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Gegenstand des Bewertungsprivilegs ist die (einheitliche) Zuwendung (unter Lebenden oder von Todes wegen) eines – im Zeitpunkt des Erbfalls[49] – lebensfähigen Landguts (an einen einzigen Erwerber).[50] Eine Legaldefinition des Landgut-Begriffs enthält das Gesetz nicht.[51] Entsprechend den Regelungen des § 585 Abs. 1 S. 2 BGB setzt das Bestehen eines Landguts aber sicherlich voraus, dass Grundstücke vorhanden sind, auf denen Landwirtschaft im Sinne einer Bodenbewirtschaftung oder eine mit Bodennutzung verbundene Tierhaltung betrieben wird, um pflanzliche oder tierische Erzeugnisse zu gewinnen.[52] Dementsprechend versteht die Rechtsprechung unter einem "Landgut" i.S.d. §§ 2312, 2049 BGB eine Besitzung, die eine zum selbstständigen und dauernden Betrieb der Landwirtschaft einschließlich der Viehzucht oder der Forstwirtschaft geeignete und bestimmte Wirtschaftseinheit darstellt und mit den nötigen Wohn- und Wirtschaftsgebäuden versehen ist, so dass die dazugehörigen Grundstücke von einer Stelle aus bewirtschaftet werden können.[53]

Kein Landgut bilden daher einzelne Grundstücke oder auch eine Mehrheit von solchen, die nicht einer (einzigen) Hofstelle zugeordnet sind, von der aus sie einheitlich bewirtschaftet werden können. Die Art der Nutzung ist in diesem Fall irrelevant.[54] Dasselbe gilt für Grundstücke, die mit einem anderen landwirtschaftlichen Besitztum wirtschaftlich so verbunden sind, dass ihre eigenständige Bewirtschaftung nicht möglich ist oder wenn dokumentiert ist, dass eine solche nicht beabsichtigt wird.[55]

Ob für die Qualifikation eines Betriebs als Landgut auch das Vorhandensein eines oder mehrerer Wohngebäude erforderlich ist, ist zunehmend umstritten. Nach zutreffender Ansicht sollte dies nicht zu fordern sein. Vielmehr muss es ausreichen, wenn in näherem räumlichem Zusammenhang mit den zu bewirtschaftenden Flächen eine Wohnmöglichkeit für den Übernehmer vorhanden ist.[56]

Zum Landgut gehören auch sog. Sonderkulturen wie Weinbau, Erwerbsobstbau[57] und Imkerei.[58] Gleiches kann für einen Gärtnereibetrieb,[59] Vieh- und Geflügelzucht[60] sowie ein reines Forstgut[61] gelten.

Betriebe mit Massentierhaltung, die im Wesentlichen mit Hilfe zugekauften Futters betrieben wird, stellen i.d.R. keine Landgüter dar.[62] Auch für eine Pferdepension hat das OLG München die Landguteigenschaft zutreffend verneint.[63] Das gilt auch dann, wenn ein Zusammenhang mit einer Grünland- oder Forstbewirtschaftung besteht. Denn die Pensionstierhaltung stellt keine landwirtschaftliche Urproduktion dar.[64]

Werden auf einem Landgut weitere Gewerbe, bspw. ein Gasthof, eine Brennerei oder Brauerei betrieben, handelt es sich um einen sog. Mischbetrieb. Die einzelnen Betriebsteile sind hier grundsätzlich getrennt voneinander zu bewerten.[65]

[50] BGHZ 98, 382, 388.
[51] Vorschriften außerhalb des BGB sind zur Definition wohl nicht geeignet, vgl. OLG München NJW-RR 2003, 1518, 1519; BeckOGK/Blum, § 2312 Rn 13; Staudinger/Herzog [2015], § 2312 Rn 17.
[52] MüKo/Lange, § 2312 Rn 12.
[53] BGHZ 98, 375, 377; BGH AgrarR 1977, 173; BGH MDR 1972, 496; BGH NJW-RR 1992, 770; OLG Braunschweig ErbR 2017, 36; OLG Hamm v. 10.4.2014 – 10 U 35/13, BeckRS 2014, 11567; Burandt/Rojahn/Horn, Erbrecht, § 2312 Rn 3; Weber, BWNotZ 1992, 14, 15; Becker, AgrarR 1975, 57, 62; Staudinger/Herzog [2015], § 2312 Rn 18 m.w.N.; vgl. auch Riedel, in: Mayer/Süß/Tanck/Bittler, HB Pflichtteilsrecht, § 5 Rn 247.
[54] Staudinger/Herzog [2015], § 2312 Rn 20; Zechiel, S. 40.
[55] BGH AgrarR 1977, 173; MüKo/Lange, § 2312 Rn 12 m.w.N.
[56] Staudinger/Herzog [2015], § 2312 Rn 20; Staudinger/J. Mayer [2006], Art. 137 EGBGB Rn 23 m.w.N.; Riedel, in: Mayer/Süß/Tanck/Bittler, HB Pflichtteilsrecht, § 5 Rn 248.
[57] BeckOGK/Blum, § 2312 Rn 13.3; BeckOK BGB/Müller, § 2312 Rn 8; Riedel, in: Mayer/Süß/Tanck/Bittler, HB Pflichtteilsrecht, § 5 Rn 248.
[58] Staudinger/Herzog [2015], § 2312 Rn 19.
[59] BGH AgrarR 1977, 173 f.; OLG Oldenburg FamRZ 1992, 726; BeckOGK/Blum, § 2312 Rn 13.3.
[60] BGH NJW 1987, 951; BGH NJW 1964, 1414,1416; BeckOGK/Blum, § 2312 Rn 13.3; es ist im Einzelfall darauf zu achten, dass sich die Tätigkeit nicht als eigenständiger Gewerbebetrieb darstellt; in diesem Fall ist § 2312 BGB nämlich nicht anwendbar – zur Abgrenzung vgl. Kronthaler, S. 130 ff.; BGH NJW-RR 1996, 528.
[61] Soergel/Dieckmann, § 2312 Rn 1; MüKo/Lange, § 2312 Rn 14; BeckOGK/Blum, § 2312 Rn 13.3.
[62] BGH NJW 1987, 951; BGH NJW 1964, 1414, 1416; BeckOGK/Blum, § 2312 Rn 13.3.
[63] OLG München NJW-RR 2003, 1518; zustimmend BeckOGK/Blum, § 2312 Rn 13.4.
[64] A.A. J. Mayer, MittBayNot 2004, 334, 337 f.
[65] MüKo/Lange, § 2312 Rn 14.

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