Entscheidungsstichwort (Thema)

Gerichtliche Zuständigkeit. Verordnung (EG) Nr. 44/2001. Art. 22 Nr. 2. Rechtsstreitigkeiten über die Gültigkeit von Beschlüssen der Organe von Gesellschaften. Ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte des Sitzstaats. Ärztlicher Berufsverband

 

Beteiligte

Hassett und Doherty

Nicole Hassett

Cheryl Doherty

North Western Health Board

South Eastern Health Board

 

Tenor

Art. 22 Nr. 2 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ist dahin auszulegen, dass eine Klage wie die im Ausgangsverfahren, in deren Rahmen eine Partei geltend macht, durch eine von einem Organ einer Gesellschaft getroffene Entscheidung in ihren Rechten aus der Satzung dieser Gesellschaft verletzt worden zu sein, nicht die Gültigkeit von Beschlüssen der Organe einer Gesellschaft im Sinne dieser Vorschrift zum Gegenstand hat.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Supreme Court (Irland) mit Entscheidung vom 30. Juli 2007, beim Gerichtshof eingegangen am 6. August 2007, in den Verfahren

Nicole Hassett

gegen

South Eastern Health Board,

Beteiligte:

Raymond Howard,

Medical Defence Union Ltd,

MDU Services Ltd,

und

Cheryl Doherty

gegen

North Western Health Board,

Beteiligte:

Brian Davidson,

Medical Defence Union Ltd,

MDU Services Ltd,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann sowie der Richter A. Tizzano (Berichterstatter), A. Borg Barthet, M. ilešič und J.-J. Kasel,

Generalanwalt: Y. Bot,

Kanzler: L. Hewlett, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 12. Juni 2008,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der Medical Defence Union Ltd und der MDU Services Ltd, vertreten durch R. Bourke, Solicitor, sowie B. Murray, BL, und N. Travers, BL,
  • von R. Howard und B. Davidson, vertreten durch D. McDonald, SC, und E. Regan, SC,
  • der irischen Regierung, vertreten durch D. O'Hagan als Bevollmächtigten im Beistand von J. O Reilly, SC,
  • der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch A.-M. Rouchaud-Joët und M. Wilderspin als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 22 Nr. 2 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2001, L 12, S. 1).

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen von zwei Rechtsstreitigkeiten zwischen R. Howard und B. Davidson (im Folgenden: die Ärzte) gegen die Medical Defence Union Ltd und die MDU Services Ltd (im Folgenden gemeinsam: MDU), den Berufsverband der Ärzte, wegen vollständigen oder teilweisen Ersatzes des Betrags, zu dessen Zahlung an den jeweiligen Gesundheitsdienst, für den jeder von ihnen arbeitet, sie im Rahmen der Schadensersatzklagen verurteilt werden könnten, die Frau N. Hassett und Frau C. Doherty wegen eines Behandlungsfehlers gegen den jeweiligen Gesundheitsdienst erhoben haben.

Rechtlicher Rahmen

Rz. 3

Der elfte Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 44/2001 lautet:

„Die Zuständigkeitsvorschriften müssen in hohem Maße vorhersehbar sein und sich grundsätzlich nach dem Wohnsitz des Beklagten richten, und diese Zuständigkeit muss stets gegeben sein, außer in einigen genau festgelegten Fällen, in denen aufgrund des Streitgegenstands oder der Vertragsfreiheit der Parteien ein anderes Anknüpfungskriterium gerechtfertigt ist. …”

Rz. 4

Art. 2 Abs. 1 der Verordnung bestimmt:

„Vorbehaltlich der Vorschriften dieser Verordnung sind Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats haben, ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit vor den Gerichten dieses Mitgliedstaats zu verklagen.”

Rz. 5

In Art. 5 derselben Verordnung heißt es:

„Eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, kann in einem anderen Mitgliedstaat verklagt werden:

    1. wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden, vor dem Gericht des Ortes, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre;

3. wenn eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder wenn Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden, vor dem Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht;

…”

Rz. 6

Art. 6 der Verordnung Nr. 44/2001 bestimmt:

„Eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, kann auch verklagt werden:

2. wenn es sich um eine Klage auf Gewährleistung oder um eine Interventionsklage handelt, vor dem Gericht des Hauptprozesses, es sei denn, dass die Klage nur erhoben worden ist, um diese Person dem für sie zustän...

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