Gesetzestext

 

(1)Hat der Erblasser den vermachten Gegenstand von einem nach dem Anfall des Vermächtnisses eintretenden bestimmten Zeitpunkt oder Ereignis an einem Dritten zugewendet, so gilt der erste Vermächtnisnehmer als beschwert.

(2)Auf das Vermächtnis finden die für die Einsetzung eines Nacherben geltenden Vorschriften des § 2102, des § 2106 Abs. 1, des § 2107 und des § 2110 Abs. 1 entsprechende Anwendung.

A. Allgemeines

I. Sinn und Zweck der Vorschrift

 

Rz. 1

Bei dem Nachvermächtnis handelt es sich um ein aufschiebend bedingtes Untervermächtnis i.S.d. §§ 2177, 2186 ff. BGB.[1] Der Erblasser wendet einen vermachten Gegenstand zunächst einem Bedachten zu. Dieser hat sodann den Gegenstand nach Eintritt eines bestimmten Zeitpunkts oder Ereignisses einem Dritten zuzuwenden. Mit diesem Untervermächtnis wird der Vorvermächtnisnehmer und nicht ein Erbe beschwert.

[1] MüKo/Rudy, § 2191 Rn 1; Staudinger/Otte, § 2191 Rn 4.

II. Systematische Einordnung

 

Rz. 2

Grundsätzlich finden hier die für die Einsetzung eines Nacherben geltenden Vorschriften der §§ 2102, 2106 Abs. 1, 2107 und 2110 Abs. 1 BGB analog Anwendung.[2] Alle übrigen Vorschriften über die Nacherbfolge sind auf das Nachvermächtnis weder direkt noch entsprechend anwendbar.[3] Daher findet grundsätzlich keine Surrogation nach Maßgabe des § 2111 BGB statt.[4] Jedoch wird der Nachvermächtnisnehmer durch die schuldrechtliche Surrogation nach § 285 BGB und Schadensersatzpflicht aus § 280 BGB geschützt.[5] Dem Nachvermächtnisnehmer steht kein Auskunftsrecht gegen den Vorvermächtnisnehmer zur Seite, wie es § 2127 BGB dem Nacherben gegenüber dem Vorerben einräumt.

 

Rz. 3

Von einem Ersatzvermächtnis (§ 2190 BGB) unterscheidet sich das Nachvermächtnis dadurch, dass der erste Vermächtnisnehmer nicht wegfällt. Es obliegt ihm gerade, das Nachvermächtnis gegenüber dem Nachvermächtnisnehmer zu erfüllen.

[2] Mot. V, S. 208 ff.; MüKo/Rudy, § 2191 Rn 8; Bengel, NJW 1990, 1826, 1827; BGH v. 6.3.1991 – IV ZR 114/89, NJW 1991, 1736–1739.
[3] Nieder/Kössinger, § 10 Rn 153; Staudinger/Otte, § 2191 Rn 9.
[4] Staudinger/Otte, § 2191 Rn 10.
[5] Staudinger/Otte, § 2191 Rn 10.

B. Tatbestand

I. Grundsätzliches

 

Rz. 4

Das Nachvermächtnis entsteht aufgrund einer Anordnung des Erblassers in seiner letztwilligen Verfügung. Diese Anordnung kann ausdrücklich erfolgen. Sie kann sich aber auch durch die Auslegung des Erblasserwillens ergeben.[6] Wurde bspw. den Ehegatten ein Vermächtnis zugewendet mit der Bestimmung, die Werte sollen einzeln den gemeinsamen Kindern "vererbt" werden und ein anderes Kind solle einen angemessenen Ausgleich erhalten, kann darin die Anordnung eines Nachvermächtnisses liegen.[7] Die nach Abs. 2 anwendbaren §§ 2102 und 2107 BGB können jedoch auch gegen die Anordnung eines Nachvermächtnisses sprechen: Ist zweifelhaft, ob jemand als Ersatzvermächtnisnehmer oder als Nachvermächtnisnehmer eingesetzt ist, so gilt er als Ersatzvermächtnisnehmer (§ 2102 Abs. 2 BGB). Hat der Erblasser für einen Abkömmling, der zur Zeit der Errichtung der letztwilligen Verfügung keinen Abkömmling hat oder von dem der Erblasser zu dieser Zeit keine Kenntnis hat, für die Zeit nach dessen Tod einen Nachvermächtnisnehmer bestimmt, ist anzunehmen, dass der Nachvermächtnisnehmer nur für den Fall eingesetzt ist, dass der Abkömmling ohne Nachkommen stirbt (§ 2107 BGB). Hat der Erblasser allerdings einen zum Erben berufenen Abkömmling mit einem Vermächtnis beschwert, das erst bei dessen Tod fällig werden soll, ist § 2107 BGB nicht entsprechend anzuwenden.[8]

 

Rz. 5

Ein Rückvermächtnis liegt vor, wenn im Rahmen eines Nachvermächtnisses nach Eintritt einer Bedingung oder Befristung der Vermächtnisnehmer den Vermächtnisgegenstand an den Beschwerten zurückzuübertragen hat.[9]

Tritt die aufschiebende Bedingung ein, trifft den Vermächtnisnehmer die Verpflichtung, das Vermächtnis wieder an den Beschwerten zurückzuübertragen (schuldrechtliche Wirkung). Liegt dagegen eine auflösende Bedingung vor, kommt dieser eine schuldrechtliche Wirkung zu. Der Vermächtnisgegenstand fällt dann automatisch an den Beschwerten zurück.[10] Der Bedachte ist in der Schwebezeit durch § 161 Abs. 2 BGB geschützt. Am Anspruch des Nachvermächtnisnehmers ändert sich auch nichts dadurch, dass der Erblasser bereits zu Lebzeiten das Vorvermächtnis erfüllt hat.[11]

 

Rz. 6

Der schuldrechtliche Anspruch des Nachvermächtnisnehmers richtet sich gegen den Vorvermächtnisnehmer bzw. dessen Nachlass. Dies gilt unabhängig davon, ob dessen Vermächtnisanspruch erfüllt wurde oder der Erbe noch als Eigentümer des vermachten Grundstücks im Grundbuch eingetragen ist.

 

Rz. 7

Sofern der Nachvermächtnisnehmer das ihm zugewendete Vermächtnis ausschlägt, verbleibt es bei dem Vorvermächtnisnehmer, wenn nicht ein Ersatzvermächtnisnehmer oder Anwachsungsberechtigter vorhanden ist.

Ein Rückvermächtnis ist nicht gegeben, wenn der Erblasser das Vermächtnis auflösend bedingt oder auflösend befristet hat, ohne eine Bestimmung zu treffen, wer nach dem Eintritt der Bedingung oder des Endtermins den Gegenstand erhalten soll.[12] In diesem Fall erwirbt der ursprünglich Beschwerte einen bereicherungsrechtliche...

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