Rz. 371

Folgt man der hier dargestellten Sichtweise und hält für die Ermittlung der anzusetzenden fiktiven/latenten Steuern allein die steuerlichen Verhältnisse des jeweiligen Pflichtteilsberechtigten für maßgeblich, müssen diese festgestellt und dem Erben gegenüber offengelegt werden, um ihm überhaupt erst eine Berechnung des jeweiligen Pflichtteilsanspruchs zu ermöglichen.

 

Rz. 372

Insoweit muss dem Erben ein Auskunftsanspruch gegen den (jeweiligen) Pflichtteilsberechtigten zugebilligt werden, da ohne die entsprechenden Kenntnisse keine Pflichtteilsberechnung möglich ist.

Ein erb-, speziell ein pflichtteilsrechtlicher Auskunftsanspruch ist insoweit nicht erkennbar, zumal die Rechtsprechung bezüglich Auskunftsansprüchen des Erben gegenüber dem Pflichtteilsberechtigten sehr zurückhaltend agiert.[941]

 

Rz. 373

Vor diesem Hintergrund scheint ein Rückgriff auf die allgemeinen Regeln des § 242 BGB geboten. Der BGH[942] geht insoweit davon aus, dass ein solcher Auskunftsanspruch immer dann besteht, wenn bzw. soweit es um Rechtsverhältnisse geht, "deren Wesen es mit sich bringt, dass der [Auskunfts-]Berechtigte entschuldbarerweise über das Bestehen und den Umfang im Ungewissen ist, während der Verpflichtete in der Lage ist, die Auskunft unschwer zu erteilen, wobei die Ungewissheit aus dem besonderen Wesen des Rechtsverhältnisses herrühren muss".

Dies gilt umso mehr, als der BGH etwaige Auskunftspflichten des Pflichtteilsberechtigten (im Zusammenhang mit § 2315 BGB) ausdrücklich auch auf wertbildende Faktoren (hierzu gehört die fiktive/latente Steuer, die im Rahmen der Bewertung des jeweiligen Aktivums berücksichtigt wird) erstreckt.[943]

 

Rz. 374

Im Übrigen dürfte wegen eben dieser Situation der Eintritt des Zahlungsverzugs ausgeschlossen sein, solange der Pflichtteilsberechtigte (trotz entsprechender Aufforderung des Erben) die relevanten Daten nicht bekanntgibt. Denn nach allgemeinen Regeln ist es grundsätzlich Sache des Forderungsinhabers (Pflichtteilsberechtigten), seinen Anspruch nachvollziehbar geltend zu machen. Soweit der Schuldner (Erbe) den Inhalt und Umfang seiner Leistungspflicht nicht kennt, ohne dass er dies zu vertreten hat, kann er nicht in Verzug geraten.[944]

[942] BGH NJW 1964, 1414; vgl. auch BGH NJW 2017, 2755, 2756.
[943] Vgl. BGH ZEV 2010, 190, 192.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge