Leitsatz

Die Art. 2 und 5 der Achten Richtlinie 79/1072/EWG des Rates v. 6.12.1979 – Verfahren zur Erstattung der Mehrwertsteuer an nicht im Inland ansässige Steuerpflichtige – sind dahin auszulegen, dass nicht geschuldete Mehrwertsteuer, die dem Dienstleistungsempfänger irrtümlich in Rechnung gestellt und an den Fiskus des Mitgliedstaats des Orts dieser Dienstleistungen gezahlt worden ist, dem Dienstleistungsempfänger nicht von der Finanzbehörde erstattungsfähig ist. Vielmehr muss der Dienstleistungsempfänger die gezahlte Umsatzteuer zivilrechtlich vom Rechnungsteller zurückfordern.

 

Sachverhalt

Im Rechtsstreit weigerte sich das Ministero delle Finanze (Finanzministerium) der in Deutschland ansässigen Firma Reemtsma italienische Mehrwertsteuer auf in Italien erbrachte Werbeleistungen zu erstatten. Werbeleistungen gelten umsatzsteuerlich als in dem EU-Land erbracht, in dem der unternehmerische Empfänger den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit hat. Die von den Werbeleistenden daher zu Unrecht ausgewiesene italienische Umsatzsteuer muss die italienischen Finanzbehörde aber nicht an den Leistungsempfänger Reemtsma als Vorsteuer erstatten.

Abgesehen von den in Art. 21 Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie ausdrücklich vorgesehenen Fällen der Reverse Charge Regelung (vgl. § 13b Abs. 1 Nr. 1 UStG), ist allein der Dienstleistungserbringer gegenüber den Steuerbehörden des Mitgliedstaats des Orts der Dienstleistungen als Schuldner der Mehrwertsteuer anzusehen. Auch der Grundsatz der Neutralität stehen nationalen Rechtsvorschriften wie denen im Ausgangsverfahren nicht entgegen, nach denen nur der Dienstleistungserbringer (hier die Werbeleistenden) einen Anspruch auf Erstattung von zu Unrecht als Mehrwertsteuer gezahlten Beträgen gegen die Steuerbehörden hat. Der Dienstleistungsempfänger selbst hat jedoch in den Fällen der irrtümlich in Rechnung gestellten nicht geschuldeten Umsatzsteuer selbst keinen Anspruch gegenüber den Finanzbehörden, sondern nur die Möglichkeit der zivilrechtlichen Klage gegen den Dienstleistungserbringer auf Rückzahlung der von diesem zu Unrecht in Rechnung gestellten Umsatzsteuer.

Sollte die (zivilrechtliche) Erstattung der Mehrwertsteuer unmöglich oder übermäßig erschwert sein, müssen die Mitgliedstaaten die "erforderlichen Mittel vorsehen, die es dem Dienstleistungsempfänger ermöglichen, die zu Unrecht in Rechnung gestellte Steuer erstattet zu bekommen". Solch ein Fall könnte eintreten, wenn der Rechnungssteller nicht mehr existiert oder zahlungsunfähig ist. Hier müsste wohl eine direkte Erstattung durch die Finanzbehörde erfolgen.

 

Hinweis

Der vom EuGH vorgesehene Weg setzt voraus, daß der Dienstleistungserbringer eine Rechnungsberichtigung gegenüber dem Rechnungsempfänger vornimmt und die deshalb von der Finanzbehörde rückerstatte Umsatzsteuer dem Dienstleistungserbringer weiterleitet. Besser beraten sind im EU-Ausland aktive Unternehmer, wenn sie Eingangsrechnungen mit in Rechnung gestellter dortiger Umsatzsteuer prüfen, ob dier Ausweis nach den Ortsbestimmungen des UStG überhaupt zulässig war. Die Bezahlung der Umsatzsteuer ist ggf. zu verweigern, was einfacher ist, als nachträglich zivilrechtlich die Zurückzahlung der Umsatzteuer einzufordern.

 

Link zur Entscheidung

EuGH, Urteil v. 15.3.2007, Rs. C-35/05, Reemtsma Cigarettenfabriken.

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