Gesetzestext

 

(1)1Der Vorerbe ist nach dem Eintritt der Nacherbfolge verpflichtet, dem Nacherben die Erbschaft in dem Zustand herauszugeben, der sich bei einer bis zur Herausgabe fortgesetzten ordnungsmäßigen Verwaltung ergibt. 2Auf die Herausgabe eines landwirtschaftlichen Grundstücks findet die Vorschrift des § 596a, auf die Herausgabe eines Landguts finden die Vorschriften der §§ 596a, 596b entsprechende Anwendung.

(2)Der Vorerbe hat auf Verlangen Rechenschaft abzulegen.

A. Normzweck

 

Rz. 1

Die Vorschrift statuiert zum einen den Herausgabeanspruch des Nacherben mit Eintritt des Nacherbfalls und zum anderen den Haftungsmaßstab für die Haftung des Vorerben. Aus der Pflicht zur Herausgabe in dem Zustand, der sich bei einer fortgesetzten ordnungsgemäßen Verwaltung ergibt, kann mittelbar auf eine Verwaltungspflicht des Vorerben geschlossen werden, von der er allerdings befreit werden kann (§ 2136 BGB). Kann der Vorerbe die Erbschaft nicht in dem vom Gesetz beschriebenen (End-)Zustand herausgeben, ist er dem Nacherben zum Schadensersatz verpflichtet. Auf diese Weise wirkt die Herausgabepflicht durch die normative Beschreibung des Endergebnisses der Vermögensherrschaft des Vorerben in die Zeit der Vorerbschaft zurück.[1] Die Regelung der Pflicht zur ordnungsgemäßen Verwaltung erst im Zusammenhang mit der Herausgabepflicht macht deutlich, dass der Nacherbe zum einen aus der Verletzung der Verwaltungspflicht erst ab dem Nacherbfall Rechte herleiten kann und er zum anderen lediglich Anspruch auf ein ordnungsgemäßes Gesamtergebnis der Verwaltung hat; einzelne Verwaltungshandlungen des Vorerben kann er nicht herausgreifen.[2]

[1] Staudinger/Avenarius, § 2130 Rn 2.
[2] Vgl. Prot. V., S. 96; RG WarnR 1937 Nr. 133; BGH FamRZ 1973, 187 = WM 1973, 361; Soergel/Harder-Wegmann, § 2130 Rn 1; näher Staudinger/Avenarius, § 2130 Rn 3: die Grundregel gebiete letztlich nur eine Art Vorteilsausgleichung gegenüber einzelnen Verwaltungsmissgriffen.

B. Herausgabeanspruch

 

Rz. 2

Mit dem Nacherbfall wird der Nacherbe unmittelbar Eigentümer der Nachlassgegenstände (§ 2139 BGB). Der gesetzliche Herausgabeanspruch des Nacherben ist daher nicht auf Verschaffung des Eigentums gerichtet, daher nicht schuldrechtlicher,[3] sondern erbrechtlicher Natur, und ähnelt dem Erbschaftsanspruch nach § 2018 BGB.[4] Anders als der Erbschaftsanspruch richtet sich der Anspruch aus § 2130 BGB jedoch ausschließlich gegen den Vorerben – bzw. dessen Erben,[5] wenn der Nacherbfall mit dem Tod des Vorerben eintritt, nicht jedoch gegen Dritte, die Nachlassgegenstände in Besitz haben. Der Nacherbe muss in diesem Fall aus § 2018 BGB oder aus §§ 985, 894 BGB vorgehen, wie sie für die Einzelgegenstände gelten.[6] Im Verhältnis zum Vorerben, der den Eintritt des Nacherbfalls bestreitet, findet § 2018 BGB entgegen der früher h.M. keine Anwendung; der Herausgabeanspruch des Nacherben bestimmt sich vielmehr nach § 2130 BGB, weil der die Herausgabe verweigernde Vorerbe die Erbschaftsgegenstände nicht aufgrund eines ihm nicht zustehenden Erbrechts erlangt hat, sondern berechtigterweise aufgrund des ihm zustehenden Vorerbrechts.[7] Der Herausgabeanspruch entfällt, wenn für den Vorerben und den Nacherben derselbe Testamentsvollstrecker ernannt ist; der Testamentsvollstrecker muss denn lediglich das Besitzmittlungsverhältnis zum Vorerben lösen und für den Nacherben besitzen.[8]

[3] So aber Staudinger/Avenarius, § 2130 Rn 12.
[4] Palandt/Weidlich, § 2130 Rn 2.
[5] RGZ 163, 51, 53.
[6] MüKo/Grunsky, § 2130 Rn 3.
[7] Staudinger/Avenarius, § 2130 Rn 23; Palandt/Weidlich, § 2130 Rn 2; a.A. RGZ 163, 51, 52 f.; RGRK/Johannsen, § 2130 Rn 4; Soergel/Harder-Wegmann, § 2130 Rn 6; MüKo/Grunsky, § 2130 Rn 2, der wie Staudinger/Avenarius zutreffend darauf hinweist, dass die Streitfrage praktisch bedeutungslos ist.
[8] Palandt/Weidlich, § 2130 Rn 4; MüKo/Grunsky, § 2130 Rn 3.

C. Anspruchsinhalt

 

Rz. 3

Der Anspruch geht auf Herausgabe der gesamten Erbschaft in dem Zustand, der bei Annahme fortgesetzter ordnungsgemäßer Verwaltung vorläge, und umfasst daher auch Surrogate (§ 2111 BGB).[9] Soweit der Vorerbe die Erbschaft überobligationsmäßig gut verwaltet hat, ist sie dem Nacherben gleichwohl insgesamt ohne etwaige Abzüge herauszugeben.[10] Nicht herauszugeben sind die dem Vorerben gebührenden Nutzungen.[11] Die Verteilung von Früchten bestimmt sich nach den §§ 101, 102 BGB, die Verteilung von Lasten nach den §§ 103, 21242126 BGB. Für die Herausgabe landwirtschaftlicher Grundstücke gilt § 596a BGB und für Landgüter gelten die §§ 596a u. 596b BGB entsprechend, Abs. 1 S. 2. Herauszugeben sind auch solche Gegenstände, die zwar nicht sachenrechtlich, wohl aber ihrer Zweckbestimmung nach zum Nachlass gehören,[12] wie eine vollstreckbare Schuldurkunde über eine Nachlassforderung[13] oder Versicherungspolicen und andere Urkunden, auf die § 952 BGB nicht anwendbar ist.[14] Aus dem Nachlass ausgeschiedene Gegenstände können naturgemäß nicht herausgegeben werden; hier tritt bei ordnungswidriger Verwaltung an die Stelle des Herausgabeanspruchs ein Schadensersatzanspruch (vgl. Rdn 6).

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