Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Eigenschaft als Landgut i.S.d. § 2312 BGB

 

Leitsatz (amtlich)

Für die Anwendung von § 2312 BGB kommt es auf die Verhältnisse beim Erbfall an.

 

Normenkette

BGB § 2312

 

Verfahrensgang

LG Regensburg

 

Tenor

Die Sprungrevision des Beklagten gegen das Urteil der 4. Zivilkammer des Landesgerichts Regensburg vom 8. Februar 1994 wird nicht angenommen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens (§ 97 Abs. 1 ZPO)

 

Gründe

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Die Revision hat im Endergebnis auch keine Aussicht auf Erfolg.

1. Im Ergebnis hat das Landgericht mit Recht angenommen, daß im vorliegenden Fall für die Pflichtteilsergänzungsansprüche der Kläger der Verkehrswert maßgeblich ist, weil der Beklagte den zu Lebzeiten des Erblassers übernommenen landwirtschaftlichen Betrieb schon vor dem Erbfall aufgegeben und den größten Teil der Ländereien verkauft hat. Die Belastung, vor der § 2312 BGB den landwirtschaftlichen Betrieb im öffentlichen Interesse schützen soll (BGHZ 98, 375, 379 m.w.N.), tritt erst im Erbfall auf. Vorher bestehen weder Pflichtteils- noch Pflichtteilsergänzungsansprüche noch auch der Anspruch aus § 2329 Abs. 1 BGB (arg. § 2317 Abs. 1 BGB). Auch die Frage, ob die Privilegierung des Pflichtteilsberechtigten, der ein Landgut übernimmt, durch die Bewertungsvorschrift des § 2312 BGB gegenüber anderen Pflichtteilsberechtigten mit Art. 3 Abs. 1 GG zu vereinbaren ist (vgl. zu § 1376 Abs. 4 BGB BVerfGE 67, 348, 368 = NJW 1985, 1329, 1330 unter 4.), stellt sich erst beim Erbfall, durch den die dann vorhandenen nahen Angehörigen Pflichtteilsansprüche erwerben. In dieser Situation ist eine Bevorzugung dessen, der das Landgut übernimmt, gemäß § 2312 BGB nur gerechtfertigt, wenn der Zweck des § 2312 BGB, nämlich die Erhaltung eines leistungsfähigen landwirtschaftlichen Betriebes in der Hand einer vom Gesetz begünstigten Person (BGHZ 98, 382, 388), noch erreicht wird.

Daß dieser Zweck früher einmal, nämlich im Zeitpunkt der Übergabe des Landguts zu Lebzeiten des Erblassers, erreicht worden ist, kann für die Beurteilung der Rechtslage im Erbfall keine Rolle spielen. Auch wenn sich die Übergabe zu Lebzeiten des Erblassers ihrem Zweck nach wie hier als vorweggenommene Erbfolge darstellt, darf diese Einordnung doch nicht den Blick darauf verstellen, daß es im Zeitpunkt der Übergabe noch keinerlei Pflichtteilsansrüche auf das Vermögen des späteren Erblassers gab. Vielmehr konnte dieser frei und durch das Pflichtteilsrecht noch unbeschränkt unter Lebenden über sein Vermögen verfügen. Das allein rechtfertigte die Bevorzugung eines nahen Angehörigen gegenüber anderen vor dem Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG bis zum Erbfall.

2. Gleichwohl bleibt § 2312 BGB anwendbar, wenn das Landgut nicht erst beim Erbfall, sondern schon zu Lebzeiten des Erblassers aufgrund vorweggenommener Erbfolge auf einen (später pflichtteilsberechtigten) nahen Angehörigen übergegangen ist. Nur reicht es nicht aus, wenn die Voraussetzungen des § 2312 BGB zwar im Zeitpunkt der Übergabe vorgelegen haben, nicht aber noch im Zeitpunkt des Erbfalls. Soweit der Rechtsprechung bisher entnommen werden konnte, daß es für die Anwendung von § 2312 BGB bei vorweggenommener Erbfolge auf den Zeitpunkt des Erbfalls nicht mehr ankomme, kann daran nicht festgehalten werden (Urteil des damals für Erbrecht zuständig gewesenen III. Zivilsenat vom 4. Mai 1964 – III ZR 159/63 – NJW 1964, 1414, 1416 unter 4. = LM BGB § 2329 Nr. 5/6; beiläufig übernommen im Urteil des seither für Erbrecht zuständigen IV. Zivilsenats vom 15. Dezember 1976 – IV ZR 27/75 – LM BGB § 2312 Nr. 4). Im Gegenteil kann § 2312 BGB auch anzuwenden sein, wenn der Übernehmer des zu Lebzeiten des Erblassers übergebenen Grundbesitzes die Voraussetzungen für seine dauerhafte Bewirtschaftung als Landgut erst zum Zeitpunkt des Erbfalls herstellt, etwa wenn die Bewirtschaftung im Zeitpunkt der Übergabe völlig aufgegeben war, der Übernehmer den Betrieb aber künftig selbst oder von einem Abkömmling dauerhaft wiederaufnehmen will (vgl. Senat, Urteil vom 11. März 1992 – IV ZR 62/91 – BGHR BGB § 2312 Landgut 2).

3. Für die Beurteilung als Landgut im Sinne von § 2312 BGB entscheidend ist mithin, ob der Tatrichter feststellen kann, daß im Zeitpunkt des Erbfalls die – realisierbar erscheinende – Absicht des Übernehmers bestanden hat, den landwirtschaftlichen Betrieb auf Dauer fortzuführen (Prognose aus der objektivierenden Sicht eines unvoreingenommenen Betrachters, Senatsurteil vom 11. März 1992, aaO). Auf § 2312 BGB kommt es allerdings nicht mehr an, wenn das Landgut schon mehr als zehn Jahre vor dem Erbfall übergeben worden ist (§ 2325 Abs. 3 BGB) oder die aus dem Pflichtteilsrecht folgenden Ansprüche verjährt sind (§ 2332 BGB). Daraus kann entgegen der Auffassung des Landgerichts im vorliegenden Verfahren und des Oberlandesgerichts im vorausgegangenen Auskunftsprozeß aber nicht der Schluß gezogen werden, daß dem Übernehmer das Privileg des § 2312 BGB nicht mehr abgesprochen werden könne, wenn er den landwirtschaftlichen Betrieb vor dem Erbfall über längere Zeit geführt hat (im vorliegenden Fall sechs Jahre und vier Monate lang.) Abgesehen davon, daß sich der nach dieser Auffassung maßgebende Zeitraum nicht eingrenzen läßt, können die Verhältnisse vor dem Erbfallgrundsätzlich nicht für die Frage entscheidend sein, wie den Anforderungen von Art. 3 Abs. 1 GG an die gleiche Behandlung der erst durch den Erbfall entstandenen Pflichtteilsansprüche genügt werden kann.

 

Fundstellen

Haufe-Index 604899

NJW 1995, 1352

FamRZ 1995, 352

ZEV 1995, 74

DNotZ 1995, 708

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