Rz. 688

Die vorgenannten Grenzfälle sind in der Praxis nicht die Regel. Fast immer setzt sich der Gewerbebetrieb – mehr oder weniger gewichtet – aus beschlagnahmten und nicht beschlagnahmten Komponenten zusammen. Eine pauschale Abgrenzung ist nicht möglich; jeder Einzelfall muss gemäß den nachgenannten Grundsätzen bewertet werden.

 

Rz. 689

Hierfür hat nun der BGH – am Beispiel eines Hotels – darauf abgestellt, dass es nicht auf die Frage der Betriebsfortführung als solche ankommt, sondern auf das besondere wirtschaftliche Gepräge des beschlagnahmten Grundstücks und ob dies sachgemäß nur durch die Betriebsfortführung seitens des Zwangsverwalters (gegebenenfalls bis zur Verpachtung) zu nutzen ist.

 

Rz. 690

Im konkreten Fall (Hotel) konnte der BGH davon ausgehen, dass das gesamte vorhandene Inventar, welches für die Betriebsfortführung erforderlich war, als Zubehör der Beschlagnahme unterlag. Für die weitere Nutzung der "immateriellen Betriebsmittel" (Geschäftsidee, Organisation, Know-how, Goodwill, Kundenstamm, Beziehungen zu Lieferanten etc.) sah er keine Bedenken, da diese Werte nicht selbstständig, sondern nur als Teil der bestehenden wirtschaftlichen Einheit geschützt seien, welche ohnehin durch die Beschlagnahme zerfallen sei. Auch die zur Fortführung erforderliche Übernahme des Personals stelle keinen unzulässigen Eingriff in die Schuldverhältnisse des Schuldners dar.

 

Rz. 691

Ein Betriebsübergang nach § 613a Abs. 1 BGB liegt auch dann vor, wenn der Verwalter den Betrieb (hier: ein Hotel) nicht unmittelbar vom Schuldner übernimmt und weiterführt, sondern auch nach Kündigung des bisherigen Pächters durch den Verwalter.[157] Dies hat zur Folge, dass die Arbeitsverhältnisse auch vom Pächter auf den Zwangsverwalter übergehen. Aus den Gründen des Urteils ergibt sich, dass man diese Aussage nicht verallgemeinern kann, sondern es auf die Struktur des Betriebes im Einzelfall ankommt.

 

Rz. 692

Schließlich sei eine solche Weiterführung auch nicht grundsätzlich rechtswidrig. Vielmehr ist die Rechtswidrigkeit im Einzelfall unter Beachtung aller Umstände zu prüfen[158] und scheidet aus, wenn sich die Weiterführung angesichts der Alternative (Schließung des Betriebes) als für den Schuldner günstiger erweist; sowohl im Falle der Aufhebung der Zwangsverwaltung als auch einer (besseren) Verwertung durch Zwangsversteigerung.

 

Rz. 693

Der Verwalter kann also

dem Schuldner das Betriebsgrundstück gegen angemessenes Entgelt belassen; oder
den Gewerbebetrieb, welcher dem Grundstück das "besondere wirtschaftliche Gepräge" gibt und der nicht vom Grundstück losgelöst werden kann, selbst weiterführen oder zur Fremdnutzung verpachten. Die Voraussetzung ist, dass das hierfür erforderliche Inventar als Zubehör beschlagnahmt ist oder dem Schuldner überlassen und neu beschafft werden kann. Immaterielle Wirtschaftsgüter, welche nur im Zusammenhang mit dem Betrieb geschützt sind, können – obwohl nicht beschlagnahmt – mitbenutzt werden. Die Zustimmung des Schuldners ist grundsätzlich nicht erforderlich.
im oben genannten Fall einer lockeren Verbindung zwischen Gewerbebetrieb und Grundstück (siehe § 2 Rn 686) dem Schuldner das Grundstück und die beschlagnahmten Gegenstände entziehen, ihn zusammen mit den nicht beschlagnahmten Gegenständen vom Grundstück entfernen und das Grundstück anderweitig verpachten.
 

Rz. 694

Was er endgültig tut, ist nach den Gegebenheiten des Einzelfalles zu entscheiden, wobei nicht nur die Interessen des Gläubigers, sondern auch jene des Schuldners im Falle der Aufhebung der Zwangsverwaltung zu beachten sind. Da meist (§ 10 ZwVwV) die Genehmigung des Gerichts erforderlich ist, hat dies (§ 10 Abs. 2 ZwVwV) Gläubiger und Schuldner zu der Absicht des Verwalters zu hören.

 

Rz. 695

Ist eine Weiterführung seitens des Zwangsverwalters nach den vorstehenden Ausführungen grundsätzlich möglich, stellen sich eine Reihe weiterer Fragen, die nur jeweils für den Einzelfall[159] zu entscheiden sind:

Soll die Fortführung auf unbestimmte Zeit erfolgen oder nur bis zu einer Verpachtung oder einem Eigentumswechsel durch Zwangsversteigerung?
Wäre die Alternative zur Fortführung die Stilllegung des Betriebes?
Ist der Verwalter im Einzelfall in der Lage, selbstständig (wenn auch mit "eingekauftem Know-how") den Betrieb unternehmerisch zu leiten? Denn er darf die Fortführung nicht dergestalt aus der Hand geben, dass er sie ganz einem Dritten überlässt.
Ist die Fortführung wirtschaftlich vertretbar, insbesondere sind hierzu Mittel erforderlich und können diese beschafft werden?
Wäre eine wesentliche Veränderung der Betriebsstruktur zur wirtschaftlich sinnvollen Fortführung erforderlich,[160] welche aber dem Zwangsverwalter[161] nicht erlaubt ist und auch seitens des Gerichts nicht erlaubt werden kann?[162]
Kann die Fortführung erfolgen, obwohl die nicht beschlagnahmten Rechte des Schuldners (siehe § 2 Rn 679) nicht zur Verfügung stehen, weil das Einverständnis des Schuldners fehlt?
 

Rz. 696

Steht die Zwangsversteigerung unmittelbar bev...

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