Gesetzestext

 

1Hat der Erblasser eine ihm zustehende Forderung vermacht, so ist, wenn vor dem Erbfall die Leistung erfolgt und der geleistete Gegenstand noch in der Erbschaft vorhanden ist, im Zweifel anzunehmen, dass dem Bedachten dieser Gegenstand zugewendet sein soll. 2War die Forderung auf die Zahlung einer Geldsumme gerichtet, so gilt im Zweifel die entsprechende Geldsumme als vermacht, auch wenn sich eine solche in der Erbschaft nicht vorfindet.

A. Allgemeines

I. Sinn und Zweck der Vorschrift

 

Rz. 1

§ 2173 BGB stellt eine Auslegungsregelung für den Fall dar, dass der Erblasser eine Forderung vermacht hat, die vor dem Erbfall durch Leistung erloschen ist, sich aber der geleistete Gegenstand noch in der Erbschaft befindet. Gäbe es diese Vorschrift nicht, wäre das Vermächtnis auf eine unmögliche Leistung gerichtet (§ 2171 BGB). Da dies nach der Lebenserfahrung nicht dem Willen des Erblassers entspricht, wird im Zweifel angenommen, dass anstelle der vermachten Forderung das Surrogat für diese zugewendet sei (S. 1). Sofern und soweit es sich um Zahlungsansprüche handelt, gilt eine entsprechende Geldsumme als vermacht (S. 2).

II. Systematische Einordnung

 

Rz. 2

Aus systematischen Gründen werden unter dieser Vorschrift auch das Befreiungsvermächtnis und das Schuldvermächtnis dargestellt.

B. Tatbestand

I. Forderung

 

Rz. 3

Vermächtnisgegenstand ist der Anspruch auf Übertragung der vermachten Forderung (§ 398 BGB) des Erblassers nebst Zinsen seit Anfall des Vermächtnisses (§ 2184 BGB) und etwaigen Nebenrechten (§§ 401, 402 BGB). Bei der Forderung kann es sich auch um eine künftige, bedingte oder betagte Forderung handeln. Der Übertragung kann jedoch ein Abtretungsverbot entgegenstehen.

 

Rz. 4

Unter die Forderungen i.S.d. Vorschrift fallen auch verbriefte Forderungen, Sparbuch, Hypotheken- und Grundschuldbriefe, Anteile an Investmentgesellschaften und Immobilienfonds.[1] Wurde ein Sparbuch vermacht, soll nach h.M. regelmäßig nur das beim Erbfall noch vorhandene Guthaben vermacht sein und nicht zusätzlich die Summen, über die der Erblasser nach Anordnung des Vermächtnisses verfügt hat.[2] Soweit der Erblasser allerdings die abgehobenen Gelder noch nicht verbraucht hat, sind diese im Zweifel mitvermacht.[3] Dies wird damit begründet, dass der Erblasser beim Vermächtnis eines Guthabens die Ausübung seiner Verfügungsbefugnis unter Lebenden nicht zulasten des Beschwerten gehen lassen möchte.[4] Hat der Erblasser über das Guthaben in der Weise verfügt, dass er es bei anderen Banken – ggf. auch in anderen Anlageformen – angelegt hat, gilt dieses Bankguthaben als vermacht.[5] Dies gilt entsprechend, wenn der Erblasser ein Sparbuch zwar auflöst, das Guthaben jedoch noch nicht verbraucht hat.[6] Nach dem OLG Karlsruhe[7] ist ggf. durch Testamentsauslegung zu ermitteln, ob der Erfahrungssatz, dass bei vermächtnisweiser Zuwendung eines Sparbuchs, von Bundesschatzbriefen oder des Festgeldguthabens nur der wirtschaftlich zum Zeitpunkt des Erbfalls noch vorhandene Rest zugewandt werden soll, anzuwenden ist. Hinsichtlich eines Guthabens, das i.d.R. keinem ständigen Wechsel unterliegt – wie bspw. Guthaben aus der Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft oder Gesellschaft –, ist § 2173 BGB uneingeschränkt anwendbar.[8] Dies gilt insbesondere auch im Fall des Vermächtnisses einer Hypothekenforderung.[9] Des Weiteren fallen mittelbar vermachte Forderungen, wie der Ersatzanspruch für den untergegangenen ursprünglichen Vermächtnisgegenstand (§ 2169 Abs. 3 BGB), unter den Begriff der Forderung. Auch unverbriefte Rechte, kraft derer eine Leistung verlangt werden kann, wie bspw. bei einer Buchgrundschuld, fallen unter § 2173 BGB.[10]

 

Rz. 5

Ein GmbH-Geschäftsanteil als Vermächtnisgegenstand stellt keine Forderung i.S.d. § 2173 BGB dar. Durch Auslegung des Erblasserwillens kann sich jedoch ergeben, dass die auf den GmbH-Geschäftsanteil entfallende Liquidationsquote ersatzweise vermacht sein soll.[11]

[1] Staudinger/Otte, § 2173 Rn 2.
[2] OLG Karlsruhe v. 24.3.2005 – 9 U 152/04, ZEV 2006, 396–397; OLG Koblenz v. 28.11.1997 – 10 U 491/96, FamRZ 1998, 579 ff.; OLG Düsseldorf v. 2.6.1995 – 7 U 2/94, juris; Staudinger/Otte, § 2173 Rn 9 m.w.N.
[3] OLG Düsseldorf v. 2.6.1995 – 7 U 2/94, juris; Staudinger/Otte, § 2172 Rn 9.
[4] Staudinger/Otte, § 2173 Rn 9.
[6] OLG Düsseldorf v. 2.6.1995 – 7 U 2/94, juris.
[8] Staudinger/Otte, § 2173 Rn 9.
[9] OLG Rostock OLGE 42, 138.
[10] Staudinger/Otte, § 2173 Rn 2.
[11] MüKo/Rudy, § 2173 Rn 2.

II. Erfüllung

1. Erfüllung vor dem Erbfall

 

Rz. 6

Die Vorschrift regelt nur den Fall, dass "vor dem Erbfall die Leistung erfolgt" ist. Die Art und Weise der Leistung ist dabei unerheblich. Ebenso ist es unerheblich, ob die Leistung vor oder nach Anordnung des Vermächtnisses erfolgt ist. Ob die Leistung zum Untergang der Forderung (§ 362 BGB) oder zum Übergang der Forderung vom Erblasser auf den Leistenden führte (bspw. §§ 268 Abs. 3, 426 Abs. 2, 774 Abs. 1, 1143 Abs. 1 BGB), ist ebenfalls un...

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