Rz. 536

In der Praxis besteht aus Sicht von Bauträgern, manchmal aber auch aus Sicht der Wohnungseigentümer (str.) ein Bedürfnis danach, später vom Bauträger Erwerbende ("Nachzügler") an eine bereits erteilte Abnahme des gemeinschaftlichen Eigentums durch die anderen Erwerber zu binden.[1] "Nachzügler" ist der, der ein Wohnungs- oder Teileigentum im Rahmen eines Bauträgervertrags erwirbt – Daumenregel: nicht später als 2 Jahre – und eine (ggf. vermeidliche) Abnahme des gemeinschaftlichen Eigentums aber bereits erklärt wurde. Nach anderer Meinung ist darauf abzustellen, ob dem betreffenden Erwerber noch Bauleistungen geschuldet sind.[2] Hierfür bieten sich 3 Wege an.

Überblick

[1] Dazu etwa Basty, BauR 2012 S. 316; Vogel, BauR 2010 S. 1992.
[2] Vgl. Basty, BauR 2012 S. 316.

4.4.5.1 Regelung im Erwerbsvertrag

 

Rz. 537

Haben Bauträger und Nachzügler eine wirksame Abnahmevollmacht vereinbart, kann die Abnahme von einem Dritten erklärt werden. Dieses ist allerdings eine weitere Abnahme, keine Bindung an eine erfolgte Abnahme.

Streitig ist hingegen, ob ein Nachzügler in seinem Erwerbsvertrag auch an die Wirkungen und das Ergebnis einer bereits durchgeführten Abnahme gebunden werden kann. Nach wohl h. M. sind solche Klauseln nach §§ 307, 309 Nr. 8b) ff) BGB unwirksam.[1]

Der richtige Ansatz ist es wohl, zwischen Sondereigentum und gemeinschaftlichem Eigentum zu unterscheiden.[2] Die Bindung soll nur für das gemeinschaftliche Eigentum hergestellt werden. Dieses ist zum Zeitpunkt des Erwerbs des Nachzüglers in der Regel aber nicht mehr neu noch verspricht der Bauträger für dieses noch eine Werkleistung. Nach der Abnahme der anderen Wohnungseigentümer ist das gemeinschaftliche Eigentum vielmehr im Gebrauch und den Wohnungseigentümern, Dritten, aber auch den Naturgewalten ausgesetzt. §§ 307, 309 Nr. 8 b) ff) BGB sind daher wohl gar nicht anwendbar.

[1] OLG Frankfurt am Main v. 30.9.2013, 1 U 18/12, NZM 2013 S. 772; OLG Schleswig v. 5.6.2009, 14 U 10/09, BauR 2010 S. 122; LG Hamburg v. 11.3.2010, 328 O 179/09, BauR 2010 S. 1638; Riecke/Vogel in Riecke/Schmid Anh. § 8 WEG 31; a. A. OLG Koblenz v. 8.4.2013, 2 U 1123/12; Pause, NJW 1993, S. 553, 556; Jagenburg, NJW 1992, S. 282, 290; Schulze-Hagen, BauR 1992, S. 320, 327; offen wohl BGH v. 21.2.1985, VII ZR 72/84, NJW 1985 S. 1551.
[2] Wie hier jetzt Basty, BauR 2012 S. 316, 319.

4.4.5.2 Beschlüsse zur Abnahme

 

Rz. 538

Bis zur Entdeckung der Wohnungseigentümergemeinschaft als rechtsfähigem Verband entsprach es fast allgemeiner Meinung, dass die Wohnungseigentümer über die Abnahme des gemeinschaftlichen Eigentums keinen Beschluss fassen können. Dieses Bild hat sich seit 2007 gewandelt. Mittlerweile vertreten namhafte Stimmen des Wohnungseigentumsrechts die Möglichkeit eines Beschlusses über die Abnahme, während sich das "Baurecht" dagegen noch deutlich sträubt.

  • Für Beschlusskompetenz: LG München I v. 16.1.2013[1]; AG Tettnang v. 21.4.2011[2]; AG München v. 7.7.2010.[3] Es wäre widersprüchlich, dem Verband die Vergemeinschaftung von Mängelrechten zuzugestehen, nicht aber diejenige der Abnahme. Wegen des engen rechtlichen Zusammenhangs zwischen Mängelrechten und Abnahme ist es regelmäßig sinnvoll, auch Letztere zu vergemeinschaften.
  • Keine Beschlusskompetenz[4]: Eine gemeinschaftliche Abnahme bringe keine Vorteile für die Wohnungseigentümer, sondern ausschließlich Nachteile für den einzelnen Erwerber (Fälligkeit der Vergütung, Gefahrübergang und Übergang der Beweislast für Mängel, Beginn der Verjährungsfrist für Mängelrechte). Es bestehe die Gefahr, dass der Bauträger diese Rechtsfolgen rechtsmissbräuchlich herbeiführt, indem er trotz fehlender Abnahmereife eine Mehrheit organisiert (z. B. durch Übertragung an nahe stehende Personen oder Unternehmen). Ein entsprechender Beschluss zur Abnahme ist bei dieser Sichtweise nichtig.[5] Jedenfalls muss ein Wohnungseigentümer die Abnahme des Gemeinschaftseigentums durch die Mehrheit der Wohnungseigentümer nicht gegen sich gelten lassen.[6]

Hält man einen Beschluss für möglich, handelt es sich um eine Vergemeinschaftung i. S. v. § 10 Abs. 6 Satz 3 Var. 2 WEG. Der Beschluss beruht dann auf § 21 Abs. 3 WEG. Das gemeinschaftliche Eigentum wird nach einer solchen Vergemeinschaftung durch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer abgenommen. Dazu ist die Stelle zu benennen, die die Wohnungseigentümergemeinschaft vertritt und was diese darf.

 
Praxis-Beispiel

Beschluss über die Abnahme von gemeinschaftlichem Eigentum

Vorschlag[7]: "Das gemeinschaftliche Eigentum wird durch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer abgenommen. Die Wohnungseigentümer bevollmächtigen den Verwalter i. S. v. § 27 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 WEG, die hierzu erforderlichen und zweckdienlichen Erklärungen gegenüber dem Bauträger abzugeben und entgegenzunehmen sowie die notwendigen und sachdienlichen Handlungen vorzunehmen. Der Verwalter ist berechtigt und verpflichtet, bei der Abnahme einen öffentlich bestellten Sachverständigen für das Bauwesen auf Kosten der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer hinzuzuziehen."

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