Gesetzestext

 

(1)Der Vermächtnisnehmer kann das Vermächtnis nicht mehr ausschlagen, wenn er es angenommen hat.

(2)1Die Annahme sowie die Ausschlagung des Vermächtnisses erfolgt durch Erklärung gegenüber dem Beschwerten. 2Die Erklärung kann erst nach dem Eintritt des Erbfalls abgegeben werden; sie ist unwirksam, wenn sie unter einer Bedingung oder einer Zeitbestimmung abgegeben wird.

(3)Die für die Annahme und die Ausschlagung einer Erbschaft geltenden Vorschriften des § 1950, des § 1952 Abs. 1, 3 und des § 1953 Abs. 1, 2 finden entsprechende Anwendung.

A. Allgemeines/Normzweck

 

Rz. 1

Die Vorschrift des § 2180 BGB trägt dem Gedanken Rechnung, dass niemand sich eine Zuwendung aufdrängen lassen muss. Des Weiteren ergeben sich durch die Vorschrift Gestaltungsmöglichkeiten (§ 2307 BGB).[1] Im Gegensatz zum Erben (§ 1945 BGB) kann der Vermächtnisnehmer das ihm angefallene Vermächtnis durch formlose, unbefristete, ausdrückliche oder schlüssige Erklärung gegenüber dem Beschwerten ausschlagen (Abs. 2 S. 1).

[1] Everts, ZErb 2005, 353, 355.

B. Tatbestand

I. Annahme

 

Rz. 2

Bei der Erklärung des Bedachten handelt es sich um eine formfreie empfangsbedürftige Willenserklärung. Der Zugang bestimmt sich nach den §§ 130132 BGB. Die Erklärung kann ausdrücklich oder durch schlüssiges Verhalten – bspw. durch die Annahme des zugewendeten Gegenstandes – abgegeben werden.[2] Für die Annahme des Vermächtnisses ist es nicht erforderlich, dass der Bedachte Kenntnis von seiner Ausschlagungsmöglichkeit hatte.[3] Die Annahme des Vermächtnisses durch die Eltern, Betreuer oder einen Vormund für das Kind bzw. Mündel bedarf nicht der Genehmigung des Familiengerichts (§§ 1643 Abs. 2, 1822 Nr. 2, 1908 Abs. 1 S. 1 BGB). Im Fall der Annahme des Vermächtnisses durch einen in Gütergemeinschaft (§§ 1432 Abs. 1 S. 1, 1455 Nr. 1 BGB) lebenden Bedachten ist nicht die Zustimmung des anderen Ehegatten erforderlich.[4] Der Verzicht eines in Gütergemeinschaft lebenden Bedachten auf ein endgültig angefallenes Vermächtnis – das dann bereits in das Gesamtgut der Gütergemeinschaft gefallen ist – bedarf jedoch der Zustimmung des Ehegatten.[5] Ebenso steht nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Vermächtnisnehmers diesem das Recht zu, das Vermächtnis anzunehmen (§ 83 InsO).

 

Rz. 3

Die Annahmeerklärung kann erst nach dem Erbfall abgegeben werden (Abs. 2. S. 2). Da die Erklärung bedingungsfeindlich ist,[6] ist sie unwirksam, wenn sie unter einer Zeitbestimmung oder Bedingung abgegeben wird. Abs. 3 verweist auf § 1950 BGB. Danach kann die Annahme nicht auf einen Teil des Vermächtnisses beschränkt werden. Sie wäre unwirksam. Erhält der Bedachte allerdings mehrere selbstständige Vermächtnisse, kann er wählen, welche er annehmen will. Liegt ein gemeinschaftliches Vermächtnis vor, steht es dem einzelnen Bedachten frei, die Annahme zu erklären. Nach Abs. 3 i.V.m. § 1952 Abs. 1 und 3 BGB ist das Ausschlagungsrecht vererblich. Liegt ein gemeinschaftliches Vermächtnis vor, kann jeder Bedachte autonom von den Mitvermächtnisnehmern seine Annahme erklären.

 

Rz. 4

Bei der Annahmeerklärung handelt es sich nicht um eine höchstpersönliche Erklärung. Sie kann daher auch von einem Bevollmächtigten des Vermächtnisnehmers abgegeben werden.[7] Liegt eine Anwachsung (§ 2158 BGB) vor, umfasst die Annahmeerklärung auch den anwachsenden Vermächtnisteil.

 

Rz. 5

Die Annahmeerklärung ist gegenüber dem Beschwerten abzugeben (Abs. 2 S. 1). Beschwerte können sein: Erben oder Vermächtnisnehmer (§§ 2147, 2148 BGB), der Begünstigte, dem der Wegfall des zunächst Beschwerten zugutekommt (§ 2161 BGB), oder der erste Vermächtnisnehmer im Fall eines Nachvermächtnisses (§ 2191 BGB). Die Annahmeerklärung ist gegenüber dem Testamentsvollstrecker (§ 2213 Abs. 1 BGB) abzugeben, wenn der Vermächtnisanspruch gegen diesen geltend gemacht werden kann.[8] Wurde die Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht abgegeben, ist die Erklärung nur wirksam, wenn dieses dem Beschwerten den mutmaßlichen Willen des Vermächtnisnehmers mitteilt.[9]

 

Rz. 6

Für die Annahme des Vermächtnisses gibt es im Gegensatz zur Ausschlagung der Erbschaft (§ 1944 BGB) keine Frist. Sie kann auch nicht durch den Beschwerten gesetzt werden. Eine Ausnahmeregelung hierzu findet sich in § 2307 Abs. 2 BGB, wenn ein Pflichtteilsberechtigter mit einem Vermächtnis bedacht ist. Lediglich der Erblasser hat es in der Hand, das Vermächtnis unter der aufschiebenden Bedingung anzuordnen, dass die Annahme innerhalb einer bestimmten Frist erklärt wird.[10]

 

Rz. 7

Im Fall der Überleitung des Vermächtnisanspruchs auf den Sozialhilfeträger (§ 93 SGB XII) kommt es nicht dazu, dass das Ausschlagungsrecht auf den neuen Anspruchsinhaber übergeht.[11] Soweit vertreten wird, § 401 BGB sei analog anzuwenden,[12] widerspricht das dem erbrechtlichen Grundgedanken, dass der Bedachte frei über die Annahme des Zugewendeten entscheiden können soll.[13]

Dass es keine Frist für die Erklärung der Annahme oder Ausschlagung gibt, hat praktische Auswirkungen insbesondere bei "Behindertentestamenten mit Vermächtnislösung" unter Vermächtni...

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