Rz. 489

Bekanntlich hat der BGH[380] den Streit dahingehend entschieden, dass die in § 10 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. §§ 155 Abs. 2, 156 Abs. 1 ZVG zu begleichenden Ansprüche der WEG-Gemeinschaft in gleicher Weise wie bisher, also gemäß § 155 Abs. 1 ZVG, zu begleichen sind. Zur Begründung wird ausgeführt:

Der Gesetzgeber habe nichts ändern wollen, denn

er wolle die WEG-Gemeinschaft nicht schlechter stellen als bisher und
die Subsumierung unter § 156 ZVG bringe keinen Änderungswillen zum Ausdruck, da diese spätere Einfügung "nicht auf einer fundierten Analyse der Rechtslage beruhe".

Diese Begründung wird weder dem Gesetzgeber noch dem ZVG gerecht.

 

Rz. 490

Der erstgenannte Ansatz ist unzutreffend. Hätte der Gesetzgeber nichts ändern wollen, wäre es nahe liegend gewesen, Nr. 2 des § 10 Abs. 1 ZVG auf das Zwangsversteigerungsverfahren zu beschränken, wie dies für die Nr. 1a geschehen ist.

Der zweitgenannte Ansatz ist zutreffend. Der Gesetzgeber hat zunächst auch für die Zwangsverwaltung den Ansprüchen der WEG-Gemeinschaft unter eine Rangklasse gestellt, wie sich aus § 155 Abs. 2 ZVG ergibt. Einer späteren Erkenntnis[381] folgend wurde § 156 ZVG ergänzt. Damit sollte vermieden werden, dass die Ansprüche der WEG-Gemeinschaft erst mit Verzögerung aufgrund eines Teilungsplanes zu bedienen sind. Also wollte der Gesetzgeber seine Absicht[382] auf der Basis des ZVG erreichen, weshalb der Vorwurf des BGH insoweit nicht berechtigt ist.[383] Jedoch wurde übersehen, dass dieser Erfolg über § 156 ZVG nur möglich gewesen wäre, wenn man von der seit Jahren vertretene Mindermeinung[384] zum Zusammenspiel von § 155 Abs. 2 und § 156 ZVG (für die öffentlichen Lasten) ausgeht, was aber die h.M. bestreitet. Hätte man diese Minder­meinung aufgegriffen, wären alle Probleme auf der Basis des ZVG zu lösen gewesen.[385]

 

Rz. 491

Sieht man also die BGH-Entscheidung als im Ergebnis richtig an (weil sie nicht nur mit abstrakten Überlegungen, sondern an Hand des ZVG zu begründen gewesen wäre) kann man der Rangklasse 3 des § 10 ZVG eine Gleichbehandlung nicht verweigern.[386] Jede andere Argumentation zerstört ein Grundprinzip des ZVG, nämlich dass eine Forderung nicht gleichzeitig unter § 155 Abs. 1 und § 155 Abs. 2 ZVG fallen kann.[387]

 

Rz. 492

Gleichgültig, ob man die Zahlungspflicht des Zwangsverwalters unmittelbar aus § 155 Abs. 1 ZVG herleitet (auch Forderungen der Rangklasse 2 sind Auslagen!) oder aus § 155 Abs. 2 i.V.m. § 156 ZVG (nähere Ausführungen siehe § 1 Rn 490), kommen folgende Aufwendungen in Betracht:

Die laufenden Beiträge zu den Lasten und Kosten des Gemeinschaftseigentums oder des Sondereigentums einschließlich Vorschüsse und Rückstellungen und
die Rückgriffsansprüche einzelner Wohnungseigentümer wegen der Vorleistung für diese Beträge.

Anders als in der Zwangsversteigerung ist das Vorrecht nicht durch einen Höchstbetrag begrenzt (§ 156 Abs. 1 S. 3 ZVG). Somit wird die Zahlungspflicht des Zwangsverwalters auch nicht durch den "Verbrauch"[388] des Vorrechts in der Zwangsversteigerung beeinflusst.

 

Rz. 493

Konkret handelt es sich um:

die gemeinschaftlichen Lasten nach § 16 Abs. 2 WEG,
Vorschüsse gemäß Wirtschaftsplan (§ 28 Abs. 2 WEG)

und zwar – § 155 Abs. 2 i.V.m § 13 ZVG – nur die laufenden Beträge. "Laufend ist die letzte Fälligkeit vor Beschlagnahme". Dies bedeutet also zunächst, dass der Zwangsverwalter keine rückständigen Hausgeldraten zu zahlen hat. Der Wirtschaftsplan bestimmt bereits deren Fälligkeit, nicht erst die abschließende Entscheidung nach Ablauf des Rechnungsjahres. Da nicht nur "regelmäßig wiederkehrende" Leistungen zu zahlen sind, muss der Verwalter die nach Beschlagnahme beschlossene "Abrechnungsspitze" ebenfalls bezahlen, soweit darin nicht die vom Eigentümer schuldig gebliebenen Hausgeldraten ihm aufgelastet werden.

 

Rz. 494

Fraglich erscheint, ob er eine nach Beschlagnahme beschlossene Umlage für eine einmalige Leistung zahlen darf. Geht man davon aus, dass die Ansprüche der WEG-Gemeinschaft "Rangklasseforderung" (§ 155 Abs. 2 ZVG) sind, darf er diese Umlage nicht zahlen.[389] Schließlich erhält die Gemeinde (RK 3) ja auch keine "einmaligen Leistungen". Sieht man in der Entscheidung des BGH eine Beseitigung des Rangklassensystems (= auch die Forderungen der Rangklasse 2 sind "Auslagen"), muss er sie als solche zahlen (wegen einer Umlage für eine notwendige Erhaltung siehe § 1 Rn 510).

 

Rz. 495

Hat der Verwalter entsprechende Einnahmen, so zahlt er die jeweils fälligen Beträge ohne Teilungsplan (§ 156 ZVG).

Nach der Entscheidung des BGH kann (muss) der Zwangsverwalter vom Gläubiger einen Vorschuss fordern, wenn er keine ausreichenden Einnahmen hat. Auch für dieses Ergebnis ist es gleichgültig, ob man die Zahlungspflicht unmittelbar aus § 155 Abs. 1 ZVG herleitet (und damit das Rangklasse-System des ZVG beschädigt), oder der hier vertretenen Auffassung (siehe § 1 Rn 490) folgt (Zahlung erfolgt "wie Auslagen", nachdem gemäß § 155 Abs. 2 ZVG die grundsätzliche Zahlungspflicht festgestellt ist). Im Übrigen ist dies...

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