Das Wichtigste in Kürze:

1. Von "hinreichendem Tatverdacht" ist auszugehen, wenn nach dem gesamten Akteninhalt bei vorläufiger Tatbewertung die Verurteilung des Beschuldigten mit Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist.
2. Das Verfahren wird nach § 170 Abs. 2 eingestellt, wenn kein "hinreichender Tatverdacht" besteht.
3. Die Einstellung nach § 170 Abs. 2 S. 1 führt nicht zum Strafklageverbrauch. Für den Beschuldigten ist die Einstellung nach § 170 Abs. 2 unanfechtbar. Der Anzeigeerstatter kann gegen die Einstellung aus tatsächlichen Gründen ggf. gem. §§ 172 ff. mit dem Klageerzwingungsverfahren vorgehen.
 

Rdn 2191

 

Literaturhinweise:

Franzheim, Zur Behandlung querulatorischer Strafanzeigen, GA 1978, 142

Kockel/Vossen-Kempkens, Zur Sachbehandlung von unschlüssigen, haltlosen, beschimpfenden, sich inhaltlich wiederholenden "querulatorischen" Strafanzeigen, NStZ 2000, 178

Pfordte, Vorermittlungen und Verdachtsgrade, StraFo 2016, 53

Radke, Bestandskraft staatsanwaltschaftlicher Einstellungsverfügungen und die Identität des wiederaufgenommenen Verfahrens, NStZ 1999, 481

Sailer, Anklageerhebung und Gleichbehandlung, NJW 1977, 1138

Solbach, Rechtsmittelbelehrung bei Erteilung eines Einstellungsbescheides, DRiZ 1977, 181

ders., Einschränkung der Pflicht zur Erteilung eines Einstellungsbescheides gemäß § 171 StPO, DRiZ 1979, 181

ders., Zu drei Fragen aus der staatsanwaltschaftlichen Praxis, NStZ 1987, 350

Thode, Die Einstellungsbeschwerde im Strafverfahren, DRiZ 2007, 57

von der Heide, Zur Benachrichtigungspflicht der Ermittlungsbehörden gegenüber einem nicht "als solchem" vernommenen Beschuldigten bei Einstellung des Verfahrens, NStZ 2008, 677

von Galen, Kosten, Daten, Akten: Unerwünschte Relikte der Verfahrenseinstellung nach § 170 Abs. 2 StPO, in: FS BRAK, S. 490

Weiland, Die Abschlußverfügung der Staatsanwaltschaft, 1. Teil: JuS 1982, 917, 2. Teil: JuS 1983, 120

ders., Von Recht und Pflicht zur Anklageerhebung – zugleich eine Besprechung von OLG Bamberg, NStZ 1991, 252 –, NStZ 1991, 574

s.a. die Hinw. bei → Einstellung des Verfahrens, Allgemeines, Teil E Rdn 2043.

 

Rdn 2192

1.a) Nach § 170 endet das EV gem. Abs. 1 mit der → Erhebung der Anklage, Teil E Rdn 2282, durch Einreichung der → Anklageschrift, Teil A Rdn 572, oder gem. Abs. 2 mit der Einstellung des Verfahrens. Abhängig ist das davon, ob die StA genügend Anlass zur Erhebung der öffentlichen Klage sieht. Das Gericht darf aber sachlich nur dann über einen Vorwurf befinden, wenn die Person, der gegenüber dieser erhoben wird, (noch) lebt (sog. "Befassungsverbot"; dazu BGHSt 51, 202). Mit dem Tod des Beschuldigten ist deshalb ein gegen diesen geführtes EV gem. § 170 Abs. 2 einzustellen. Bestehen über das Ableben indes Zweifel, so bleiben weitere Ermittlungsmaßnahmen dann zulässig, wenn sie zumindest auch der Klärung des Vorliegens dieser Verfahrensvoraussetzung dienen (BGH NJW 2015, 1032).

 

☆ Genügender Anlass zur Erhebung der öffentlichen Klage besteht, wenn die StA den sog. hinreichenden Tatverdacht bejaht.hinreichenden Tatverdacht bejaht.

 

Rdn 2193

b) Von "hinreichendem Tatverdacht" ist auszugehen, wenn nach dem gesamten Akteninhalt bei vorläufiger Tatbewertung die Verurteilung des Beschuldigten mit Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist (u.a. BGHSt 23, 304, 306; NStZ-RR 2017, 593 [für Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 211]; OLG Düsseldorf NStZ-RR 2008, 348; OLG Koblenz NJW 2013, 98; ähnlich OLG Saarbrücken NStZ-RR 2009, 88; zur sog. "Beweisbarkeitsprognose" auch OLG Celle StV 2016, 13 für Beihilfe zur Steuerhinterziehung; wegen weiterer Nachw. → Eröffnungsbeschluss, Teil E Rdn 2338). Die Aufklärung von Widersprüchen und diffizile Beweiswürdigungsfragen dürfen aber der HV überlassen werden (OLG Saarbrücken, a.a.O.; zum auf eine bestimmte IP-Nummer gestützten Tatverdacht hinsichtlich einer Urheberrechtsverletzung durch Filesharing LG Saarbrücken StRR 2008, 312 [Tatverdacht verneint]; zum Anfangsverdacht einer Urheberrechtsverletzung durch im Ausland ansässige Händler OLG Bremen, Beschl. v. 21.9.2017 – 1 Ws 55/17; zu BtM-Bestellungen im sog. Darknet – Tatverdacht jeweils verneint – AG Freiburg StRR 4/2017, 4; AG Iserlohn, Beschl. v. 10.3.2017 – 16 Ds 139/17; AG Köln, Beschl. v. 19.12.2016 – 543 Ds 437/16; AG München, Beschl. v. 17.3.2017 – 1112 Ds 362 Js 2300003/15; zur Aussage-gegen-Aussage-Konstellation AG Backnang, Beschl. v. 23.7.2014 – 2 Ls 113 Js 112185/12). Gerade deshalb sollte der Verteidiger immer überlegen, ob sein Sachvortrag zur Akte ggf. deshalb nicht zielführend ist, weil eine Klärung der HV vorbehalten bleiben und die StA sich hierauf einstellen kann.

 

Rdn 2194

Nicht erforderlich ist die Überzeugung von der schuldhaften Tatbegehung (OLG Hamburg StV 1996, 418; → Eröffnungsbeschluss, Teil E Rdn 2338 f.). Bei der Beurteilung kommt es auf die eigene Prognose des StA an, der entscheiden muss, ob er selbst nach der sich nach → Abschluss der Ermittlungen, Teil A Rdn 120, bietenden Sach- und Rechtslage am Ende einer HV wahrscheinlich zum Antrag auf Verurteilung des Beschuldig...

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