Leitsatz

Das OLG Brandenburg hat sich in dieser Entscheidung eingehend mit den zu prüfenden Kriterien bei einer abändernden Sorgerechtsentscheidung und dem von dem Kind selbst geäußerten Willen auseinandergesetzt.

 

Sachverhalt

Geschiedene Eltern stritten um das Sorgerecht für ihren im Mai 1997 geborenen gemeinsamen Sohn.

Die Eltern hatten im Jahre 1997 geheiratet und sich bereits im November 1998 voneinander getrennt. Ihre Ehe wurde durch Urteil vom 22.3.2001 geschieden. Zugleich wurde die elterliche Sorge für den gemeinsamen Sohn der Ehefrau allein übertragen. Seit der Trennung seiner Eltern lebte der Sohn im Haushalt seiner Mutter und wurde von dieser betreut und versorgt. Der Vater erhielt aufgrund einer Vereinbarung der Eltern regelmäßigen Umgang, wobei es gleichwohl zu Störungen kam.

Die Mutter war Architektin und erneut verheiratet. Der Vater lebte mit seiner Lebensgefährtin in einer neuen Beziehung und betrieb eine Softwarefirma.

Auf Bitten des Vaters führte das Jugendamt seit September 2007 mit dem Sohn eine Therapie durch. Im Zusammenhang damit wurden Verhaltensauffälligkeiten bei dem Kind festgestellt und eine psychotherapeutische Hilfe dringend angeraten.

Nach einer Auseinandersetzung mit seiner Mutter wechselte der Sohn auf seinen Wunsch und mit Unterstützung des Jugendamtes in den Haushalt seines Vaters. Die Mutter stimmte dem Aufenthaltswechsel zu. Seither war der Sohn bei seinem Vater angemeldet und besuchte dort eine Grundschule. Die Therapiemaßnahmen wurden auch nach dem Wechsel in den väterlichen Haushalt fortgesetzt.

Der erste Umgang mit der Mutter fand kurz nach dem Wechsel in den Haushalt des Vaters statt. Geplant war ein Wochenendaufenthalt bei der Mutter, der bereits nach wenigen Stunden durch den Sohn abgebrochen wurde, der sodann zu seinem Vater zurückkehrte. In der Folgezeit kam es nur zu wenigen Umgangskontakten.

Der Kindesvater behauptete, die Kindesmutter sei alkoholabhängig, schlage den Sohn und bestrafe ihn unnötig hart und kindesunangemessen.

In der mündlichen Verhandlung vom 12.2.2009 vor dem AG hat die Kindesmutter ihr Einverständnis mit dem Aufenthalt des Sohnes bei seinem Vater erklärt. Einer Übertragung des alleinigen Sorgerechts auf ihn widersprach sie jedoch und stimmte nur einer solchen auf das Jugendamt zu.

Der Vater hat beantragt, in Abänderung der früheren sorgerechtlichen Entscheidung im Ehescheidungsverbundverfahren ihm das alleinige Recht der elterlichen Sorge zu übertragen.

Das erstinstanzliche Gericht hat antragsgemäß entschieden, der Kindesmutter die elterliche Sorge entzogen und sie auf den Vater übertragen.

Hiergegen wandte sich die Kindesmutter mit der befristeten Beschwerde.

Ihr Rechtsmittel blieb ohne Erfolg.

 

Entscheidung

Das OLG vertrat die Auffassung, das AG habe zutreffend unter Beachtung der Voraussetzungen des § 1696 BGB in Abänderung der im Scheidungsverbundurteil enthaltenen Sorgerechtsregelung die elterliche Sorge auf den Kindesvater allein übertragen.

Nach § 1696 Abs. 1 BGB habe das Familiengericht seine Anordnungen zu ändern, wenn dies aus triftigen, das Wohl des Kindes nachhaltig berührenden Gründen angezeigt sei. Das Kindeswohl habe sich dabei wie in allen sorgerechtlichen Entscheidungen an den Grundsätzen der Kontinuität, der Förderung, der Bindungen des Kindes an seine Eltern und seine Geschwister sowie am geäußerten Willen des Kindes zu orientieren. Die Änderung müsse aus Gründen des Wohls des Kindes geboten sein, dabei müssten die Gründe, die für eine Änderung sprächen, die damit verbundenen Nachteile deutlich überwiegen (OLG Zweibrücken FamRZ 2010, 138; KG, ZKJ 2009, 211). Die erforderlichen triftigen, das Kindeswohl nachhaltig berührenden Gründe seien zunächst dem Grundsatz der Kontinuität zu entnehmen. Im vorliegenden Fall sei zu berücksichtigen, dass seit September 2008 der Sohn sich nunmehr im väterlichen Haushalt aufhalte. Die insoweit zurückgelegte Zeitspanne von etwa 1 1/2 Jahren spreche jedenfalls angesichts des fortgeschrittenen Alters des Sohnes auch unter Beachtung dessen, dass er zuvor etwa 10 Jahre allein bei der Antragsgegnerin gelebt habe, zugunsten eines Verbleibs des Kindes bei seinem Vater.

Hinsichtlich der Erziehungsgeeignetheit der Eltern sei nicht zu verkennen, dass beide erheblichen Einschränkungen hinsichtlich der Förderungsmöglichkeiten für das Kinder unterlägen. Der Antragsteller zeige eine erheblich beeinträchtigte Bindungstoleranz, soweit dies die Förderung des Umgangs des Kindes mit seiner Mutter betreffe. Auch ansonsten sei feststellbar, dass in der Vergangenheit seitens des Vaters jedenfalls keine konsequente Förderung der Umgänge des Sohnes mit der Mutter erfolgt sei. Insoweit entspreche es aber gerade seiner sorgerechtlichen Verpflichtung, dem Sohn möglichst störungsfrei die Umgänge mit seiner Mutter zu ermöglichen.

Das zumindest feststellbare Unterlassen derartiger Förderungsmaßnahmen habe zwar aufseiten des Vaters nicht eine Qualität, die einen Sorgerechtsentzug gemäß § 1666 BGB nahelege. Gleichwohl sei zu berücksichtigen...

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