Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen. Europäisches Mahnverfahren. Keine wirksame Zustellung. Wirkungen. Für vollstreckbar erklärter Europäischer Zahlungsbefehl. Einspruch. Überprüfung in Ausnahmefällen. Fristen

 

Normenkette

Verordnung (EG) Nr. 1896/2006

 

Beteiligte

eco cosmetics

eco cosmetics GmbH & Co. KG

Raiffeisenbank St. Georgen reg. Gen. mbH

Virginie Laetitia Barbara Dupuy

Tetyana Bonchyk

 

Tenor

Die Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens ist dahin auszulegen, dass die Verfahren gemäß den Art. 16 bis 20 dieser Verordnung keine Anwendung finden, wenn sich herausstellt, dass ein Europäischer Zahlungsbefehl nicht in einer Weise zugestellt wurde, die den Mindestvorschriften der Art. 13 bis 15 der Verordnung genügt.

Zeigt sich ein solcher Fehler erst nach der Vollstreckbarerklärung eines Europäischen Zahlungsbefehls, muss der Antragsgegner die Möglichkeit haben, diesen Fehler zu beanstanden, der, sofern er ordnungsgemäß nachgewiesen ist, die Ungültigkeit der Vollstreckbarerklärung zur Folge haben muss.

 

Tatbestand

In den verbundenen Rechtssachen

betreffend Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Amtsgericht Wedding (Deutschland) mit Entscheidungen vom 7. Januar 2013 und 5. Februar 2013, beim Gerichtshof eingegangen am 14. März 2013, in den Verfahren

eco cosmetics GmbH & Co. KG

gegen

Virginie Laetitia Barbara Dupuy(C-119/13)

und

Raiffeisenbank St. Georgen reg. Gen. mbH

gegen

Tetyana Bonchyk (C-120/13)

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Ilešič, der Richter C. G. Fernlund und A. Ó Caoimh, der Richterin C. Toader (Berichterstatterin) sowie des Richters E. Jarašiūnas,

Generalanwalt: Y. Bot,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von Frau Dupuy, vertreten durch Rechtsanwältin M. Stawska-Höbel,
  • der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze und J. Kemper als Bevollmächtigte,
  • der griechischen Regierung, vertreten durch F. Dedousi und M. Skorila als Bevollmächtigte,
  • der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von L. D'Ascia, avvocato dello Stato,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch A.-M. Rouchaud-Joët und B. Eggers als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 9. April 2014

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung der Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens (ABl. L 399, S. 1).

Rz. 2

Diese Ersuchen ergehen im Rahmen von zwei Rechtsstreitigkeiten wegen Europäischer Mahnverfahren zwischen der eco cosmetics GmbH & Co. KG (im Folgenden: eco cosmetics) mit Sitz in Deutschland und Frau Dupuy, die in Frankreich wohnhaft ist, sowie zwischen der Raiffeisenbank St. Georgen reg. Gen. mbH mit Sitz in Österreich und Frau Bonchyk, die in Deutschland wohnhaft ist.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Die Erwägungsgründe 13, 19 und 23 bis 25 der Verordnung Nr. 1896/2006 lauten:

„(13) Der Antragsteller sollte verpflichtet sein, in dem Antrag auf Erlass eines Europäischen Zahlungsbefehls Angaben zu machen, aus denen die geltend gemachte Forderung und ihre Begründung klar zu entnehmen sind, damit der Antragsgegner anhand fundierter Informationen entscheiden kann, ob er Einspruch einlegen oder die Forderung nicht bestreiten will.

(19) Wegen der Unterschiede im Zivilprozessrecht der Mitgliedstaaten, insbesondere bei den Zustellungsvorschriften, ist es notwendig, die im Rahmen des Europäischen Mahnverfahrens anzuwendenden Mindestvorschriften präzise und detailliert zu definieren. So sollte insbesondere eine Zustellungsform, die auf einer juristischen Fiktion beruht, im Hinblick auf die Einhaltung der Mindestvorschriften nicht als ausreichend für die Zustellung eines Europäischen Zahlungsbefehls angesehen werden.

(23) Der Antragsgegner kann seinen Einspruch unter Verwendung des in dieser Verordnung enthaltenen Formblatts einreichen. Die Gerichte sollten allerdings auch einen in anderer Form eingereichten schriftlichen Einspruch berücksichtigen, sofern dieser klar erklärt ist.

(24) Ein fristgerecht eingereichter Einspruch sollte das Europäische Mahnverfahren beenden und zur automatischen Überleitung der Sache in einen ordentlichen Zivilprozess führen, es sei denn, der Antragsteller hat ausdrücklich erklärt, dass das Verfahren in diesem Fall beendet sein soll. Für die Zwecke dieser Verordnung sollte der Begriff ‚ordentlicher Zivilprozess’ nicht notwendigerweise im Sinne des nationalen Rechts ausgelegt werden.

(25) Nach Ablauf der Frist für die Einreichung des Einspruchs sollte der Antragsgegner in bestimmten Ausnahmefällen berechtigt sein, eine Überprüfung des Europäischen Zahlungsbefehls zu beantragen. Die Überprüfun...

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