Leitsatz (amtlich)

1. Auch ein notarielles Testament kann im Hinblick auf eine Schlusserbeneinsetzung auslegungsfähig sein.

2. Eine Kombination von Pflichtteils- und Wiederverheiratungsklausel kann für eine Einsetzung der gemeinsamen Kinder als Schlusserben sprechen.

 

Normenkette

BGB §§ 2269-2271, 133, 2084; BeurkG § 17

 

Verfahrensgang

AG Altötting (Beschluss vom 04.03.2011; Aktenzeichen VI 000956/10)

 

Tenor

I. Die Beschwerde der Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss des AG Altötting vom 4.3.2011 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligte zu 1 hat die dem Beteiligten zu 2 im Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

III. Die Festsetzung des Geschäftswerts für das Beschwerdeverfahren bleibt vorbehalten.

 

Gründe

I. Der Erblasser ist am 3.4.2010 im Alter von 65 Jahren verstorben. Er war verheiratet mit der am 23.3.2000 verstorbenen B. B.. Aus der Ehe gingen die Beteiligten zu 2 und 3 hervor. Die Beteiligte zu 1 ist die Lebensgefährtin des Erblassers.

Es liegen folgende letztwillige Verfügungen des Erblassers vor:

1. Ein notarielles - mit seiner verstorbenen Ehefrau errichtetes - gemeinschaftliches Testament vom 4.12.1992. Dieses lautet im Wesentlichen wie folgt:

"...

§ 2

Wir setzen uns gegenseitig zu Erben ein, so dass der Längstlebende von uns der alleinige Erbe des zuerst Versterbenden sein soll.

Der überlebende Teil ist hinsichtlich unseres beweglichen und unbeweglichen Vermögens unbeschränkter Vollerbe, falls er nicht wieder heiratet.

Sollte der überlebende Teil wieder heiraten, so wird er nur als Vorerbe eingesetzt. Er ist als solcher hinsichtlich unseres beweglichen und unbeweglichen Vermögens von allen gesetzlichen Beschränkungen befreit, soweit dies möglich und nicht durch Teilungsanordnung bezüglich einzelner Gegenstände gesondert geregelt ist.

Der Nacherbfall tritt mit der Wiederverheiratung des überlebenden Teils ein.

§ 3

Als Nacherben bestimmen wir unsere gemeinschaftlichen ehelichen Abkömmlinge: a) (Beteiligter zu 2) a) (Beteiligte zu 3) zu gleichen Teilen.

Sollte eines dieser Kinder vorverstorben sein, so sollten dessen Nachfolger den Erbteil des Vorverstorbenen erben.

Sind keine Nachfolger da, so soll Ersatzerbe sein das andere Kind.

§ 4

Sollte einer unserer Erben nach dem Tode des Erstversterbenden die Auszahlung seines Erbteils verlangen, so soll er auf den Pflichtteil gesetzt werden.

Sollte der vorgenannte Fall eintreten, so soll das Kind, das die Auszahlung verlangt hat, auch nach dem Tod des Längstlebenden nur seinen Pflichtteil erhalten.

§ 5

..."

2. Ein am 19.12.2007 in St. Gilgen (Österreich) vor einem öffentlichen Notar errichtetes Testament. Dieses lautet im Wesentlichen wie folgt:

"Ich, (...), errichte hiermit im Zustande der vollen Besonnenheit, mit Überlegung und Ernst, frei von Zwang, Betrug und wesentlichem Irrtum meinen letzten Willen wie folgt:

I. Ich setzte meine Lebensgefährtin (= Beteiligte zu 1) zur Erbin meines gesamten wie immer Namen habenden und wo immer befindlichen beweglichen und unbeweglichen Nachlassvermögens ein.

II. Meine Kinder (= Beteiligte zu 2 und Beteiligter zu 3) setze ich auf den ihnen gebührenden Pflichtteil, in welchen alles einzurechnen ist, was nach dem Gesetz eingerechnet werden kann.

III. Ich widerrufe hiermit alle von mir etwa früher errichteten letztwilligen Anordnungen und erkläre diese für aufgehoben, null und nichtig.

..."

Die Beteiligte zu 1 beantragte am 15.4.2010 die Erteilung eines Erbscheins, der sie als Alleinerbin des Erblassers ausweist. Hiergegen wandten sich die Beteiligten zu 2 und 3. Sie sind der Auffassung, dass die Ehegatten in dem gemeinschaftlichen Testament vom 14.12.1992 eine Schlusserbeneinsetzung zugunsten ihrer beiden Kinder getroffen haben. Zwar enthalte das Testament keine ausdrückliche Bezeichnung der beiden Kinder als Schlusserben. Dies ergebe sich jedoch im Wege der Auslegung des gemeinschaftlichen Testaments der Ehegatten. Der Beteiligte zu 2 beantragte am 24.6.2010 die Erteilung eines Erbscheins, der bezeugt, dass der Erblasser von den Beteiligten zu 2 und 3 zu je 1/2 beerbt worden ist.

Mit Beschluss vom 4.3.2011 wies das Nachlassgericht den Antrag der Beteiligten zu 1 zurück und kündigte die Erteilung des von dem Beteiligten zu 2 beantragten Erbscheins an. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Beteiligten zu 1.

II. Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht ist das Nachlassgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass sich die Erbfolge nach dem gemeinschaftlichen Testament vom 4.12.1992 bestimmt. In entsprechender Anwendung des § 2289 Abs. 1 Satz 2 BGB war der Erblasser an einer erneuten Testierung gehindert, da die Ehegatten in dem gemeinschaftlichen Testament eine Schlusserbeneinsetzung getroffen haben, die wechselbezüglich i.S.d. § 2270 BGB ist. Demgemäß ist auch der von dem Erblasser erklärte Widerruf früherer Verfügungen nach § 2271 Abs. 2 S. 1 BGB unwirksam.

1. Eine ausdrückliche Regelung für die Erbfolge nach dem Ableben des überlebenden Ehegatten enthält das gemeinschaftliche Testament nicht. Dennoch ...

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