen Warnhinweis in Bezug auf die schädlichen Auswirkungen eines Produkts auf die menschliche Gesundheit oder andere unerwünschte Auswirkungen des Konsums dieses Produkts, einschließlich textlicher, kombinierter gesundheitsbezogener oder allgemeiner Warnhinweise und Informationsbotschaften, gemäß dieser Richtlinie;

40.      ‚in Verkehr bringen‘ die entgeltliche oder unentgeltliche Bereitstellung von Produkten – unabhängig vom Ort ihrer Herstellung – für Verbraucher, die sich in der Union befinden, auch mittels Fernabsatz; …

…“

Rz. 5

Titel II („Tabakerzeugnisse“) der Richtlinie enthält ein Kapitel II („Kennzeichnung und Verpackung“), zu dem Art. 8 („Allgemeine Bestimmungen“) gehört. Dieser Artikel best...

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