Gesetzestext

 

1Ist zur ordnungsmäßigen Verwaltung, insbesondere zur Berichtigung von Nachlassverbindlichkeiten, eine Verfügung erforderlich, die der Vorerbe nicht mit Wirkung gegen den Nacherben vornehmen kann, so ist der Nacherbe dem Vorerben gegenüber verpflichtet, seine Einwilligung zu der Verfügung zu erteilen. 2Die Einwilligung ist auf Verlangen in öffentlich beglaubigter Form zu erklären. 3Die Kosten der Beglaubigung fallen dem Vorerben zur Last.

A. Regelungszweck

 

Rz. 1

Die Vorschrift soll es dem Vorerben ermöglichen, erforderlichenfalls die ihn konkret treffenden Verfügungsbeschränkungen zu überwinden. Hauptanwendungsfall: Der nicht befreite Vorerbe muss mangels Bargelds ein Nachlassgrundstück versilbern, um Nachlassverbindlichkeiten erfüllen zu können.

 

Rz. 2

Zugleich soll sie den Vorerben im Innenverhältnis zum Nacherben gegen etwaige spätere Schadensersatzansprüche gem. §§ 2130, 2131 BGB absichern.[1]Grunsky[2] weist zutreffend darauf hin, dass die Zustimmung Schadensersatzansprüche des Nacherben nicht generell ausschließt; ein Schadenersatzanspruch besteht fort, wenn der Vorerbe dem Nacherben nicht alle für die Notwendigkeit der Verfügung erforderlichen Umstände korrekt mitgeteilt hat.

 

Rz. 3

Schließlich soll durch die Zustimmungspflicht des Nacherben die Voraussetzung dafür geschaffen werden, dass sich der Nacherbe gegenüber Dritten (Behörden, Nachlassschuldner, Vertragsgegner) legitimieren kann, um Zweifel an der Wirksamkeit seiner Verfügung von vornherein auszuräumen.[3]

 

Rz. 4

Die Einwilligung des Nacherben ist zu allen Verfügungen erforderlich, die nach §§ 2113, 2114 BGB zur Unwirksamkeit führen können oder die gem. §§ 21162118 BGB der Zustimmung des Nacherben bedürfen. Auf die Eingehung der Verpflichtung zu einer der genannten Verfügungen ist die Vorschrift entsprechend anwendbar, damit etwaigen Bedenken des Vertragspartners hinsichtlich der Verfügungsbefugnis des Vorerben begegnet werden kann.[4] Die Einwilligung des Nacherben kann auch dann verlangt werden, wenn zweifelhaft ist, ob eine Verfügung zustimmungspflichtig ist,[5] oder wenn die grundbuchmäßige Erledigung einer Verfügung nur mit Genehmigung des Nacherben möglich ist,[6] nicht jedoch, wenn lediglich fraglich ist, ob eine Verfügung ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht.[7] Das bloße Verlangen des Vertragspartners reicht nicht aus, um eine Einwilligungspflicht des Nacherben zu begründen;[8] nur wenn die Zustimmung des Nacherben von dem Vertragspartner zur Bedingung für einen Vertragsschluss erhoben wird, kommt nach Treu und Glauben eine Zustimmungspflicht des Nacherben in Betracht.[9]

[1] Prot. V, S. 116 f.; RGZ 148, 385, 391; Harder, DNotZ 1994, 822, 830.
[2] MüKo/Grunsky, § 2120 Rn 2.
[3] Harder, DNotZ 1994, 822, 830.
[4] RGZ 90, 91, 96; a.A. Staudinger/Avenarius, § 2120 Rn 11.
[5] MüKo/Grunsky, § 2120 Rn 3; einschränkend Staudinger/Avenarius, § 2120 Rn 7.
[6] RGZ 148, 385, 391.
[7] Staudinger/Avenarius, § 2120 Rn 7; a.A. offenbar Soergel/Harder-Wegmann, § 2120 Rn 3.
[8] MüKo/Grunsky, § 2120 Rn 3; Staudinger/Avenarius, § 2120 Rn 12; a.A. RGZ 148, 385, 391.
[9] Staudinger/Avenarius, § 2120 Rn 12.

B. Ordnungsgemäße Verwaltung

 

Rz. 5

Der Nacherbe muss nur solchen Verfügungen zustimmen, die einer ordnungsgemäßen Verwaltung entsprechen. Die Beurteilung der Ordnungsmäßigkeit (vgl. dazu §§ 2038 Abs. 1 S. 2, 2130 BGB) ist unabhängig von der persönlichen und wirtschaftlichen Situation des Vorerben allein anhand der Verhältnisse des Nachlasses unter Berücksichtigung der Zeitumstände vorzunehmen.[10] Abzustellen ist grundsätzlich auf die Ordnungsmäßigkeit der konkreten Maßnahme; ob die Verwaltung im Ganzen ordnungsgemäß ist, spielt keine Rolle.[11] Ausnahme: Eine insgesamt betriebene Misswirtschaft kann einer an sich nicht zu beanstandenden Maßnahme die Ordnungsmäßigkeit nehmen.[12] Unentgeltliche (§ 2113 Abs. 2 BGB) oder mit Benachteiligungsabsicht (§ 2138 Abs. 2 BGB) vorgenommene Verfügungen sind generell nicht ordnungsgemäß. Die Ordnungsmäßigkeit kann auch davon abhängen, wofür der Vorerbe den Erlös aus der Verfügung verwenden will.[13]

 

Rz. 6

Die Zustimmungspflicht des Nacherben setzt voraus, dass er in die Lage versetzt wird, die Ordnungsmäßigkeit der Verwaltung zu prüfen. Der Vorerbe hat dem Nacherben daher die Einzelheiten der geplanten Verfügung sowie die Umstände, aus denen sich die Ordnungsmäßigkeit ergibt, nachvollziehbar darzulegen. Der Vorerbe hat dazu auch die einschlägigen Vertragsunterlagen und – jedenfalls bei komplizierteren Gestaltungen – Vertragsentwürfe vorzulegen.[14]

[10] Soergel/Harder-Wegmann, § 2120 Rn 4; MüKo/Grunsky, § 2120 Rn 4.
[11] Soergel/Harder-Wegmann, § 2120 Rn 4; MüKo/Grunsky, § 2120 Rn 4.
[12] BGH FamRZ 1973, 187.
[13] RGZ 148, 385, 391.
[14] OLG Düsseldorf NJW-RR 1996, 905, 906.

C. Anwendungsfälle

 

Rz. 7

Eine Zustimmungspflicht des Nacherben besteht nach S. 1 insbesondere dann, wenn der Vorerbe zur Begleichung von Nachlassschulden Erbschaftsgegenstände versilbern muss, weil im Nachlass nicht genügend liquide Mittel sind. Verfügungen, mit denen Nachlassverbindlichkeiten unmittelbar erfüllt werden, z.B. Hera...

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