Gesetzestext

 

(1)Durch die Errichtung eines Testaments wird ein früheres Testament insoweit aufgehoben, als das spätere Testament mit dem früheren in Widerspruch steht.

(2)Wird das spätere Testament widerrufen, so ist im Zweifel das frühere Testament in gleicher Weise wirksam, wie wenn es nicht aufgehoben worden wäre.

A. Allgemeines

 

Rz. 1

§ 2258 BGB regelt das Konkurrenzverhältnis zwischen einem früheren Testament und einer späteren letztwilligen Verfügung, wenn diese keine Regelung hinsichtlich der Geltung des früheren Testaments beinhaltet. Testiert der Erblassers daher zu einem späteren Zeitpunkt neu, ohne seine bisherigen letztwilligen Verfügungen zu widerrufen oder deren Fortgeltung ausdrücklich zu bestimmen, so ist nach § 2258 BGB von einer Aufhebung des früheren Testaments bzw. einzelner Verfügungen dann auszugehen, wenn die frühere Verfügung mit dem späteren Testament im Widerspruch steht.[1] Ein inhaltlicher Widerspruch ist dann anzunehmen, wenn mehrere letztwillige Verfügungen sachlich nicht miteinander vereinbar sind, sich also gegenseitig ausschließen.[2]

Auch bei inhaltlicher Vereinbarkeit kann ein Widerspruch vorliegen, wenn der durch Auslegung ermittelte Erblasserwille ergibt, dass die spätere letztwillige Verfügung die Erbfolge abschließend und ausschließlich (insgesamt oder für einen Teilbereich) regeln sollte.[3] Keine Rolle spielt dabei, ob sich der Erblasser bei Errichtung der letztwilligen Verfügung an die frühere Verfügung von Todes wegen überhaupt erinnern konnte.[4]

Die Wirkung des Abs. 1 tritt unabhängig von der Form des späteren Testaments ein, d.h., dass es keinen Unterschied macht, ob es sich um ein öffentliches Testament handelt, welches ein eigenhändiges aufhebt, oder umgekehrt.[5] Insoweit findet Abs. 1 auch auf gemeinschaftliche Testamente Anwendung, unabhängig davon, ob dieses wechselbezügliche oder einseitige Verfügungen enthält. Bei vertragsmäßigen Verfügungen in einem Erbvertrag gilt allerdings § 2289 Abs. 1 S. 1 BGB, bei einseitigen Anordnungen ist nach § 2299 Abs. 2 S. 1 BGB der Abs. 1 anwendbar.

 

Rz. 2

Handelt es sich bei dem früheren Testament um ein gemeinschaftliches Testament, so ist hinsichtlich der Widerrufswirkung zwischen einseitigen und wechselbezüglichen Verfügungen zu unterscheiden. Handelt es sich um eine wechselbezügliche Verfügung, so kann diese nicht durch eine spätere einseitige letztwillige Verfügung widerrufen werden (§ 2271 Abs. 1 S. 2 BGB).

 

Rz. 3

Wie viele letztwillige Verfügungen der Erblasser vor dem späteren, widersprechenden Testament errichtet hat, ist für die Anwendbarkeit des Abs. 1 unbedeutend. Vielmehr ist dann das Konkurrenzverhältnis jeweils einzeln zu der vorangegangenen letztwilligen Verfügung zu prüfen, es sei denn, dass diese selbst wiederum durch nachfolgende letztwillige Verfügungen als aufgehoben gilt.

[3] BGH NJW 1981, 2746; BayObLG NJW-RR 2002, 1160.
[4] BayObLG FamRZ 1989, 441.
[5] BayObLGZ 1987, 59.

B. Errichtungszeitpunkt

 

Rz. 4

Der Feststellung, welche der letztwilligen Verfügungen die spätere bzw. welche die frühere ist, kommt keine besondere Bedeutung zu, wenn alle Verfügungen von Todes wegen Angaben über den Errichtungszeitpunkt machen. Liegen mehrere Verfügungen von Todes wegen gleichen Datums vor, gelten sie grundsätzlich als gleichzeitig errichtet[6] und Abs. 1 findet keine Anwendung. Die mit gleichem Datum errichteten letztwilligen Verfügungen sind dann hinsichtlich ihrer widersprechenden Verfügungen unwirksam.[7] Gleiches gilt, wenn die letztwilligen Verfügungen kein Datum haben und der Errichtungszeitpunkt sich nicht anderweitig nachweisen lässt. Liegt hingegen ein Testament mit und ein Testament ohne Datum vor, so ist nach h.M. das Testament, dessen zeitliche Errichtung nicht nachgewiesen werden kann, als das frühere Testament anzusehen und bei Widersprüchen als unwirksam zu betrachten.[8]

[7] BayObLG NJW-RR 1991, 392; a.A. Sonntag, ZEV 1996, 1.
[8] Bamberger/Roth/Litzenburger, § 2258 Rn 4; Palandt/Weidlich, § 2258 Rn 1; MüKo/Hagena, § 2258 Rn 8.

C. Rechtsfolgen

 

Rz. 5

Grundsätzlich hebt Abs. 1 nur den widersprechenden Teil einer früheren letztwilligen Verfügung auf. Insoweit gilt, dass der Umfang bzw. die Reichweite des Widerrufs dem Umfang der Unvereinbarkeit der sich widersprechenden Verfügungen folgt.[9] Der Umfang der Unvereinbarkeit ist grundsätzlich durch Auslegung zu ermitteln. Wie bei der Auslegung aller letztwilligen Verfügungen können dabei auch Umstände außerhalb der Urkunde herangezogen werden.

 

Rz. 6

Schwierig ist hinsichtlich der Reichweite des Widerspruchs die Abgrenzung zwischen widersprüchlichen und ergänzenden letztwilligen Verfügungen. Hat der Erblasser bspw. in einem früheren Testament die Erbfolge bestimmt, in einem späteren Testament eine zusätzliche Beschwerung, bspw. in Form einer Nacherbfolge oder der Anordnung eines Vermächtnisses, bestimmt, so handelt es sich hierbei grundsätzlich nicht um einen Widerspruch, sondern eine Ergänzung der früheren letztwilligen Verfügung. Ordnet de...

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