1 Leitsatz

Die Wohnungseigentümer haben keine Beschlusskompetenz, Ansprüche eines Wohnungseigentümers der Höhe nach zu begrenzen.

2 Normenkette

§ 19 Abs. 1 WEG

3 Das Problem

Wohnungseigentümer K repariert auf eigene Kosten das gemeinschaftliche Eigentum. Die Wohnungseigentümer billigen ihm per Beschluss zu TOP 1 einen Erstattungsanspruch i. H. v. 18.000 EUR zu. Dagegen geht K vor. Er behauptet, er habe höhere Kosten gehabt. Der Beschluss sei daher mangels Beschlusskompetenz nichtig. Per Beschluss könne man bestehende Ansprüche nicht vernichten. Ferner geht K gegen den Beschluss zu TOP 2 vor. Mit diesem hatten die Wohnungseigentümer beschlossen, die Keller i. H. v. 710.000 EUR reparieren zu lassen. Hier meint K, die Tatsachengrundlage für die Beschlussfassung sei unzureichend gewesen, etwa in Bezug auf die Dämmung der Kellersohle und den damit verbundenen Verlust an Raumhöhe sowie die Notwendigkeit einer Unterfangung des Fundamentes. Ohne Klärung dieser zentralen Fragen sei es unmöglich, mit den Arbeiten zu beginnen. Ferner beruhe die Entscheidung auf einer bloßen Kostenschätzung und es seien nur 2 Angebote eingeholt werden, zumal sich das eine auf etwa 300.000 EUR belaufe und das andere doppelt so hoch sei. Im Laufe des Verfahrens erklären die Parteien den Rechtsstreit für erledigt. Fraglich ist, wer die Kosten zu tragen hat.

4 Die Entscheidung

Das AG meint, die Anfechtungsklage hätte voraussichtlich nach näherer Maßgabe der bis zum 30.11.2020 geltenden Bestimmungen Erfolg gehabt. Zwar sei das neue Recht grundsätzlich auch auf noch nicht abgeschlossene Sachverhalte anzuwenden. Neue gesetzliche Regelungen dürften aber nicht rückwirkend bei der Beurteilung von Beschlüssen angewandt werden, die vor der Rechtsänderung gefasst worden seien (Hinweis u. a. auf Elzer in Skauradszun/Elzer/Hinz/Riecke, Die WEG-Reform 2020, § 15 Rn. 2). Nach dieser Maßgabe sei der Beschluss zu TOP 1 nichtig. Denn die Wohnungseigentümer hätten keine Kompetenz, einem Eigentümer einen bestehenden Anspruch durch Beschluss zu nehmen. Der Beschluss zu TOP 2 wäre hingegen für ungültig zu erklären gewesen, da die Entscheidungsbefugnis über den konkreten Inhalt und die Vergabe des Auftrags auf den Verwalter delegiert worden sei (Nachverhandeln des Angebots in mehrfachen Punkten und Streichen von Positionen nach Rücksprache mit dem Architekten). Dieses Recht stehe originär nur den Wohnungseigentümern zu.

5 Hinweis

  1. Die Wohnungseigentümer haben tatsächlich keine Beschlusskompetenz, Ansprüche zu vernichten. Diesen Anspruch gab es im Fall nach h. M. aber gar nicht. Ein Wohnungseigentümer, der auf eigene Kosten das gemeinschaftliche Eigentum repariert, soll nämlich keine Kostenerstattung verlangen können. Dies soll selbst dann gelten, wenn er nicht wusste, dass das Bauteil, welches er repariert hat, gemeinschaftliches Eigentum ist. Dies muss jeder Verwalter wissen und entsprechende Ansprüche zurückweisen.
  2. Bei dem anderen Gegenstand überzeugt mich das AG hingegen. Der BGH hat es aber für das alte Recht jetzt anders entschieden (BGH, Urteil v. 11.6.2021, V ZR 215/20). Im neuen Recht wäre der Beschluss problemlos von § 27 Abs. 2 WEG gedeckt.

6 Entscheidung

AG Hamburg-St. Georg, Beschluss v. 23.4.2021, 980b C 27/20 WEG

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