Leitsatz

  1. Verabschiedung eines Wirtschaftsplans durch den teilenden Grundstückseigentümer im Wege eines "Ein-Mann-Beschlusses" (vor Entstehung einer faktischen Gemeinschaft) begründet für die später entstandene Gemeinschaft keine Wohngeldforderungen
  2. Gleiches gilt für den Beschluss einer Gemeinschaft mit allein als Endbetrag bezeichneten "Gesamtkosten" eines Abrechnungsjahres
  3. Erwerberhaftung für die gesamten Kosten eines Abrechnungsjahres bei Abrechnungsgenehmigung nach seiner zwischenzeitlichen Eintragung im Grundbuch und bei Fehlen eines vorausgehenden Wirtschaftsplans
  4. Eine rechtsmissbräuchliche Inanspruchnahme kann mangels Beschlussnichtigkeit nur durch Anfechtungsklage angegriffen werden
 

Normenkette

§§ 4 Satz 2, 23 Abs. 1, 28 Abs. 1 und Abs. 3, 43 Nr. 4, 46 WEG a. F.; § 46 Abs. 2 WEG n.F.

 

Kommentar

  1. Die teilende Grundstückseigentümerin hatte noch als alleinige Eigentümerin 1998 eine Eigentümerversammlung abgehalten und einen Wirtschaftsplan für 1999 beschlossen. Da eine Wohnungseigentümergemeinschaft erst mit der Eintragung des ersten Erwerbers entsteht und unstrittig auch die Voraussetzungen für eine werdende Wohnungseigentümergemeinschaft zu diesem Zeitpunkt noch nicht vorgelegen hatten, handelt es sich bei diesem "Ein-Mann-Beschluss" des teilenden Grundstückseigentümers um einen Nichtbeschluss, der keinerlei Wirkungen entfalten konnte (vgl. z. B. OLG München FGPrax 2006, 308). Dieser Beschluss konnte damit auch keine Wohngeldforderungen gegen Eigentümer der späteren Gemeinschaft begründen.
  2. Werden im Zuge einer späteren Abrechnungsgenehmigung allein "Gesamtkosten" benannt und beschlossen (unter Vorbehalt noch vorzulegender Einzelabrechnungen), stellt dies noch keine Gesamtabrechnung als formell gültige Abrechnungsgrundlage dar (vgl. OLG Düsseldorf, NZM 2007, 811). Insoweit fehlt auch eine konkrete Verteilung des bestimmten Abrechnungsergebnisses, um für die einzelnen Wohnungseigentümer ggf. eine Beitragsschuld oder ein Guthaben zu begründen. Fehlt eine bestimmte Zahlungspflicht für einzelne Eigentümer, lässt sich auch eine konstitutive Wirkung einer "Genehmigung" nicht aus der Rechtsprechung des Senats herleiten, dass sich aus bestandskräftigen Eigentümerbeschlüssen selbstständige Anspruchsgrundlagen für Wohngeldzahlungsansprüche ergeben können (vgl. NZM 2003, 806 und NZM 2006, 662).

    Fehlt insoweit eine beschlossene Anspruchsgrundlage, kann dies auch eine mögliche Haftung eines inzwischen im Grundbuch eingetragenen Eigentümers nicht begründen. Wird anschließend erstmals durch Abrechnungsgenehmigung eine Beitragsverpflichtung begründet, führt dies zu einer ausschließlichen Haftung des Rechtsnachfolgers (hier des Antragsgegners), wenn er zum Beschlusszeitpunkt bereits im Grundbuch als Eigentümer eingetragen war. Insoweit wird im Fall eines Eigentumswechsels nach h.M. die Fälligkeitstheorie vertreten, was so viel bedeutet, dass auch ein früherer Eigentümer nur für solche Verbindlichkeiten haftet, die bis zur Eigentumsumschreibung entstanden und fällig geworden sind. Fehlt es an einem früheren, rechtsgültigen Wirtschaftsplanbeschluss, ist auch kein Raum für einen Abzug hinsichtlich der Abrechnungsschuld des Rechtsnachfolgers und Begrenzung auf die sog. Abrechnungsspitze. Ein Abrechnungsgenehmigungsbeschluss kann nur Wirkung für und gegen die bei der Beschlussfassung eingetragenen und stimmberechtigten Wohnungseigentümer, nicht aber auch gegen Voreigentümer entfalten (BGH, NJW 1999, 3713). Eine Beschlussfassung mit Zahlungspflichten zulasten eines ausgeschiedenen Eigentümers ist ein unzulässiges Rechtsgeschäft zulasten eines Dritten, was im Zweifel auch von der beschließenden Gemeinschaft nicht gewollt ist. Die insbesondere von Jennißen (ZMR 2005, 267/270 und WEG, 2008 § 16 Rn. 145) vertretene "Aufteilungstheorie" überzeugt insoweit nicht und führt im Fall einer solchen Beschlussauslegung zu Unwägbarkeiten und u.U. jahrelangen Verzögerungen ordnungsgemäßer Abrechnungsbeschlussfassung.

  3. Allein eine bewusste Verzögerung einer Abrechnungsbeschlussfassung, um einen "solventen Schuldner" (Rechtsnachfolger) in Anspruch zu nehmen, rechtfertigt wegen der notwendigen subjektiven Komponenten regelmäßig nicht den Vorwurf sittenwidrigen Handelns (BayObLG, NJW-RR 1992, 14). Vorliegend war hiervon auch nicht auszugehen, vielmehr von interessengerechter Haftung des Rechtsnachfolgers und entsprechender Risikoverlagerung auf ihn. Im Zwangsversteigerungsfall kann sich ein Rechtsnachfolger über die Wohngeldsituation erkundigen, im Fall eines rechtsgeschäftlichen Erwerbs im Rahmen des Kaufvertrags Vorsorge tragen und Sicherungen dagegen einbauen, dass er nicht für Kosten aus Zeiträumen in Anspruch genommen wird, in denen er das Objekt noch nicht nutzen konnte.

    Einen möglichen Einwand eines Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) hat ein Eigentümer i. Ü. über Beschlussanfechtungsklage geltend zu machen (§ 23 Abs. 4 WEG a. F. bzw. § 23 Abs. 4 Satz 2 i. V. m. § 46 Abs. 2 Satz 2 und 3 WEG n.F.). Lässt er den Genehmigungsbeschluss jedoch bestandskräft...

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