Rz. 468

Lassen sich zu den Vorstellungen der Vertragsparteien keine Feststellungen treffen, kommt es für eine mangelfreie Werkleistung auch darauf an, ob das Werk so hergestellt ist, dass es nicht mit Fehlern behaftet ist, die die Tauglichkeit zu dem gewöhnlichen Gebrauch aufheben oder mindern. Nach der Rechtsprechung kann der Erwerber dabei redlicherweise erwarten, dass das Werk zum Zeitpunkt der Fertigstellung und Abnahme diejenigen Qualitäts- und Komfortstandards erfüllt, die auch vergleichbare andere zeitgleich fertiggestellte und abgenommene Bauwerke erfüllen.[1] Die vom Bauträger zu erbringenden Leistungen müssen deshalb stets (auch) den allgemein anerkannten geschriebenen oder ungeschriebenen[2] Regeln der Technik entsprechen – auch dann, wenn etwas anderes vereinbart ist. Wenn der Bauträger ohne Not von den anerkannten Regeln der Technik abweicht, stellt dies in mehrerlei Hinsicht einen Mangel dar.[3]

Die anerkannten Regeln der Technik gehören zum geschuldeten Mindeststandard, auch wenn die Beschaffenheitsvereinbarung einen geringeren Standard vorsieht. Sieht die Beschaffenheitsvereinbarung hingegen einen höheren Standard vor, so geht dieser den anerkannten Regeln der Technik vor. Anerkannte Regeln der Technik (wiedergegeben etwa in den VDI-Richtlinien, den Normen des Deutschen Ausschusses für Stahlbeton, den Vorschriften der Berufsgenossenschaften, insbesondere den Unfallverhütungsvorschriften, den Richtlinien von Verbänden wie beispielsweise die Flachdachrichtlinie sowie in DIN-Normen) liegen vor, wenn sie folgende Merkmale aufweisen:

  • wenn sie theoretisch richtig sind;
  • wenn sie sich in der Praxis bewährt haben;
  • wenn sie wissenschaftlich unbestritten sind;
  • wenn sie bei den Fachleuten bekannt sind (sein sollten);
  • wenn sie sich in der Praxis durchgesetzt haben.

Häufig werden zur Beschreibung dessen, was Teil der anerkannten Regeln ist, die DIN-Normen herangezogen. DIN-Normen sind nach der Rechtsprechung auch ohne Erwähnung vom Bauträger einzuhalten und beschreiben als Mindeststandard die geschuldete Beschaffenheit[4] zum Zeitpunkt der Abnahme.[5] DIN-Normen sind zwar keine Rechtsnormen, sondern private technische Regelungen mit Empfehlungscharakter[6] bzw. auf freiwillige Anwendung ausgerichtete Empfehlungen des "DIN Deutschen Instituts für Normung e. V.".[7] Verstößt ein Bauträger gegen die einschlägigen DIN-Normen, spricht eine tatsächliche Vermutung für einen Mangel.[8] Wird z. B. für den Kauf von Eigentumswohnungen in einer neu zu errichtenden Eigentumswohnanlage mit "exklusiven Eigentumswohnungen" und "Maßstab für Traumwohnungen" geworben, darf der Erwerber erwarten, dass eine Trittschalldämmung erreicht wird, die den Vorgaben des Beiblatts 2 zur DIN 4109 (Stand: 1989) und der Schallschutzstufe 2 nach dem Entwurf der DIN 4109-10 (Juni 2000) entspricht.[9] Ein wegen der Schäden in Anspruch genommener Bauträger muss darlegen und beweisen, dass die Schäden nicht auf die Verletzung der DIN-Normen zurückzuführen sind.[10]

 
Hinweis

DIN-Normen als Mindeststandard

Die geschuldete Beschaffenheit kann – und wird häufig – über die anerkannten Regeln der Technik hinausgehen. DIN-Normen können außerdem zwar die anerkannten Regeln der Technik wiedergeben. Sie können aber auch hinter diesen zurückbleiben.[11]

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