Rz. 9

Die Stiftung i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG muss im Interesse einer oder bestimmter Familien errichtet werden. Das Merkmal "Familieninteressen" ist weit zu verstehen und erfasst alle Vermögensvorteile im weitesten Sinne,[8] die die Begünstigten aus dem Stiftungsvermögen erhalten, nicht nur die Bezugs- und Anfallsrechte. Dazu zählen auch die unentgeltliche oder verbilligte Nutzung des Stiftungsvermögens, wie z.B. die Nutzung der stiftungseigenen Immobilie zu Wohnzwecken, der Einsatz des Personals der Stiftung für Arbeiten im Rahmen des eigenen Hausstandes oder – bei einer Stiftung mit Kunstbesitz – der Vorteil, von dem Kunstbesitz umgeben zu sein.[9] Bloße mittelbare nicht messbare Vorteile, die reflexartig aus der Verwaltung des Stiftungsvermögens resultieren, reichen nach Ansicht des BFH – ebenso wie die unmittelbaren Vorteile aus der privaten Nutzung des Stiftungsvermögens, den Stiftungserträgen und dem Vermögensanfall bei Stiftungsauflösung – aus.[10]

 

Rz. 10

Der Familienbegriff ist in Anlehnung an § 15 AO grds. weit zu fassen und nicht auf den Ehegatten und die Kinder zu beschränken. Auch Pflege- und Adoptivkinder zählen zu den Angehörigen i.S.v. § 15 AO und können damit Begünstigte sein.[11] Zu beachten ist, dass die Angehörigeneigenschaft des Ehegatten mit Scheidung nicht endet (§ 15 Abs. 2 Nr. 1 AO) mit der Folge, dass bei Begünstigung des geschiedenen Ehepartners weiterhin eine Familienstiftung vorliegen kann. Da § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG auch die Begünstigung mehrerer Familien erlaubt, kann bei einem Streit darüber, ob es sich bei entfernten Verwandten noch um Mitglieder einer Familie handelt, ggf. auf den Zweck, weitere Familien zu begünstigen zu wollen, Bezug genommen werden.

 

Rz. 11

Um eine Familienstiftung i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG handelt es sich jedoch nach dem Gesetzeswortlaut erst dann, wenn die Stiftung wesentlich im Interesse einer oder mehrerer Familien errichtet wird.

Diese Voraussetzung ist nach Ansicht der Finanzverwaltung[12] immer dann erfüllt, wenn nach ihrer Satzung der Stifter, seine Angehörigen und deren Abkömmlinge zu mehr als der Hälfte bezugs- oder anfallsberechtigt sind (Destinatäre), § 15 Abs. 2 AStG. Die Bezugsberechtigung erfasst dabei die laufenden Erträge aus der Stiftung während die Anfallsberechtigung die Aufteilung des Stiftungsvermögens bei Auflösung der Stiftung regelt, der damit wertmäßig eine besondere, wenn auch zeitlich nachgelagerte Bedeutung zukommen kann. Beläuft sich die Bezugs- oder Anfallsberechtigung auf lediglich mehr als ein Viertel, muss zusätzlich ein wesentliches Familieninteresse bestehen. Die Höhe der Bezugsberechtigung soll sich dabei allein nach den Angaben der Satzung bestimmen.[13] Auf eine Thesaurierung von Erträgen durch die Stiftung kommt es danach ebenso wenig an wie darauf, ob tatsächlich Ausschüttungen vorgenommen wurden.[14] In Anlehnung an die Rechtsprechung des BFH[15] soll es für das zusätzlich geforderte wesentliche Familieninteresse genügen, wenn sich derartige Nutzungs- und Zugriffsmöglichkeiten aus der Natur des Stiftungszwecks oder aufgrund des Einflusses der Familie auf die Geschäftsführung ergeben.[16] Auf ein tatsächliches Gebrauchmachen komme es nicht an. Ein wesentliches Familieninteresse kann danach z.B. gegeben sein, wenn die Familie wesentlichen Einfluss auf die Geschäftsführung der Stiftung hat.[17] Es sind darunter alle Vermögensvorteile im weitesten Sinne zu verstehen, die die begünstigten Familien aus dem Stiftungsvermögen ziehen (z.B. die unentgeltliche oder verbilligte Nutzung der Stiftungsimmobilie zu Wohnzwecken oder der Einsatz von Stiftungspersonal zu privaten Zwecken).[18]

 

Rz. 12

Während die Finanzverwaltung als Mindestvoraussetzung für eine Familienstiftung i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG eine Bezugs- oder Anfallsberechtigung von 25 % nach der Satzung verlangt und damit die bloße Gewährung tatsächlicher Vorteile allein nicht genügen lässt, stellt die Rechtsprechung[19] nicht auf derart starre Beteiligungsgrenzen ab. Es reicht danach aus, wenn nach der Satzung und ggf. dem Stiftungsgeschäft den begünstigten Familien ermöglicht werden soll, das Stiftungsvermögen zu nutzen und die Erträge abzuschöpfen (wertende Gesamtschau). Auf eine formale Einsetzung als Destinatäre kommt es bei dieser Gesamtbetrachtung nicht an. Diese Berechtigung kann sich vielmehr auch allein aus dem Stiftungszweck oder aber – bei mehreren Stiftungszwecken – aus dem Einfluss der Familien auf die Geschäftsführung der Stiftung ergeben. Kann die begünstigte Familie maßgeblich die Verwendung der Stiftungsmittel und damit die Geschäftsführung beeinflussen, handelt es sich nach der Rechtsprechung um eine Familienstiftung. Die Ausschüttung der wesentlichen Erträge an die Familienmitglieder stellt dabei ein Indiz für das tatsächliche Vorliegen einer solchen Einflussnahmemöglichkeit dar ebenso wie die Besetzung von Positionen im Stiftungsvorstand.

 

Rz. 13

Dagegen kann es nicht entscheidend auf die tatsächlichen Ausschüttungen ankommen.[20] Denn auch...

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