Gesetzestext

 

1Eine Verfügung über einen Erbschaftsgegenstand, die im Wege der Zwangsvollstreckung oder der Arrestvollziehung oder durch den Insolvenzverwalter erfolgt, ist im Falle des Eintritts der Nacherbfolge insoweit unwirksam, als sie das Recht des Nacherben vereiteln oder beeinträchtigen würde. 2Die Verfügung ist unbeschränkt wirksam, wenn der Anspruch eines Nachlassgläubigers oder ein an einem Erbschaftsgegenstand bestehendes Recht geltend gemacht wird, das im Falle des Eintritts der Nacherbfolge dem Nacherben gegenüber wirksam ist.

A. Normzweck

 

Rz. 1

Die Vorschrift will im Erhaltungsinteresse des Nacherben verhindern, dass Eigengläubiger des Vorerben in den Nachlass vollstrecken. Der Nacherbe wird daher vor der – letztlich zu seinen Lasten gehenden – Inanspruchnahme des Nachlasses geschützt, indem die Zwangsvollstreckungsverfügungen der Gläubiger des Vorerben wie die vom Vorerben selbst im Fall des § 2113 BGB vorgenommenen Verfügungen für unwirksam erklärt werden. § 2115 BGB ist somit das haftungsrechtliche Pendant zu § 2113 BGB, geht jedoch über diesen insoweit hinaus, als er alle Gegenstände des Nachlasses erfasst, gleich ob der Vorerbe darüber frei verfügen kann oder nicht.[1] Dies gilt gleichermaßen für den vollständig befreiten Vorerben, denn § 2136 BGB sieht eine Befreiung von § 2115 BGB nicht vor. Verfahrensrechtlich wird die an § 326 ZPO angepasste Vorschrift durch § 83 Abs. 2 InsO u. § 773 ZPO ergänzt.

[1] Staudinger/Avenarius, § 2114 Rn 3.

B. Zwangsvollstreckung

 

Rz. 2

Verfügungen im Wege der Zwangsvollstreckung sind nur solche wegen Geldforderungen in Erbschaftsgegenstände (§§ 803871 ZPO).[2] Urteile auf Abgabe einer Willenserklärung (§§ 894, 895 ZPO) fallen daher ebenso wenig unter § 2115 BGB wie Vollstreckungsmaßnahmen zur Erwirkung der Herausgabe von Sachen (§§ 883 ff. ZPO) und die Vollstreckung gem. § 897 ZPO. Anwendbar ist § 2115 BGB auch auf die Kündigung einer Personengesellschaft durch Gläubiger des Vorerben (§ 135 HGB).[3] Die Teilungsversteigerung gem. §§ 180 ff. ZVG ist kein Akt der Zwangsvollstreckung und fällt daher nicht unter § 2115 BGB; sie dient der Aufhebung der Gemeinschaft und ist Betätigung des nach den Regeln der Erbengemeinschaft (§ 2042 Abs. 1 BGB) oder der Bruchteilsgemeinschaft (§ 749 Abs. 1 BGB) bestehenden Rechts auf Auseinandersetzung.[4] Der Nacherbenvermerk darf nicht in die Versteigerungsbedingungen aufgenommen werden und ist nach Zuschlagserteilung zu löschen.[5] Unter § 2115 BGB fällt allerdings kraft Surrogation (§ 2111 BGB) der Erlös aus der Teilungsversteigerung; der Versteigerungsantrag eines Eigengläubigers des Vorerben, der dessen Nachlassanteil gepfändet hat, ist daher gem. § 242 BGB rechtsmissbräuchlich, wenn der Nacherbe der Einziehung des Erlösanteils durch den Gläubiger widersprechen wird.[6]

 

Rz. 3

Unwirksam ist nach ganz h.M. auch eine Aufrechnung, die ein Eigengläubiger des Vorerben gegen eine Nachlassforderung erklärt.[7] Weil es sich bei der einer Überweisung (§ 835 ZPO) gleichkommenden Aufrechnung um eine Form der außerprozessualen Zwangsbefriedigung handelt, ist sie in entsprechender Anwendung von § 773 ZPO i.V.m. § 394 BGB unzulässig und wird daher ebenfalls vom Schutzzweck des § 2115 BGB erfasst. Ferner unterfallen § 2115 BGB Zwangsverfügungen im Wege des Arrestes.[8]

[2] Vgl. nur Staudinger/Avenarius, § 2114 Rn 12 m.w.N.
[3] Soergel/Harder-Wegmann, § 2115 Rn 4 m. ausführlicher Darstellung der Auswirkungen der Kündigung; MüKo/Grunsky, § 2115 Rn 6.
[4] Staudinger/Avenarius, § 2115 Rn 14; Palandt/Weidlich, § 2115 Rn 3.
[5] OLG Hamm NJW 1969, 516.
[6] OLG Celle NJW 1968, 801, 802.
[7] RGZ 80, 1, 7; RGZ 30, 33; a.A. KG OLGE 22, 370.
[8] Soergel/Harder-Wegmann, § 2115 Rn 7.

C. Sonderfall: Vertragspfandrechte

 

Rz. 4

Die zur Zwangsvollstreckung berechtigenden Rechte am Nachlassgegenstand können durch den Erblasser oder den Vorerben begründet worden sein. Wirksam sind diese Rechte gegenüber dem Nacherben, wenn er der hierauf bezogenen Verfügung des Vorerben zugestimmt hat oder der Vorerbe entsprechend befreit ist.[9] Pfandrechte an Nachlassgegenständen zur Sicherung persönlicher Verbindlichkeiten kann jedoch auch der befreite Vorerbe nicht wirksam bestellen. Hierin liegt regelmäßig eine unentgeltliche Verfügung, da der aus der Gewährung der Sicherheit folgende Vorteil nicht dem Nachlass, sondern dem Vorerben zugutekommt.[10] Die Pfandverwertung ist daher nach S. 1 unwirksam;[11] bei freihändiger Verwertung findet § 2115 BGB entsprechende Anwendung.[12] Dies gilt auch für das Vermieterpfandrecht an einem von dem Vorerben eingebrachten Nachlassgegenstand, sofern die Vermieterforderungen keine Nachlassverbindlichkeiten darstellen.[13]

[9] Soergel/Harder-Wegmann, § 2115 Rn 12.
[10] Staudinger/Avenarius, § 2115 Rn 5.
[11] Staudinger/Avenarius, § 2115 Rn 5; a.A. für Bestellung einer Hypothek RGZ 133, 263, 264; Soergel/Harder-Wegmann, § 2115 Rn 12.
[12] Staudinger/Avenarius, § 2115 Rn 5.
[13] Zutreffend Staudinger/Avenarius, § 2115 Rn 7; a.A. OLG Frankfurt OLGE 33, 151.

D. Nutzungen

 

Rz. 5

Von § 2115 BGB nicht erfasst sind die dem Vorerben zustehenden Nutzungen, den...

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