Gesetzestext

 

(1) Ein Grundstück im Zustand der Bebauung liegt vor, wenn mit den Bauarbeiten begonnen wurde und Gebäude und Gebäudeteile noch nicht bezugsfertig sind. Der Zustand der Bebauung beginnt mit den Abgrabungen oder der Einbringung von Baustoffen, die zur planmäßigen Errichtung des Gebäudes führen.

(2) Die Gebäude oder Gebäudeteile im Zustand der Bebauung sind mit den bereits am Bewertungsstichtag entstandenen Herstellungskosten dem Wert des bislang unbebauten oder bereits bebauten Grundstücks hinzuzurechnen.

Gesetzesbegründung: BT-Drucks 16/11107, S. 25, 26.

Verwaltungsanweisung: R B 196.1 und 196.2 ErbStR 2019 v. 16.12.2019, BStBl I 2019, Sondernummer 1/2019.

A. Allgemeines

 

Rz. 1

Die Vorschrift regelt die Bewertung von inländischen Grundstücken im Zustand der Bebauung. Folge ist, dass die noch unfertigen Bauwerke zusätzlich zum Grund- und Bodenwert der Erbschaft- oder Schenkungsteuer unterworfen werden.

B. Tatbestand

I. Definition des Grundstücks im Zustand der Bebauung

 

Rz. 2

§ 196 Abs. 1 BewG enthält die Definition des Grundstücks im Zustand der Bebauung. Nähere Erläuterungen sind in R B 196.1 ErbStR 2019 enthalten. Das Grundstück im Zustand der Bebauung unterscheidet sich vom unbebauten Grundstück i.S.d. § 178 BewG. Letzteres liegt vor, wenn sich auf dem Grundstück keine benutzbaren Gebäude befinden. Dies ist i.d.R. auch bei Grundstücken im Zustand der Bebauung der Fall. Selbst wenn man ein Grundstück im Zustand der Bebauung deshalb als unbebautes Grundstück ansehen könnte, ist für die Bewertung die speziellere Vorschrift des § 196 BewG heranzuziehen, nach der eben auch die schon vorhandenen Baukörper in die Wertermittlung einzubeziehen sind.

 

Rz. 3

Grundstücke im Zustand der Bebauung sind abzugrenzen von Grundstücken, bei denen die Gebäude in Bauabschnitten errichtet werden. Wird ein Gebäude in Bauabschnitten errichtet, liegt hinsichtlich des bezugsfertigen Teils ein bebautes Grundstück vor. Erst wenn mit dem nächsten Bauabschnitt begonnen wird, kann dann wieder ein Grundstück im Zustand der Bebauung vorliegen.

 

Beispiel

Soll in Bauabschnitten ein Geschäftshaus errichtet werden, bei der nach Phase I die Geschäftsräume im Erdgeschoss schon nach ihrer Fertigstellung benutzt werden, sodann in Phase II die darüber liegenden Büroräume und später in Phase III in den Obergeschossen je nach Verkaufsfortschritt Eigentumswohnungen errichtet und fertig gestellt werden soll, liegt nach Abschluss der Fertigstellung der Geschäftsräume ein bebautes Grundstück der Grundstücksart Geschäftsgrundstück vor, das ggf. im Ertragswertverfahren zu bewerten wäre. Läge keine Bebauung in Bauabschnitten vor, bliebe das Grundstück bis zur endgültigen Bezugsfertigkeit des Gebäudes ein Grundstück im Zustand der Bebauung.

II. Bewertung des Grundstücks im Zustand der Bebauung

 

Rz. 4

Die Bewertung der wirtschaftlichen Einheit des Grundstücks im Zustand der Bebauung (dazu gehören Grund und Boden, die Gebäude und Gebäudeteile, die Außenanlagen, sonstige wesentliche Bestandteile und das Zubehör) erfolgt durch Addition des Werts des Grund und Bodens und den am Bewertungsstichtag bereits existierenden Gebäuden oder Gebäudeteilen im Zustand der Bebauung. Der Grund und Boden wird nach Maßgabe des § 179 BewG bewertet (siehe dazu § 179 BewG Rdn 2 ff.). Die Gebäude oder Gebäudeteile im Zustand der Bebauung sind mit den bereits am Bewertungsstichtag entstandenen Herstellungskosten dem Wert des bislang unbebauten oder bereits bebauten Grundstücks hinzuzurechnen. Maßgeblich sind die entstandenen Herstellungskosten; auf den tatsächlichen Zahlungsabfluss kommt es nicht an. Abbruchkosten für auf dem Grundstück vor Beginn der Baumaßnahme vorhandene Gebäude oder Gebäudeteile rechnen unabhängig von ihrer ertragsteuerlichen Beurteilung hier nicht zu den Herstellungskosten. Ggf. müssen die bisher entstandenen Herstellungskosten anhand des Baufortschritts geschätzt werden, als Anhaltspunkt für diese Schätzung kann z.B. § 3 Abs. 2 Nr. 2 Makler- und Bauträgerverordnung (MaBV) dienen.

 

Beispiel 1

Ein Steuerpflichtiger möchte das vorhandene Einfamilienhaus zu einem Doppelhaus umbauen, in dem ein Familienmitglied wohnen soll. Während der Errichtung des Anbaus verstirbt er. Hier ist zunächst das Einfamilienhausgrundstück nach dem Vergleichswertverfahren zu bewerten. Dem danach errechneten Wert ist der Wert der bis dahin entstandenen Herstellungskosten für den Anbau hinzuzurechnen.

 

Beispiel 2

Ein zuvor unbebautes Grundstück (Größe 611 m2, Bodenrichtwert 100 EUR/m2) wird mit einem Einfamilienhaus bebaut und zum 1.2.2021 verschenkt. Bis zu diesem Zeitpunkt sind Herstellungskosten von 65.000 EUR entstanden, von denen 50.000 EUR bezahlt worden sind.

Lösung:

 
Wert für das zuvor unbebaute Grundstück (§ 196 Abs. 2 i.V.m. § 179 BewG) 611 m2 x 100 EUR/m2 = 61.100 EUR
Entstandene Herstellungskosten (§ 196 Abs. 2 BewG; tatsächl. Zahlung ist unbeachtlich) + 65.000 EUR
Grundbesitzwert 126.100 EUR

C. Verfahrensfragen

 

Rz. 5

Über das Vorliegen eines Grundstücks im Zustand der Bebauung bzw. über die Errichtung in Bauabschnitten sowie über die Bewertung im Einzelnen wird im Feststellungsbescheid entschieden. Meinungsverschiedenheiten über das Vorliegen ein...

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