Rz. 957

Es sei daran erinnert (siehe § 1 Rn 333), dass in der Zwangsverwaltung die laufenden Zinsen eines nachrangigen Grundpfandrechts Rang vor dem Kapital und den rückständigen Zinsen des vorrangigen Rechts haben und der Teilungsplan dies auch so ausweisen muss. In der Zwangsversteigerung dagegen gilt der Grundbuchrang.

 

Rz. 958

Unabhängig von der Selbstständigkeit der beiden Verfahren muss aber sowohl das Gericht als auch der Zwangsverwalter eine Befriedigung beachten, welche im anderen Verfahren eingetreten ist. Ein Verwalter, der noch Mittel besitzt oder erwartet, die er gemäß seinem Teilungsplan zu verteilen hat, ist gehalten, sich über den Umfang der gerichtlichen Erlösverteilung zu informieren, bevor er weitere Zahlungen leistet. Sowohl Gericht als auch Verwalter sollten auf diese Frage große Sorgfalt verwenden. Nur eine gute Zusammenarbeit zwischen Rechtspfleger und Zwangsverwalter kann ärgerliche Folgen vermeiden.

 

Rz. 959

 

Beispiel

Das Grundstück ist für die A-Bank erstrangig und für die B-Bank zweitrangig belastet. Der Zwangsverwalter konnte bisher aus den Erträgen noch keine Zinsen bezahlen. Im Verteilungstermin der Zwangsversteigerung erhält die A-Bank aus dem Erlös ihre laufenden und rückständigen Zinsen sowie einen Teilbetrag des Kapitals. Die B-Bank erhält mangels Masse nichts. Nunmehr erst erklärt der Zwangsverwalter, er habe noch 2.000 EUR "Überschüsse" in der Kasse.

Folge: Der Zwangsverwalter darf nur gemäß dem Plan zahlen; auch das Gericht kann ihm keine andere Zahlung mehr erlauben. Da aber die A-Bank die im Teilungsplan der Zwangsversteigerung stehenden laufenden Zinsen bereits erhalten hat, erfolgt nun Zahlung an die Zinsen der B-Bank, obwohl die A-Bank einen Ausfall auf das Kapital hatte.

Aus dieser Situation ergibt sich folgende Konsequenz:

 

Rz. 960

1) Für das Vollstreckungsgericht (Zwangsversteigerung): Im Verteilungstermin der Zwangsversteigerung muss bekannt sein,

ob aus der Zwangsverwaltungsmasse bereits Zahlungen gemäß Plan geleistet wurden und wie sie zu verrechnen waren;
ob beim Zwangsverwalter noch Gelder einer Auszahlung gemäß dessen Teilungsplanes harren;
ob noch künftige beschlagnahmte (siehe dazu § 1 Rn 407 ff.) Einnahmen zu erwarten sind.
 

Rz. 961

2) Für den Zwangsverwalter: Soweit der Zwangsverwalter noch Beträge verwahrt, die zur Zahlung auf eine fällige Leistung gemäß dem Teilungsplan zu verwenden sind, muss er diese noch vor dem Verteilungstermin auszahlen und die Auszahlung dem Gericht anzeigen.

Soweit er Beträge verwahrt, von denen er noch nicht weiß, ob sie für "Aufwendungen" oder für "Überschüsse" zu verwenden sind (das wird immer der Fall sein, wenn der Verwalter überhaupt Einnahmen hatte!), sollte er den Betrag und die von ihm beabsichtigte Bestimmung dem Gericht vor dem Verteilungstermin im Zwangsversteigerungsverfahren anzeigen, auch wenn er noch keine Schlussrechnung erstellen kann. Sollte sich später ergeben, dass die Beträge wegen Verminderung der zu deckenden Aufwendungen jetzt für Überschüsse frei geworden sind, werden sie nach Teilungsplan ausgekehrt. Soweit der Verwalter eine begründete Aussicht sieht, noch beschlagnahmte Rückstände einzuziehen, teilt er dies unter Angabe der näheren Umstände dem Gericht vor dem Verteilungstermin mit.

 

Rz. 962

3) Für die Beteiligten: Spätestens im Verteilungstermin im Zwangsversteigerungsverfahren erfahren sie,[10] was der Zwangsverwalter mitgeteilt hat. Soweit sie aus dieser Mitteilung noch eine begründete Hoffnung sehen, gemäß dem Teilungsplan der Zwangsverwaltung eine Zuteilung zu erhalten, können sie auf die Zuteilung eines entsprechenden Betrages der laufenden Zinsen im Zwangsversteigerungsverfahren verzichten[11] und damit den Ausfall auf das Kapital verringern. Es ist wirtschaftlich zunächst gleichgültig, auf welchen Forderungsteil der Erlös zugeteilt wird, zumal wenn der Schuldner – wie üblich – ohnehin zahlungsunfähig ist. Damit halten sie die Chance offen, aus den noch vorhandenen oder künftig anfallenden Einnahmen des Zwangsverwalters eine Zuteilung zu erhalten. Im obigen Beispiel (siehe unter § 3 Rn 989) hätte die A-Bank bezüglich ihrer laufenden Zinsen durch "Minderanmeldung" einen Zuteilungsverzicht im Verteilungstermin erklären sollen, um dafür 2.000 EUR Kapital mehr zu erhalten. Später hätte ihr dann der Verwalter 2.000 EUR zahlen müssen.

[10] Vorausgesetzt, sie sind im Termin vertreten, was leider oft unterbleibt.
[11] Das ist jetzt eine "echte" Minderanmeldung.

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