Rz. 5

§ 1365 BGB regelt, dass ein Ehegatte sich nur mit Einwilligung des anderen Ehegatten verpflichten kann, über sein Vermögen im Ganzen zu verfügen. Die Vorschrift des § 1365 BGB bezweckt zweierlei: Zum einen soll sie die Anwartschaft der Ehegatten auf den Zugewinnausgleich bei Beendigung des Güterstandes schützen.[1] Zum anderen soll sie verhindern, dass ein Ehegatte ohne Zustimmung des anderen Ehegatten durch Weggabe seines gesamten Vermögens der Familie ihre wirtschaftliche Grundlage entziehen kann.[2] § 1365 BGB gilt nur für Verfügungen während bestehender Ehe.

 

Rz. 6

Unter die Begrifflichkeit der "Verfügung" fallen nur rechtsgeschäftliche Verpflichtungen, nicht dagegen die Begründung einer Verpflichtung kraft Gesetzes oder kraft behördlicher oder gerichtlicher Verfügungen. Dabei muss sich das Rechtsgeschäft nach herrschender Meinung unmittelbar auf das Vermögen beziehen.[3] Erbrachte Gegenleistungen, wie z. B. die Zahlung des Kaufpreises, sind unbeachtlich. Die reine Eingehung von Zahlungsverbindlichkeiten fällt, weil sie das Vermögen nicht unmittelbar betrifft, nicht unter § 1365 BGB.[4]

 

Beispiel

Ein Ehegatte, der über ein Gesamtvermögen von 30.000 EUR verfügt, kann ohne Zustimmung des anderen Ehegatten einen Kaufvertrag über einen Konsumgegenstand, der 30.000 EUR kostet, abschließen. Möchte dieser Ehegatte den Konsumgegenstand später wieder verkaufen, muss der andere Ehegatte zustimmen, wenn der Gegenstand sein gesamtes Vermögen darstellt.

 

Rz. 7

Bei § 1365 BGB handelt es sich um ein absolut wirkendes Veräußerungsverbot[5] mit der Folge, dass die Vorschriften über den Schutz gutgläubiger Dritter nicht zur Anwendung gelangen können.

 

Empfehlung:

Sind Verfügungen über Vermögen im Ganzen im Sinne des § 1365 BGB zu befürchten, ist auch an einen vorzeitigen Zugewinnausgleich nach den §§ 1385 f. BGB zu denken.

[4] OLG Rostock, Urteil v. 11.5.1995, 1 U 350/94, FamRZ 1995, 1583.
[5] Siede, in Grüneberg, BGB, 83. Aufl., § 1365 Rn. 1.

2.1.1 Der Begriff "Vermögen im Ganzen"

 

Rz. 8

Der gesetzlich verwendete Begriff "Vermögen im Ganzen" ist nach der herrschenden Einzeltheorie[1] so zu verstehen, dass § 1365 BGB auch dann gilt, wenn sich das Rechtsgeschäft auf einen einzelnen Vermögensgegenstand bezieht, dieser im Ergebnis aber nahezu das gesamte Vermögen ausmacht. Für die Frage, ab wann wertmäßig das Vermögen im Ganzen erreicht ist, muss ein Vergleich zwischen dem veräußerten und dem noch vorhandenen Vermögen vorgenommen werden. Bei größeren Vermögen bleibt das Rechtsgeschäft zustimmungsfrei, wenn dem Ehegatten mindestens 10 % des Vermögens verbleiben.[2] Bei kleineren Vermögen liegt diese Grenze bei 15 %. Andersherum gesagt, handelt es sich um eine Verfügung über Vermögen im Ganzen, wenn der verfügende Ehegatte mindestens 90 % (bei größeren Vermögen) bzw. 85 % (bei kleineren Vermögen) weggibt. Der Vermögensbegriff im Sinne des § 1365 BGB ist nach ganz herrschender Meinung begrenzt auf das Aktivvermögen[3], sodass das Nettovermögen als Differenz zwischen Aktiva und Passiva nicht relevant ist. Persönliche Verbindlichkeiten bleiben daher bei der Prüfung, ob das "Vermögen im Ganzen" übertragen worden ist, außer Betracht.

 

Beispiel

Verfügt ein Ehegatte über ein Aktivvermögen von 150.000 EUR bei gleichzeitig bestehenden Verbindlichkeiten von 100.000 EUR, ist bei der Beurteilung, ob das Vermögen im Ganzen betroffen ist, auf die 150.000 EUR abzustellen und nicht etwa auf 50.000 EUR (Differenz zwischen Aktiva und Passiva).

Etwas anderes gilt aber für dingliche Belastungen von Vermögensgegenständen, was insbesondere bei Immobilienvermögen zu berücksichtigen ist. Lange Zeit war umstritten, ob bei der Veräußerung eines Grundstücks ein dem Veräußerer im Zuge der Eigentumsübertragung eingeräumtes Wohnungsrecht als diesem verbliebener Vermögenswert zu berücksichtigen ist und eine Verfügung über das gesamte Vermögen ausschließen kann. Diese Frage hat der BGH inzwischen bejaht.[4]

 

Rz. 9

Laut der Rechtsprechung des BGH[5] handelt es sich bei Vermögenswerten ab 50.000 DM nicht mehr um kleinere Vermögen, wobei bezüglich der Frage, ab wann von einem größeren Vermögen auszugehen ist, innerhalb der Rechtsprechung keine klare Linie verfolgt wird.

2.1.2 Positive Kenntnis des Dritten

 

Rz. 10

Nach heute herrschender Meinung enthält § 1365 BGB zudem das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal der positiven Kenntnis. Dies bedeutet, der Dritte muss wissen, dass das Rechtsgeschäft über einen Gegenstand das ganze oder nahezu das ganze Vermögen des Verfügenden erfasst. Zumindest muss er die Verhältnisse kennen, aus denen sich Rückschlüsse hierauf positiv ergeben.[1] D...

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