Entscheidungsstichwort (Thema)

Fusionsrichtlinie, Erhebung einer Steuer auf die Ausgabe von Aktien an einen Abrechnungsdienst, stamp duty reserve tax, Vereinigtes Königreich

 

Leitsatz (amtlich)

Art. 11 Buchst. a der Richtlinie 69/335/EWG des Rates vom 17. Juli 1969 betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital in der durch die Richtlinie 85/303/EWG des Rates vom 10. Juni 1985 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass er der Erhebung einer Steuer wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden auf die Ausgabe von Aktien an einen Abrechnungsdienst entgegensteht.

 

Normenkette

EWGRL 335/69 Art. 11 Buchst. a

 

Beteiligte

HSBC Holdings und Vidacos Nominees

HSBC Holdings plc und Vidacos Nominees Ltd

The Commissioners for HM Revenue and Customs

 

Verfahrensgang

Special Commissioners (Vereinigtes Königreich) (Beschluss vom 19.12.2007)

 

Tatbestand

„Indirekte Steuern ‐ Ansammlung von Kapital ‐ Steuer zum Satz von 1,5 % auf die Übertragung oder die Ausgabe von Aktien auf bzw. an einen Abrechnungsdienst (“Clearance Service‘)”

In der Rechtssache C-569/07

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht von den Special Commissioners of Income Tax, London (Vereinigtes Königreich), mit Entscheidung vom 19. Dezember 2007, beim Gerichtshof eingegangen am 24. Dezember 2007, in dem Verfahren

HSBC Holdings plc,

Vidacos Nominees Ltd

gegen

The Commissioners of Her Majesty’s Revenue & Customs

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. W. A. Timmermans sowie der Richter J.-C. Bonichot, K. Schiemann, J. Makarczyk (Berichterstatter) und L. Bay Larsen,

Generalanwalt: P. Mengozzi,

Kanzler: K. Sztranc-Slawiczek, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 15. Januar 2009,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

‐ der HSBC Holdings plc, Prozessbevollmächtigte: R. Norton, Solicitor, I. Glick, QC, und D. Jowell, Barrister,

‐ der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch M. Hall, I. Rao und R. Thomas als Bevollmächtigte,

‐ der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch R. Lyal und M. Afonso als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 18. März 2009

folgendes

Urteil

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 10 und 11 der Richtlinie 69/335/EWG des Rates vom 17. Juli 1969 betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital (ABl. L 249, S. 25) in der durch die Richtlinie 85/303/EWG des Rates vom 10. Juni 1985 (ABl. L 156, S. 23) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie) sowie der Art. 43 EG, 49 EG oder 56 EG oder einer anderen Bestimmung des Gemeinschaftsrechts.

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der HSBC Holdings plc (im Folgenden: HSBC) und der Vidacos Nominees Ltd einerseits und den Commissioners of Her Majesty’s Revenue & Customs (britische Steuerbehörde) andererseits wegen der Erhebung einer als „stamp duty reserve tax“ (im Folgenden: SDRT) bezeichneten Steuer nach Section 96 des Finanzgesetzes 1986 (Finance Act 1986, im Folgenden: Finanzgesetz 1986).

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsrecht

Rz. 3

Der erste und der sechste Erwägungsgrund der Richtlinie lauten:

„Ziel des Vertrags ist die Schaffung einer Wirtschaftsunion mit ähnlichen Eigenschaften wie ein Binnenmarkt; eine der wesentlichen Voraussetzungen zur Erreichung dieses Zieles ist die Förderung eines freien Kapitalverkehrs.

Die Konzeption eines Gemeinsamen Marktes mit den Eigenschaften eines Binnenmarktes setzt voraus, dass die Steuer auf die Ansammlung von Kapital innerhalb des Gemeinsamen Marktes auf Kapital, das im Rahmen einer Gesellschaft angesammelt worden ist, nur einmal erhoben werden kann und dass diese Besteuerung, wenn sie den Kapitalverkehr nicht stören soll, in allen Mitgliedstaaten gleich hoch sein muss.“

Rz. 4

Art. 4 der Richtlinie führt die der Gesellschaftsteuer unterliegenden Vorgänge auf, zu denen u. a. die Gründung einer Kapitalgesellschaft und die Erhöhung ihres Kapitals durch Einlagen jeder Art zählen.

Rz. 5

Art. 10 der Richtlinie untersagt die Erhebung einer anderen als der Gesellschaftsteuer auf die Vorgänge nach Art. 4 der Richtlinie.

Rz. 6

Art. 11 der Richtlinie lautet:

„Die Mitgliedstaaten erheben keine Steuer irgendwelcher Art:

a) auf die Ausfertigung, die Ausgabe, die Börsenzulassung, das Inverkehrbringen von oder den Handel mit Aktien, Anteilen oder anderen Wertpapieren gleicher Art sowie Zertifikaten derartiger Wertpapiere, ungeachtet der Person des Emittenten;

b) auf Anleihen einschließlich Renten, die durch Ausgabe von Obligationen oder anderen handelsfähigen Wertpapieren aufgenommen werden, ungeachtet der Person des Emittenten, auf alle damit zusammenhängenden Formalitäten sowie auf die Ausfertigung, Ausgabe oder Börsenzulassung, das Inverkehrbringen von oder den Handel mit diesen Obligationen oder anderen handelsfähigen Wertpapieren.“

Rz. 7

Nach Art. 12 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie können die Mitgliedstaaten...

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