Gesetzestext

 

(1)1Hat sich ein Vermächtnisnehmer einer der in § 2339 Abs. 1 bezeichneten Verfehlungen schuldig gemacht, so ist der Anspruch aus dem Vermächtnis anfechtbar. 2Die Vorschriften der §§ 2082, 2083, 2339 Abs. 2 und der §§ 2341, 2343 finden Anwendung.

(2)Das Gleiche gilt für einen Pflichtteilsanspruch, wenn der Pflichtteilsberechtigte sich einer solchen Verfehlung schuldig gemacht hat.

A. Allgemeines

 

Rz. 1

Wer erbunwürdig ist, soll auch keinen Anspruch auf ein Vermächtnis oder den Pflichtteil haben. Die Pflichtteilsunwürdigkeit ist nur dann von Bedeutung, wenn der Unwürdige zwar enterbt, ihm aber nicht vom Erblasser selbst zu Lebzeiten nach §§ 2333 ff. BGB der Pflichtteil entzogen wurde.

Es wird weitgehend auf die Vorschriften zur Erbunwürdigkeit verwiesen. Erhebliche Ausnahme ist der fehlende Verweis auf § 2342 BGB: Für die Pflichtteils- und Vermächtnisunwürdigkeit ist keine Klage notwendig. Schließlich ist keine Rechtsposition zu ändern, sondern schuldrechtliche Ansprüche sind abzuwehren.

B. Tatbestand

I. Vermächtnisnehmer (Abs. 1 S. 1)

 

Rz. 2

Angefochten werden können Vermächtnisse des Erblassers. Hierzu zählen auch der Voraus gem. § 1932 BGB und der Dreißigste gem. § 1369 BGB sowie noch nicht vollzogene Schenkungen von Todes wegen gem. § 2301 BGB. Ist die Schenkung von Todes wegen bereits vollzogen, gilt § 530 Abs. 2 BGB. Der Widerruf der vollzogenen Schenkung von Todes wegen kann daher nicht auf die Vorschriften des § 2339 Abs. 1 Nr. 2–4 BGB gestützt werden, weil die Widerrufsgründe gem. § 530 Abs. 2 BGB i.d.R. nur mit § 2339 Abs. 1 Nr. 1 BGB identisch sind. Hat der Unwürdige allerdings die Testierunfähigkeit des Erblassers bzw. Schenkers herbeigeführt, wird er ihn damit auch gleichzeitig am Widerruf der Schenkung gehindert haben, § 530 Abs. 2 Alt. 2 BGB.

II. Pflichtteilsberechtigter (Abs. 2)

 

Rz. 3

Zum Pflichtteilsanspruch i.S.v. Abs. 2 gehören auch der Pflichtteilsrestanspruch (§§ 2305, 2307 BGB), der Pflichtteilsergänzungsanspruch gegen den Erben (§ 2325 BGB) und gegen den Beschenkten (§ 2329 BGB). Anfechtungsgegner ist der Vermächtnisnehmer (bzw. Beschenkte) oder der Pflichtteilsberechtigte.

III. Auflagenbegünstigter?

 

Rz. 4

Hat ein Auflagenbegünstigter (§§ 2192 ff. BGB) sich einer in § 2339 Abs. 1 Nr. 1–4 BGB genannten Verfehlung schuldig gemacht, kann danach die Vollziehung der Auflage nicht gem. § 2345 BGB verweigert werden. In diesen Fällen kommt nur die Anfechtung der Verfügung von Todes wegen gem. §§ 2078, 2083 BGB in Betracht.[1]

[1] Soergel/Damrau, § 2345 Rn 1; a.A. Lange/Kuchinke, § 6 II 2.

IV. Verfehlung nach § 2339 Abs. 1 BGB

 

Rz. 5

Die Vermächtnis- und Pflichtteilsunwürdigkeit tritt aus den gleichen Gründen wie die Erbunwürdigkeit ein (vgl. § 2339 BGB). Sie ist ausgeschlossen, wenn der Erblasser dem Unwürdigen gem. § 2343 BGB verziehen hat oder nach § 2339 Abs. 2 BGB noch vor dem Tod des Erblassers die Verfügung, zu deren Errichtung der Unwürdige den Erblasser bestimmt oder in Ansehung deren ein Urkundsdelikt begangen worden ist, unwirksam geworden ist. Das Gleiche gilt, wenn die Verfügung, zu deren Aufhebung der Erblasser bestimmt worden ist, unwirksam geworden sein würde und somit ein Kausalzusammenhang zwischen der Handlung des Unwürdigen und der Erbfolge fehlt. Keine Anwendung findet § 2345 BGB auf Verfehlungen des Vermächtnisnehmers oder Pflichtteilsberechtigten gegenüber dem Erben.[2]

[2] BGH – V ZR 129/62, FamRZ 1962, 256 f.

C. Rechtsfolge

I. Anfechtbarkeit (Abs. 1 S. 2)

 

Rz. 6

Die Pflichtteils- bzw. Vermächtnisunwürdigkeit wird durch (formlose) Anfechtungserklärung durch den Anfechtungsberechtigten geltend gemacht.

1. Anfechtungsberechtigte

 

Rz. 7

Anfechtungsberechtigt ist gem. § 2341 BGB derjenige, dem der Wegfall des Anspruchs des Unwürdigen zustattenkommt, sei es auch nur als Ersatzberechtigter eines anderen. Daher kann auch der Nicht-Erbe, der nur mit einem Vermächtnis bedacht ist, gegenüber dem unwürdigen Pflichtteilsberechtigten anfechten, sofern zu erwarten ist, dass der Erbe die Erfüllung des Vermächtnisses gem. § 2318 BGB zum Teil verweigert, weil der Vermächtnisnehmer anteilig die Pflichtteilslast zu tragen hätte.[3] Richtet sich der Pflichtteilsergänzungsanspruch des Unwürdigen gem. § 2329 BGB gegen den Beschenkten, ist auch dieser anfechtungsberechtigt.

[3] OLG Celle NdsRpfl. 1972, 235.

2. Frist

 

Rz. 8

Die Rückforderung des Pflichtteils und Vermächtnisses ist ausgeschlossen, wenn nicht innerhalb der Frist des § 2082 BGB die Anfechtung erklärt wurde. Die Anfechtungsfrist beginnt allerdings schon mit Kenntnis des Anfechtungsberechtigten von den die Pflichtteils- oder Vermächtnisunwürdigkeit begründenden Umständen zu laufen. Auf die Beweisbarkeit kommt es hier, anders als bei der Erbunwürdigkeit, nicht an. Der Erbe ist aber auch nach Ablauf der Anfechtungsfrist gem. § 2345 Abs. 1 BGB i.V.m. § 2083 BGB berechtigt, die Erfüllung des Vermächtnisses oder des Pflichtteilsanspruchs[4] zu verweigern.

II. Keine Klage notwendig (Abs. 1 S. 2)

 

Rz. 9

Die hauptsächliche Abweichung des § 2345 BGB gegenüber der Erbunwürdigkeit im eigentlichen Sinne besteht darin, dass diese Norm nicht auf § 2342 BGB verweist und daher die Erhebung einer Klage zur Anfechtung im Gegensatz zur Erbunwürdigkeit nicht erforderlich ist.

 

Rz. 10

Die Erhebung der Anfechtungsklage...

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