Gesetzestext

 

(1)Haben die Ehegatten in einem gemeinschaftlichen Testament, durch das sie sich gegenseitig als Erben einsetzen, bestimmt, dass nach dem Tode des Überlebenden der beiderseitige Nachlass an einen Dritten fallen soll, so ist im Zweifel anzunehmen, dass der Dritte für den gesamten Nachlass als Erbe des zuletzt versterbenden Ehegatten eingesetzt ist.

(2)Haben die Ehegatten in einem solchen Testament ein Vermächtnis angeordnet, das nach dem Tode des Überlebenden erfüllt werden soll, so ist im Zweifel anzunehmen, dass das Vermächtnis dem Bedachten erst mit dem Tode des Überlebenden anfallen soll.

A. Regelungen des Abs. 1

I. Allgemeines

 

Rz. 1

Abs. 1 enthält nach allg. Ansicht eine Auslegungsregel und keine gesetzliche Vermutung.[1] Da es sich bei Abs. 1 nur um eine Auslegungsregel handelt, ist auch beim gemeinschaftlichen Testament zunächst der tatsächliche Erblasserwille durch erläuternde Auslegung der letztwilligen Verfügung gem. § 133 BGB zu erforschen. Dabei sind auch außerhalb der Urkunde liegende Umstände zur Auslegung heranzuziehen. Bei der Auslegung ist dabei nicht am Wortlaut zu haften. Dieser bildet den Ausgangspunkt, nicht die Grenze der Auslegung.[2] Bei dieser Auslegung ist zu berücksichtigen, dass insbesondere juristische Laien oft Ausdrücke aus der Gesetzessprache falsch verwenden.[3] Hier ist sorgfältig zu ermitteln, was der jeweilige Erblasser mit der Verwendung dieser Begriffe tatsächlich sagen wollte. Wenn der (mögliche) Wille des Erblassers in dem Testament auch nicht andeutungsweise oder versteckt zum Ausdruck gekommen ist, ist der unterstellte, aber nicht formgerecht erklärte Wille des Erblassers daher unbeachtlich (sog. Andeutungstheorie).[4]

 

Rz. 2

Selbst wenn das gemeinschaftliche Testament von einem Notar beurkundet wurde, kommt es letztlich für die Auslegung des Testaments auf das Verständnis beider Erblasser an.[5] Entscheidend für die Auslegung ist nicht, welchen Sinn der Notar den in der Urkunde verwendeten Begriffen beigemessen hat, sondern wie die Erblasser sie aufgefasst haben.[6] Allerdings kann dann, wenn ein Notar das Testament entworfen hat, i.d.R. davon ausgegangen werden, dass der Notar den letzten Willen der Erblasser unter Verwendung der rechtlich zutreffenden Begriffe niedergelegt hat.[7] Ergeben sich aber aus der Urkunde Zweifel daran, ob die fraglichen Rechtsbegriffe zutreffend verwendet wurden, so entfällt die vorgenannte Annahme.[8]

 

Rz. 3

Häufig verwechselt werden die Begriffe Alleinerbe (Gegensatz: Miterbe) und Vollerbe (Gegensatz: Vorerbe). So kann z.B. mit der Verwendung des Begriffs Alleinerbe eine Vor- und Nacherbfolge gewollt sein, denn auch der alleinige Vorerbe ist Erbe.[9] Gleiches gilt auch für den Begriff des Universalerben. Diesen Begriff kennt das Gesetz nicht. Verstanden wird darunter regelmäßig der Alleinerbe in Abgrenzung zum Miterben, auch hier kann aber nur eine Vorerbschaft gewollt sein.[10] Weiter umschreibt der Begriff (Universalerbe) lediglich die gesetzliche Regel der Universalsukzession, also der Gesamtrechtsnachfolge nach § 1922 Abs. 1 BGB.[11]

[1] BGH WM 1973, 41; BayObLG NJW-RR 1992, 200, 201.
[2] BGHZ 86, 41 = NJW 1983, 672; Staudinger/Kanzleiter, § 2269 Rn 6.
[3] OLG Hamm v. 10.2.2003 – 15 W 216/02, Rn 30, 31, zit. nach juris = FamRZ 2003, 1503; OLG München v. 1.12.2011 – 31 Wx 249/10, Rn 25, zit. nach juris = ZErb 2012, 14; Palandt/Weidlich, § 2269 Rn 6; SchlHOLG v. 6.6.2016 – 3 Wx 1/16, Rn 41, zit. nach juris = FamRZ 2017, 403.
[5] KG Rpfleger 1987, 110 = NJW-RR 1987, 451; OLG Hamm JZ 1994, 628; OLG München v. 16.7.2012 – 31 Wx 290/11, Rn 28, zit. nach juris; Mayer, in: Reimann/Bengel/Mayer, § 2269 Rn 31.
[6] BGH LM Nr. 1 zu § 2100; OLG München JFG 15, 246; KG DR 1943, 1108; Mayer, in: Reimann/Bengel/Mayer, § 2269 Rn 31.
[7] Mayer, in: Reimann/Bengel/Mayer, § 2269 Rn 31 unter Bezugnahme auf § 17 BeurkG; Bamberger/Roth/Litzenburger, § 2269 Rn 9.
[8] Vgl. BGH v. 14.6.1951 – IV ZR 10/50, LM Nr. 2 zu § 2100 BGB; Bamberger/Roth/Litzenburger, § 2269 Rn 9.
[9] Mayer, in: Reimann/Bengel/Mayer, § 2269 Rn 33.
[10] BayObLGZ 1997, 59, 75 f.
[11] Bamberger/Roth/Litzenburger, § 2269, Rn 14; BayObLGZ 1997, 59, 65 f.

II. Auslegung einseitiger und wechselbezüglicher Verfügungen

 

Rz. 4

Bei der Auslegung des gemeinschaftlichen Testaments ist danach zu unterscheiden, ob es sich um einseitige oder um wechselbezügliche letztwillige Verfügungen handelt.[12] Einseitige Verfügungen sind hier, genau wie sonst auch, nach den allg. Grundsätzen über die Auslegung einseitiger Testamente zu behandeln. Bei wechselbezüglichen Verfügungen kommt es zunächst auf den übereinstimmenden Willen beider Ehegatten an, dies zumindest, soweit es sich dabei um inhaltlich aufeinander abgestimmte Verfügungen beider Ehegatten handelt.[13] Nach h.M., die auch vom BGH[14] vertreten wird, kommt es aber bei der Auslegung wechselbezüglicher Verfügungen in einem gemeinschaftlichen Testament stets auf den gemeinsamen Willen beider Ehegatten an. Zu ermitteln ist daher der übereinstimmende, subjektive Wille beider Ehegatten im Zeitpunkt der Testamentserrichtun...

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