Gesetzestext

 

(1)1Der Vorerbe haftet nach dem Eintritt der Nacherbfolge für die Nachlassverbindlichkeiten noch insoweit, als der Nacherbe nicht haftet. 2Die Haftung bleibt auch für diejenigen Nachlassverbindlichkeiten bestehen, welche im Verhältnis zwischen dem Vorerben und dem Nacherben dem Vorerben zur Last fallen.

(2)1Der Vorerbe kann nach dem Eintritt der Nacherbfolge die Berichtigung der Nachlassverbindlichkeiten, sofern nicht seine Haftung unbeschränkt ist, insoweit verweigern, als dasjenige nicht ausreicht, was ihm von der Erbschaft gebührt. 2Die Vorschriften der §§ 1990, 1991 finden entsprechende Anwendung.

A. Haftungsbefreiung

 

Rz. 1

Da der Vorerbe mit Eintritt des Nacherbfalls seine Erbenstellung verliert, erlischt grundsätzlich auch seine Erbenhaftung. Der Vorerbe ist im Prozess nicht mehr passivlegitimiert (soweit der Prozess nicht eine Verbindlichkeit aus ordnungsgemäßer Verwaltung des Nachlasses betrifft, die zugleich Eigenverbindlichkeit des Vorerben ist, vgl. Rdn 2) und kann gegen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen Vollstreckungsgegenklage gem. §§ 767 ZPO erheben[1] – dies allerdings nur, soweit in sein Eigenvermögen vollstreckt werden soll, denn eine Vollstreckung in Nachlassgegenstände geschähe ja zu Recht. Im Hinblick darauf, dass mit dem Nacherbfall nicht der gesamte Nachlasswert auf den Nacherben übergeht, sondern insbesondere die Nutzungen beim Vorerben verbleiben,[2] macht die – unklar formulierte – Vorschrift jedoch einige Ausnahmen von der Haftungsbefreiung.

[1] Staudinger/Avenarius, § 2145 Rn 1.
[2] Staudinger/Avenarius, § 2145 Rn 2; Soergel/Harder-Wegmann, § 2145 Rn 1.

B. Unbeschränkte Haftung

 

Rz. 2

Die Haftung des Vorerben für Nachlassverbindlichkeiten dauert über den Nacherbfall hinaus fort, wenn er bereits unbeschränkt haftet.[3] Dies ist zwar in § 2145 BGB nicht ausdrücklich angeordnet, folgt aber aus Abs. 2 S. 1. Im Übrigen würde ohne die Fortdauer der Haftung für den Vorerben der Druck auf diesen fehlen, das Inventar ordnungsgemäß zu errichten.[4] Die Haftung des Vorerben ist nicht subsidiär, sondern gesamtschuldnerisch; die Nachlassgläubiger können sich daher wahlweise an ihn oder den Nacherben halten. Rückgriffsansprüche des Vorerben gegen den Nacherben richten sich nach §§ 2124 ff. BGB.[5]

[3] H.M., vgl. RGRK/Johannsen, § 2145 Rn 1; Staudinger/Avenarius, § 2145 Rn 2; Soergel/Harder-Wegmann, § 2145 Rn 3; MüKo/Grunsky, § 2145 Rn 2; Lange/Kuchinke, § 53 Fn 24; a.A. Kipp/Coing, § 52 vor I.
[4] Lange/Kuchinke, § 53 Fn 24; Soergel/Harder-Wegmann, § 2145 Rn 3; MüKo/Grunsky, § 2145 Rn 2.
[5] BGH FamRZ 1973, 188; Staudinger/Avenarius, Vor §§ 2144–2146 Rn 13.

C. Beschränkte Haftung

 

Rz. 3

Haftet der Vorerbe nur beschränkt oder beschränkbar, so gilt für seine Haftung nach dem Nacherbfall Folgendes:

 

Rz. 4

Der Vorerbe haftet allein für die ihn persönlich belastenden Vermächtnisse und Auflagen, außerdem für die Eigenverbindlichkeiten. Hierzu gehören die gegenüber den Nachlassgläubigern wegen Verletzung der Verwaltungspflicht nach den §§ 1978, 1991 BGB bestehenden Verbindlichkeiten sowie rechtsgeschäftliche Verpflichtungen, die zwar in Bezug auf den Nachlass, aber doch als persönlicher Schuldner eingegangen wurden, schließlich die Ersatzansprüche des Nacherben (§§ 21302134, 2138 Abs. 2 BGB).[6]

 

Rz. 5

Für die vom Vorerben in Verwaltung des Nachlasses begründeten Verbindlichkeiten, die sowohl Eigen- als auch Nachlassverbindlichkeiten sind,[7] haftet der Vorerbe neben dem Nacherben als Gesamtschuldner. Für Eigenverbindlichkeiten, die nicht zugleich Nachlassverbindlichkeiten sind, haftet der Vorerbe naturgemäß allein.[8]

 

Rz. 6

Die Haftung des Vorerben besteht ferner fort für diejenigen Nachlassverbindlichkeiten, die dem Vorerben im Verhältnis zum Nacherben zur Last fallen, Abs. 1 S. 2. Die Lastenverteilung bestimmt sich nach den §§ 2124 ff. BGB. Vom Vorerben sind danach z.B. rückständige Zinsen auf Nachlassschulden sowie rückständige gewöhnliche Lasten und Erhaltungskosten zu tragen. Vorerbe und Nacherbe haften hier wiederum als Gesamtschuldner;[9] der Nacherbe kann daher vom Vorerben Befreiung verlangen bzw. Ausgleich, soweit er im Außenverhältnis bereits geleistet hat.[10]

 

Rz. 7

Subsidiär haftet der Vorerbe für sämtliche Nachlassverbindlichkeiten, soweit der Nacherbe nicht haftet, Abs. 1 S. 1. Dies ist – abgesehen von der persönlichen Beschwerung des Vorerben mit Vermächtnissen und Auflagen – der Fall, wenn der Nacherbe nur beschränkt haftet und der Nachlass zur Deckung der Verbindlichkeiten nicht ausreicht. Die h.M. hält eine subsidiäre Haftung des Vorerben aber auch dann für gegeben, wenn der Nacherbe zwar unbeschränkt haftet, aber nicht in der Lage ist, die bestehenden Verbindlichkeiten zu erfüllen.[11] Dem steht allerdings der klare Wortlaut des Abs. 1 S. 1 entgegen.[12] Hiernach kommt es auf die rechtliche Haftung des Vorerben an, nicht auf die Befriedigung durch den Nacherben.[13] Bei unbeschränkter Haftung des Nacherben kommt die subsidiäre Haftung des Vorerben daher de lege lata nicht zum Zuge.[14]

[6] RGRK/Johannsen, § 2145 Rn 4; Soergel/Harder-Wegmann, § 2145 Rn 2.
[7] Näher Stau...

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