Ein Erblasser, der seinen Erben vertraut, muss keine Vor- und Nacherbfolge anordnen, sondern wird sich regelmäßig darauf verlassen, dass die Erben mit dem ererbten Vermögen vernünftig und in seinem Sinne umgehen werden.

Die Einsetzung von Vor- und Nacherben ist somit meist auch ein Ausdruck des Misstrauens zwischen Erblasser und Erben und ein Instrument, mit dem der Erblasser über den Zeitpunkt des Erbfalls hinaus ein bestimmtes Verhalten der Erben sicherstellen oder herbeiführen will. Eine solche Verhaltenslenkung kann der Erblasser aber auch erzielen, indem er die Erbeinsetzung aufschiebend oder auflösend bedingt, und zwar indem entweder ein gewünschtes Verhalten als aufschiebende Bedingung oder ein unerwünschtes Verhalten als auflösende Bedingung bestimmt wird.

Allerdings wird der Erblasser mit der lediglich aufschiebend oder auflösend bedingten Erbeinsetzung seine Ziele nicht wirksam steuern können, wenn er nicht eine alternative Erbeinsetzung für die Fälle vornimmt, dass die auflösende Bedingung eintritt und die aufschiebende Bedingung nicht. Wegen des Grundsatzes der Universalsukzession (§ 1922 BGB) muss es zu jedem Zeitpunkt ab dem Erbfall einen Erben geben. Folglich lässt sich auflösend oder aufschiebend bedingte Erbfolge nur über die Vor- und Nacherbfolge sinnvoll regeln, indem Vor- und Nacherben sowie deren Verhältnis zueinander ausdrücklich bestimmt werden.

 
Wichtig

Unterlässt der Erblasser eine Regelung zur alternativen Erbeinsetzung für den Fall des Nicht-Eintritts einer auflösenden oder aufschiebenden Bedingung, gilt die gesetzliche Erbfolge mit Wirkungen, die vermutlich nicht der Intention des Erblassers entsprechen.

Konsequenterweise wird der Erblasser einen unter auflösender Bedingung eingesetzten Vorerben, dem er misstraut, nicht von den gesetzlichen Beschränkungen des Vorerben befreien, sondern ihn im Verhältnis zum Nacherben binden. Wie auch im Allgemeinen sollte von dem Instrument der Vor- und Nacherbfolge ebenso in dem angesprochenen Sonderfall zurückhaltend Gebrauch gemacht werden. Der Erblasser muss gute Gründe dafür haben, dass er eine Person, der er misstraut, überhaupt zum Erben einsetzt. Ist das Misstrauen des Erblassers unbegründet, so unterliegt der unter einer Bedingung eingesetzte Erbe zeitlebens den Beschränkungen eines Vorerben. Als Alternative wird deshalb für solche Fälle die Erbeinsetzung in Verbindung mit einem entsprechend bedingten Geld- oder Herausgabevermächtnis, dem Sanktionswirkung zukommt, vorgeschlagen.[1]

Auf diese Weise wird auch verhindert, dass der Vorerbe zeitlebens den Beschränkungen der Vorerbschaft unterworfen ist für ein Verhalten, das niemals eintritt.

Die Anordnung von Vor- und Nacherbfolge zur Verhaltenslenkung ist jedoch nicht uneingeschränkt möglich, sondern findet – wie die Testierfreiheit allgemein – ihre Grenzen u. a. in entgegenstehenden Grundrechten der Betroffenen. Klassisches Beispiel einer unwirksamen Klausel ist eine Wiederverheiratungsklausel, die die Eheschließungsfreiheit des bedachten Ehegatten objektiv und subjektiv einschränkt, indem er/sie in nicht hinnehmbaren Maße vor die Wahl "Geld oder Liebe"[2] gestellt wird.

[1] Vgl. Langenfeld/Fröhler, Testamentsgestaltung, 5. Aufl. 2015, 5. Kapitel Rn. 76 ff.
[2] Hohenzollernentscheidung des BVerfG v. 22.03.2004, 1 BvR 2248/01, NJW 2004 S. 2008 ff., zur Frage der Wirksamkeit der Ebenbürtigkeitsklausel.

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