Gesetzestext

 

1Die Vollziehung einer Auflage können der Erbe, der Miterbe und derjenige verlangen, welchem der Wegfall des mit der Auflage zunächst Beschwerten unmittelbar zustatten kommen würde. 2Liegt die Vollziehung im öffentlichen Interesse, so kann auch die zuständige Behörde die Vollziehung verlangen.

A. Anspruch auf Vollziehung

I. Inhalt des Anspruchs

 

Rz. 1

Nach dem Wortlaut des § 2194 BGB kann die Vollziehung der Auflage verlangt werden. Anders als ein Testamentsvollstrecker kann der Inhaber des Vollziehungsanspruchs die Auflage also nicht selbst vollziehen. Vielmehr muss und kann er vom Beschwerten verlangen, dass jener seine Verpflichtung aus der Auflage erfüllt, also die Willenserklärungen abgibt und die Handlungen vornimmt, die zur Erfüllung der Verpflichtung erforderlich sind. Insofern lässt sich sagen, dass der Inhalt des Vollziehungsanspruchs dem Inhalt der Verpflichtung folgt.

II. Rechtsstellung des Vollziehungsberechtigten

 

Rz. 2

Der Anspruchsinhaber wird üblicherweise Vollziehungsberechtigter genannt. Er ist nicht Inhaber eines privaten Amts,[1] sondern Inhaber eines materiellrechtlichen Anspruchs gegen den Beschwerten des Inhalts, dass der Beschwerte seine Verpflichtung aus der Auflage erfüllt.[2] Soweit es um Leistungen an einen Begünstigten geht, gleicht seine Position der des Versprechensempfängers beim echten Vertrag zugunsten Dritter (vgl. § 335 BGB).[3] Der Vollziehungsberechtigte ist Gläubiger, aber nicht im eigenen, sondern im fremden Interesse. Er handelt nicht eigennützig, sondern fremdnützig, da er die Erfüllung der Auflage nicht an sich selbst, sondern nur an den Begünstigten verlangen kann, so es einen Begünstigten gibt. Andernfalls handelt er als eine Art Pfleger (vgl. § 1913 BGB) für den objektiven Zweck, dem die Auflage dient.

 

Rz. 3

Mehrere Vollziehungsberechtigte sind Gesamtgläubiger.[4] Dass jeder die Leistung nicht an sich verlangt, sondern an den Begünstigten, schließt Gesamtgläubigerschaft ebenso wenig aus wie der Umstand, dass der Verpflichtete, anders als im Regelfall des § 428 S. 1 BGB, nur mittelbar an den Gläubiger leistet, indem er die Auflage erfüllt.

[1] Nach Lange/Kuchinke, § 30 III Fn 73 ähnelt seine Rechtsstellung der einer Partei kraft Amtes.
[2] BGHZ 121, 357, 364 m.w.N.
[3] Palandt/Weidlich, § 2194 Rn 1.
[4] A.A. Palandt/Weidlich, § 2194 Rn 2.

III. Entstehung, Fälligkeit, Erlöschen

 

Rz. 4

Bei einer unbedingt und unbefristet angeordneten Auflage entsteht der Anspruch auf Vollziehung mit dem Erbfall,[5] sonst mit Eintritt der aufschiebenden Bedingung oder Befristung. Der Anspruch auf Vollziehung wird fällig, wenn der Beschwerte seine Verpflichtung erfüllen muss (vgl. dazu § 2192 Rdn 16).

Der Anspruch erlischt, soweit der Beschwerte die Auflage umgesetzt hat; dafür maßgebend sind die im Testament dazu gemachten Vorgaben. Er erlischt auch, wenn die Auflagenerfüllung unmöglich wird: Hat der Beschwerte die Unmöglichkeit zu vertreten, greift § 2196 BGB ein. Der Vollziehungsberechtigte kann vom Beschwerten die Auskünfte verlangen, die er braucht, um beurteilen zu können, ob ihm der Vollziehungsanspruch noch zusteht oder nicht.[6]

[5] Staudinger/Otte, § 2194 Rn 14.
[6] SchlHOLG SchlHA 2017, 466 Rn 46 f., 73 ff., 86.

IV. Zeitliche Grenzen

1. Keine Vollziehungsfrist

 

Rz. 5

Die Vorschriften über die zeitliche Beschränkung eines Vermächtnisses (§§ 2162, 2163 BGB) sind bewusst außer Betracht geblieben, damit durch eine Auflage stiftungsähnliche Wirkungen herbeigeführt werden können.[7] Eine zeitliche Grenze für die Auflage gibt es daher nicht.

[7] Lange/Kuchinke, § 30 III; Palandt/Weidlich, § 2192 Rn 2.

2. Verjährung

a) Verjährungsfrist

 

Rz. 6

Wohl aber unterliegt der Vollziehungsanspruch nach § 194 BGB der Verjährung,[8] so dass sich eine stiftungsähnliche Dauerlösung letztendlich nur erreichen lässt, wenn es gelingt, diese Verjährung zu verhindern. Es gilt die dreijährige Regelverjährung des § 195 BGB. Sie beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste (§ 199 Abs. 1 BGB). Zu beachten ist aber § 199 Abs. 3a BGB, wonach ein Anspruch, dessen Geltendmachung die Kenntnis einer Verfügung von Todes wegen voraussetzt, ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren seit der Entstehung des Anspruchs verjährt. Als auslösender Tatbestand für einen Neubeginn der Verjährung kommt ein Anerkenntnis nach § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB in Betracht. Ist der Beschwerte zu wiederkehrenden Leistungen verpflichtet, so bei einer Leibrente, führt jede Leistung zu einem Neubeginn der Verjährung des Stammrechts.[9] Das bedeutet, dass die Vollziehung künftiger Leistungen weiterhin verlangt werden kann. Handelt es sich um eine oder mehrere einmalige Leistungen, steht man vor dem Problem, dass die Verjährung durch Rechtsgeschäft nicht über 30 Jahre hinaus erschwert werden kann (§ 202 Abs. 2 BGB). Denkbar sind daher nur Ersatzlösungen, die im Ergebnis auf eine mittelbare Verlängerung der Verjährungsfrist hinauslaufen.

[8] OLG Frankfurt ZErb 2013, 40; SchlHOLG SchlHA 2017, 466 Rn 81 ff.
[9] Palandt/Ellenberger, § 212 Rn 5; zust. SchlHOLG SchlHA 201...

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