Leitsatz

Gegenstand des Verfahrens war die Frage, wann eine sozial-familiäre Beziehung zwischen Kind und rechtlichem Vater zu bejahen und auf welchen Zeitpunkt hierbei abzustellen ist.

 

Sachverhalt

Erstinstanzlich war die Anfechtungsklage des Klägers gegen das minderjährige Kind und seinen rechtlichen Vater ohne Erfolg geblieben. Das AG hatte die Klage im Hinblick auf die sozial-familiäre Beziehung zwischen den Beklagten zu 1. und 2. zurückgewiesen.

Der Kläger beabsichtigte hiergegen Berufung einzulegen und beantragte hierfür Prozesskostenhilfe.

Prozesskostenhilfe wurde ihm vom OLG nicht gewährt.

 

Entscheidung

Das OLG sah für die Berufung keine Aussicht auf Erfolg und hielt die Anfechtungsklage ebenso wie das erstinstanzliche Gericht für unbegründet. Das AG habe das Bestehen einer dem Anfechtungsrecht entgegenstehenden sozial-familiären Beziehung zutreffend bejaht.

Eine sozial-familiäre Beziehung i.S.v. § 1600 Abs. 2 BGB sei anzunehmen, wenn der rechtliche Vater für das Kind tatsächliche Verantwortung trage. Nach § 1600 Abs. 4 BGB bestehe dafür eine widerlegliche Vermutung, wenn der rechtliche Vater mit dem Kind längere Zeit in häuslicher Gemeinschaft gelebt habe. Ein längeres Zusammenleben mit dem Kind sei ein Indiz für das Bestehen einer sozial-familiären Beziehung. Welche Zeitdauer verstrichen sein müsse, damit ein "längeres Zusammenleben" angenommen werden könne, sei umstritten. Insoweit würden Zeiträume von drei Monaten bis zu zwei Jahren als erforderlich angesehen (s. dazu Helms, FamRZ 2010, 1, 5, Fn. 44 m.w.N.).

Einer Entscheidung dieser Frage bedürfe es im vorliegenden Fall nicht. Nach § 1600 Abs. 4 BGB setze das Bestehen einer sozial-familiären Beziehung nicht notwendig voraus, dass der rechtliche Vater mit dem Kind längere Zeit in häuslicher Gemeinschaft gelebt habe. Dies führe nur dazu, dass er sich auf die Regelvermutung der Vorschrift berufen könne. Eine sozial-familiäre Beziehung könne auch bei kürzerem Zusammenleben bejaht werden, wenn dieses noch andauere und das Gericht die Überzeugung gewinne, dass der rechtliche Vater die tatsächliche Verantwortung für das Kind übernommen habe und in einer Weise trage, die auf Dauer angelegt erscheine (BGH, Urt. v. 6.12.2006 - XII ZR 164/04, NJW 2007, 1677, Tz. 20).

Für die Beurteilung, ob eine sozial-familiäre Beziehung vorliege, sei auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen (BGH, Urt. v. 6.12.2006, a.a.O., Tz. 17; v. 30.7.2008 - XII ZR 150/06, NJW 2008, 2985, Tz. 10).

Die Annahme des AG, es liege eine sozial-familiäre Beziehung vor, sei danach nicht zu beanstanden. Das erstinstanzliche Gericht habe sich bei seiner Würdigung auf die eingeholten Stellungnahmen gestützt. Nach den Feststellungen des AG habe ein Zusammenleben der Familie aufgrund verschiedener Meldewohnsitze zunächst auf der Grundlage von besuchsweisen Aufenthalten stattgefunden, seit Oktober 2008 lebten die Beklagten und die Kindesmutter in einer gemeinsamen Wohnung. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte zu 1. nicht gewillt sei, dauerhaft die Verantwortung für den Beklagten zu 2. zu übernehmen. Er habe im Gegenteil schon unmittelbar nach der Geburt die Vaterschaft über das Kind anerkannt. Auch vor dessen Geburt habe bereits eine Partnerschaft mit der Kindesmutter bestanden.

 

Link zur Entscheidung

OLG Bremen, Beschluss vom 24.03.2010, 5 UF 2/10

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