Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Rechtsangleichung. Zahlungsdienste im Binnenmarkt. Zahlungsdienstnutzer. Anzeige nicht autorisierter Zahlungsvorgänge. Haftung des Zahlungsdienstleisters für diese Vorgänge. Vom Bürgen eines Zahlungsdienstnutzers erhobene Haftungsklage

 

Normenkette

Richtlinie 2007/64/EG Art. 58, 60

 

Beteiligte

CRCA

DM

LR

Caisse régionale de Crédit agricole mutuel (CRCAM) – Alpes-Provence

 

Tenor

1. Art. 58 und Art. 60 Abs. 1 der Richtlinie 2007/64/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. November 2007 über Zahlungsdienste im Binnenmarkt, zur Änderung der Richtlinien 97/7/EG, 2002/65/EG, 2005/60/EG und 2006/48/EG sowie zur Aufhebung der Richtlinie 97/5/EG sind dahin auszulegen, dass sie es einem Zahlungsdienstnutzer verwehren, den Zahlungsdienstleister auf der Grundlage einer anderen Haftungsregelung als der in diesen Bestimmungen vorgesehenen in Haftung zu nehmen, wenn der Zahlungsdienstnutzer seiner in Art. 58 vorgesehenen Anzeigepflicht nicht nachgekommen ist.

2. Art. 58 und Art. 60 Abs. 1 der Richtlinie 2007/64 sind dahin auszulegen, dass sie es dem Bürgen eines Zahlungsdienstnutzers nicht verwehren, sich wegen eines Verstoßes des Zahlungsdienstleisters gegen seine Pflichten im Zusammenhang mit einem nicht autorisierten Zahlungsvorgang gemäß einer Regelung über die vertragliche Haftung nach allgemeinem Recht auf die zivilrechtliche Haftung des Zahlungsdienstleisters als Bürgschaftsnehmer zu berufen, um Einwände gegen die Höhe der gesicherten Schuld zu erheben.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Cour de cassation (Kassationsgerichtshof, Frankreich) mit Entscheidung vom 16. Juli 2020, beim Gerichtshof eingegangen am 23. Juli 2020, in dem Verfahren

DM,

LR

gegen

Caisse régionale de Crédit agricole mutuel (CRCAM) – Alpes-Provence

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Vilaras (Berichterstatter) sowie der Richter N. Piçarra, D. Šváby und S. Rodin und der Richterin K. Jürimäe,

Generalanwalt: H. Saugmandsgaard Øe,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der französischen Regierung, vertreten durch N. Vincent und E. de Moustier als Bevollmächtigte,
  • der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek, J. Vláčil und J. Očková als Bevollmächtigte,
  • der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von F. Meloncelli, avvocato dello Stato,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch H. Tserepa-Lacombe und T. Scharf als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 8. Juli 2021

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 58 der Richtlinie 2007/64/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. November 2007 über Zahlungsdienste im Binnenmarkt, zur Änderung der Richtlinien 97/7/EG, 2002/65/EG, 2005/60/EG und 2006/48/EG sowie zur Aufhebung der Richtlinie 97/5/EG (ABl. 2007, L 319, S. 1, und Berichtigung ABl. 2009, L 187, S. 5).

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen DM als Geschäftsführerin der Groupe centrale automobiles (im Folgenden: GCA) und LR als selbstschuldnerischem Bürgen der GCA auf der einen Seite und der Caisse régionale de Crédit agricole mutuel d'Alpes-Provence (im Folgenden: CRCAM) auf der anderen Seite über die vertragliche Haftung von CRCAM nach allgemeinem Recht wegen Verstoßes gegen ihre Sorgfaltspflicht.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Im ersten Erwägungsgrund der Richtlinie 2007/64 hieß es:

„Für die Errichtung des Binnenmarkts ist die Abschaffung aller Binnengrenzen in der [Europäischen Union] mit dem Ziel, den freien Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital zu ermöglichen, unerlässlich. Ein einwandfrei funktionierender Binnenmarkt für Zahlungsdienste ist vor diesem Hintergrund von zentraler Bedeutung. Zurzeit werden die Funktionsabläufe dieses Markts jedoch durch die fehlende Harmonisierung in diesem Bereich behindert.”

Rz. 4

Im vierten Erwägungsgrund dieser Richtlinie hieß es:

„Auf [Unions]ebene sollte deshalb unbedingt ein moderner und kohärenter rechtlicher Rahmen für Zahlungsdienste – unabhängig davon, ob diese Dienste mit dem aufgrund der Initiative des Finanzsektors zur Einführung eines einheitlichen Euro-Zahlungsverkehrsraums entwickelten System vereinbar sind oder nicht – geschaffen werden, der neutral ist und gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle Zahlungssysteme gewährleistet, damit der Verbraucher auch weiterhin freie Wahl hat, was im Vergleich zu den derzeitigen nationalen Systemen einen erheblichen Fortschritt in Bezug auf die Verbraucherkosten, die Sicherheit und die Effizienz bedeuten dürfte.”

Rz. 5

Der 31. Erwägungsgrund dieser Richtlinie lautete:

„Um die Risiken oder Folgen von nicht autorisierten oder fehlerhaft ausgeführten Zahlungsvorgängen gering zu halten, sollte der Zahlungsd...

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