Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorabentscheidungsersuchen. Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts. Brüsseler Übereinkommen. Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen. Gerichtliche Zuständigkeit. Besondere Zuständigkeiten. Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag. Begriff ‚Erbringung von Dienstleistungen’. Lagervertrag

 

Normenkette

Verordnung (EG) Nr. 44/2001 Art. 5 Nr. 1 Buchst. b

 

Beteiligte

Krejci Lager & Umschlagbetrieb

Krejci Lager & Umschlagbetriebs GmbH

Olbrich Transport und Logistik GmbH

 

Tenor

Art. 5 Nr. 1 Buchst. b zweiter Gedankenstrich der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ist dahin auszulegen, dass es sich bei einem Vertrag über die Lagerung von Waren wie dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden um einen „Vertrag über die Erbringung von Dienstleistungen” im Sinne dieser Bestimmung handelt.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Handelsgericht Wien (Österreich) mit Entscheidung vom 17. September 2012, beim Gerichtshof eingegangen am 22. Oktober 2012, in dem Verfahren

Krejci Lager & Umschlagbetriebs GmbH

gegen

Olbrich Transport und Logistik GmbH

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zehnte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten E. Juhász sowie der Richter A. Rosas (Berichterstatter) und D. Šváby,

Generalanwältin: E. Sharpston,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der Krejci Lager & Umschlagbetriebs GmbH, vertreten durch Rechtsanwalt M. Stögerer,
  • der österreichischen Regierung, vertreten durch C. Pesendorfer als Bevollmächtigte,
  • der hellenischen Regierung, vertreten durch S. Chala und L. Kotroni als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Wilderspin und W. Bogensberger als Bevollmächtigte,

aufgrund der nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Entscheidung, gemäß Art. 99 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden,

folgenden

Beschluss

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 5 Nr. 1 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2001, L 12, S. 1).

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Krejci Lager & Umschlagbetriebs GmbH (im Folgenden: Klägerin des Ausgangsverfahrens), einer Gesellschaft österreichischen Rechts, und der Olbrich Transport und Logistik GmbH (im Folgenden: Beklagte des Ausgangsverfahrens), einer Gesellschaft deutschen Rechts, über die Zahlung eines Entgelts für die Lagerung von Waren auf einem in Wien (Österreich) belegenen Gelände.

Rechtlicher Rahmen

Brüsseler Übereinkommen

Rz. 3

Art. 5 Nr. 1 des Übereinkommens vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 1972, L 299, S. 32) in der durch das Übereinkommen vom 29. November 1996 über den Beitritt der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schweden (ABl. 1997, C 15, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Brüsseler Übereinkommen) bestimmt:

„Eine Person, die ihren Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats hat, kann in einem anderen Vertragsstaat verklagt werden:

1. wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden, vor dem Gericht des Ortes, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre …”.

Verordnung Nr. 44/2001

Rz. 4

Im elften Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 44/2001 heißt es:

„Die Zuständigkeitsvorschriften müssen in hohem Maße vorhersehbar sein und sich grundsätzlich nach dem Wohnsitz des Beklagten richten, und diese Zuständigkeit muss stets gegeben sein außer in einigen genau festgelegten Fällen, in denen aufgrund des Streitgegenstands oder der Vertragsfreiheit der Parteien ein anderes Anknüpfungskriterium gerechtfertigt ist. …”

Rz. 5

Der zwölfte Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 44/2001 lautet:

„Der Gerichtsstand des Wohnsitzes des Beklagten muss durch alternative Gerichtsstände ergänzt werden, die entweder aufgrund der engen Verbindung zwischen Gericht und Rechtsstreit oder im Interesse einer geordneten Rechtspflege zuzulassen sind.”

Rz. 6

Der 19. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 44/2001 sieht vor:

„Um die Kontinuität zwischen dem Brüsseler Übereinkommen und [der] Verordnung zu wahren, sollten Übergangsvorschriften vorgesehen werden. Dies gilt auch für die Auslegung der Bestimmungen des Brüsseler Übereinkommens durch den Gerichtshof …”

Rz. 7

Die durch die Verordnung Nr. 44/2001 aufgestellten Zuständigkeitsregeln finden sich in ihrem Kapitel II, das aus den Art. 2 bis 31 besteht.

Rz. 8

In Abschnitt 1 („Allgemeine Vorschriften”) von Kapitel II bestimmt Art. 2 Abs. 1 der Verordnung Nr. 44/2001:

„Vorbehaltli...

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