Rz. 15

Ein Vermächtnis kann ohne Beachtung einer Frist – auch konkludent[53] – ausgeschlagen werden, solange es nicht angenommen worden ist (§ 2180 BGB).[54] Geschieht dies unentgeltlich (ohne Abfindung), erfolgt eine Besteuerung beim Erben ohne Abzug der Vermächtnisverbindlichkeit. Schlägt ein pflichtteilsberechtigter Vermächtnisnehmer sein Vermächtnis aus, kann er stattdessen den Pflichtteil verlangen (§ 2307 BGB). Er beseitigt mit der Ausschlagung rückwirkend die auf das Vermächtnis entstandene Erbschaftsteuer.[55] Soweit er nun den Pflichtteilsanspruch tatsächlich geltend macht, entsteht im Zeitpunkt der Geltendmachung erneut die Steuer. Die Abfindung, die der Erbe dem Bedachten für die Ausschlagung des Vermächtnisses gewährt, ist nicht mit der Erfüllung des Vermächtnisses durch Leistung eines anderen Gegenstands (§ 364 Abs. 1 BGB) gleichzusetzen. Beim "Erwerb durch Vermächtnis" (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) entsteht die Steuer nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 Hs. 1 ErbStG mit dem Tode des Erblassers. Bei der "Abfindung für die Ausschlagung des Vermächtnisses" (§ 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG) entsteht die Steuer nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. f ErbStG erst mit der Ausschlagung.[56]

Wird ein Vermächtnis nach Annahme ausgeschlagen, kann eine Schenkung an den Erben vorliegen.

 

Rz. 16

Schlägt der Vermächtnisnehmer das Vermächtnis gegen Abfindung aus, entfällt die Erbschaftsteuer für das Vermächtnis und beim Erben die Vermächtnisverbindlichkeit. Für die Abfindung entsteht Erbschaftsteuer gem. § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. f ErbStG im Zeitpunkt der Ausschlagung. Zu diesem Zeitpunkt entsteht auch die Abfindungsverbindlichkeit beim Erben.

Wird auf ein aufschiebend bedingtes oder betagtes Vermächtnis verzichtet, wird gem. § 3 Abs. 2 Nr. 5 ErbStG statt des angenommenen Vermächtnisses der Wert einer Abfindung realisiert. Die Steuer für die Abfindung entsteht in diesem Fall mit dem Zeitpunkt der Vereinbarung der Abfindung.[57] Wird der Verzicht allerdings nur unter der aufschiebenden Bedingung der Erfüllung der Abfindung ausgesprochen, entsteht die Steuer erst im Zeitpunkt des Bedingungseintritts. In einem solchen Fall ist also der Zeitpunkt der Bewirkung der Abfindungsleistung steuerrelevant.

[53] Eine konkludente Ausschlagung eines Vermächtnisses kann in Abgrenzung zu einer Leistung an Erfüllungs statt aber nicht stets dann angenommen werden, wenn der mit dem Vermächtnis Beschwerte zur Befriedigung des Bedachten Vermögen hingibt, das nicht dem Nachlass, sondern seinem eigenen Vermögen entstammt; es kommt auf die Umstände des Einzelfalls an, vgl. FG Köln v. 28.6.2018 – 7 K 926/15, EFG 2019, 44.
[54] Kamps, ErbStB 2019, 232.
[55] Der Erwerb von Todes wegen entfällt nach § 2180 Abs. 3 i.V.m. § 1953 Abs. 1 BGB rückwirkend, so dass ein Steuerbescheid nach § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO aufzuheben oder zu ändern ist (BFH v. 8.6.1977 – II R 79/69, BFHE 128, 72). Nach FG Düsseldorf v. 21.8.2019 – 4 K 1280/18 AO, juris, ist der Verzicht nur auf ein durch Vermächtnis erlangtes Wohnrecht nach luxemburgischem Recht kein rückwirkendes Ereignis i.S.d. § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO.
[57] Gottschalk, in: Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, ErbStG, § 9 Rn 64.

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