Leitsatz (amtlich)

Auch nach Ablauf der Anfechtungsfrist kann die Pflichtteilsunwürdigkeit noch einredeweise geltend gemacht werden.

Ein Gebrauchmachen eines Testaments, das vom Erblasser nicht eigenhändig geschrieben, sondern von ihm nur unterschrieben ist, erfüllt nicht den Tatbestand der Urkundenfälschung gemäß § 267 StGB und führt deshalb nicht zur Erb- oder Pflichtteilsunwürdigkeit.

 

Normenkette

BGB § 2303 Abs. 1, § 2345 Abs. 2, § 2339

 

Verfahrensgang

LG Dortmund (Urteil vom 18.08.2015; Aktenzeichen 24 O 320/13)

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der 24. Zivilkammer des LG Dortmund vom 18.08.2015 - 24 O 320/13 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin macht gegen den Beklagten einen Pflichtteilsanspruch geltend.

Die Parteien sind Halbgeschwister und Kinder der am ...1927 geborenen und am ...2013 verstorbenen Erblasserin C. Diese hate drei Kinder: die am ... 1953 geborene Klägerin sowie aus der Ehe mit ihrem am ... 1971 vorverstorbenen Ehemann den am ... 1958 geborenen Sohn N und den am ... 1966 geborenen Kläger.

Am 19.11.2007 errichtete die Mutter der Parteien ein notarielles Testament (UR-Nr. 43/2007 des Notars T in E, Bl. 8 ff. d.A.), in dem sie u.a. folgendes verfügte:

"Ich... setze hiermit... [den Beklagten]... zu meinem alleinigen Erben ein.

Meine übrigen Kinder, N,... und [die Klägerin]... sollen lediglich ihren Pflichtteil erhalten."

Mit Beschluss des AG Dortmund vom 15.05.2009 wurde für die Erblasserin ein Betreuer bestellt mit den Aufgabenkreisen Gesundheitsfürsorge, Vermögensangelegenheiten und Vertretung bei Ämtern und Behörden, wobei für den Bereich der Vermögensangelegenheiten ein Einwilligungsvorbehalt angeordnet wurde (Bl. 9d. beigezogenen Betreuungsakte 300 XVII 235/09 B AG Dortmund). Dem lag das Gutachten der Amtsärztin W vom 03.04.2009 zugrunde (Bl. 1 ff. der Betreuungsakte), wonach die Erblasserin an einer wahnhaften Störung und fortgeschrittener dementieller Entwicklung litt. Da sie "in der Vergangenheit unreflektiert Unterschriften geleistet" habe und "in wahnhafter Verkennung Geschäfte eingegangen" sei, sei die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts erforderlich.

Neben dem vorgenannten notariellen Testament existiert ein auf den 23.10.2009 datiertes, mit "Mein letzter Wille" überschriebenes handschriftliches Schriftstück (Bl. 69 d.A.), bei welchem unstreitig nur die Unterschrift von der Erblasserin selbst stammt, während der übrige Text von einer anderen Person geschrieben wurde. Darin ist u.a. ausgeführt:

"Meine Eigentums Wohnung... mit allem was dazu gehört erhält meine Enkelin X [die Tochter der Klägerin].

Mein Sohn D [der Beklagte] hat sein Erbteil in der Zeit von Januar 2008 bis ende 2008 in Bar von den Sparbüchern... etwa 30000,- Euro Erhalten. Mein Sohn N und meine Tochter [die Klägerin] sollen den Pflichtteil erhalten."

Aufgrund dieses Schriftstücks vom 23.10.2009 beantragte die Tochter der Klägerin mit Antrag vom 14.05.2013 einen Erbschein, der sie als Alleinerbin ausweisen sollte (Bl. 13 ff. der beigezogenen Nachlassakte 10 VI 114/13 AG Dortmund). Diesen Antrag nahm sie mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 12.07.2013 (Bl. 28 der Nachlassakte) später wieder zurück, woraufhin am 22.08.2013 dem Beklagten ein Erbschein als Alleinerbe ausgestellt wurde (Bl. 32 der Nachlassakte bzw. Bl. 4 d.A.).

Mit Schriftsatz vom 13.05.2013 stellte die Tochter der Klägerin gegen den Beklagten im Verfahren 404 C 4046/13 AG Dortmund den Antrag, im Wege einer einstweiligen Verfügung einen Widerspruch gegen die Eintragung des Beklagten als Berechtigter des zum Nachlass gehörenden Wohnungserbbaurechtes einzutragen. Mit Beschluss vom 15.05.2013 erließ das AG Dortmund die beantragte einstweilige Verfügung (Bl. 18 der beigezogenen Akte 404 C 4046/13 AG Dortmund). Auf den Widerspruch des Beklagten, mit dem geltend gemacht wurde, dass das Testament nicht eigenhändig von der Erblasserin verfasst worden sei, wurde für die Tochter der Klägerin mit Schriftsatz des Zeugen Rechtsanwalt U vom 18.06.2013 (Bl. 27d. beigezogenen Akte 404 C 4046/13 AG Dortmund) vorgetragen, dass die Klägerin des vorliegenden Verfahrens und ihre Tochter zugegen gewesen seien, als das Testament vom 23.10.2009 von der Erblasserin "selbst handschriftlich verfasst und unterzeichnet" worden sei. Zur Glaubhaftmachung wurde eine eidesstattliche Versicherung der Klägerin vorgelegt (Bl. 29 der beigezogenen Akte 404 C 4046/13 AG Dortmund), in welcher die Klägerin an Eides statt versicherte:

"Ich war zugegen, als meine Mutter am 23.10.2009 ein Testament durch handschriftliche Niederschrift verfasste und darin verfügte, dass meine Tochter... ihre Eigentumswohnung... im Falle ihres Todes erhalten soll. Sie hat den gesamten Text dieses Testamentes selbst handschriftlich in meiner Gegenwart niedergelegt und auch unterzeichnet...

Die Schrift im Text des Testamentes entspricht der mir bekannten Schreibweise mein...

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