Gesetzestext

 

(1)Hat der Erblasser einen Nacherben eingesetzt, ohne den Zeitpunkt oder das Ereignis zu bestimmen, mit dem die Nacherbfolge eintreten soll, so fällt die Erbschaft dem Nacherben mit dem Tode des Vorerben an.

(2)1Ist die Einsetzung einer noch nicht gezeugten Person als Erbe nach § 2101 Abs. 1 als Nacherbeinsetzung anzusehen, so fällt die Erbschaft dem Nacherben mit dessen Geburt an. 2Im Falle des § 2101 Abs. 2 tritt der Anfall mit der Entstehung der juristischen Person ein.

A. Eintritt der Nacherbfolge

 

Rz. 1

Dem Erblasser steht es in den Grenzen der Dreißigjahresfrist des § 2109 BGB frei, den Zeitpunkt des Eintritts der Nacherbfolge zu bestimmen. Für den Fall, dass diese Bestimmung unterblieben ist oder der Erblasser die Bestimmung entgegen § 2065 BGB (insoweit Gültigkeitsbestimmung gem. Abs. 1[1]) einem Dritten überlassen hat,[2] ergänzt Abs. 1 BGB die letztwillige Verfügung dahingehend, dass die Nacherbfolge mit dem Tode des Vorerben eintritt.[3] Hat der Erblasser weder den Zeitpunkt des Nacherbfalls noch die Person des Nacherben bestimmt, so sind die §§ 2104 u. 2106 BGB nebeneinander anwendbar.[4]

 

Rz. 2

Abs. 1 greift auch dann ein, wenn der Erblasser eine bedingte Nacherbfolge angeordnet, die Nacherbfolge also vom Eintritt eines bestimmten Ereignisses abhängig gemacht hat – hierbei ist es unbeachtlich, ob der Bedingungseintritt vom freien Willen des Bedachten abhängt oder wie wahrscheinlich er ist.[5] Hiermit ist nicht notwendig zugleich der Zeitpunkt des Anfalls der Nacherbschaft bestimmt; dieser ergibt sich im Zweifel aus Abs. 1.

 

Rz. 3

Der Zeitpunkt des Eintritts des Nacherbfalls ist auch für den Erbschein zu ermitteln und in ihm zu vermerken.[6]

 

Rz. 4

Führt der Nacherbe das Ereignis, mit dem nach dem Willen des Erblassers die Nacherbfolge eintreten soll, treuwidrig selbst herbei, kann er sich entsprechend § 162 Abs. 2 BGB nicht auf den Eintritt des Nacherbfalls berufen.[7] Ob in diesem Fall statt der vom Erblasser gesetzten Bedingung Abs. 1 zur Anwendung kommen oder die Erbschaft dem Vorerben verbleiben soll, ist Auslegungsfrage.[8]

[1] Palandt/Weidlich, § 2065 Rn 4, 6.
[2] Vgl. BGHZ 15, 199 = NJW 1955, 100.
[3] Nach Staudinger/Avenarius, § 2106 Rn 1 bedeutet die Vorschrift lediglich eine Auslegungsrichtlinie; a.A. Soergel/Harder-Wegmann, § 2106 Rn 1: Ergänzungsregel.
[4] BayObLG FamRZ 1967, 695.
[5] MüKo/Grunsky, § 2106 Rn 1 und 3; RGRK/Johannsen, § 2106 Rn 3; Staudinger/Avenarius, § 2106 Rn 2.
[6] MüKo/Grunsky, § 2106 Rn 4; KG OLGE 9, 437.
[7] BGH NJW 1968, 2051; MüKo/Grunsky, § 2106 Rn 1.
[8] MüKo/Grunsky, § 2106 Rn 1.

B. Zukünftige Erben

 

Rz. 5

Hat der Erblasser eine noch nicht erzeugte natürliche Person oder eine noch nicht entstandene juristische Person als Erben eingesetzt, so liegt gem. § 2101 BGB im Zweifel eine Nacherbeinsetzung vor. Nach Abs. 2 fällt die Erbschaft dem Nacherben in diesem Fall mit seiner Geburt bzw. Entstehung an. Dieser Zeitpunkt ist zwingend; eine Rückbeziehung des Erbschaftsanfalls auf den Zeitpunkt der Erzeugung des Nacherben kommt grds. nicht in Betracht.[9] Abs. 2 gilt nicht, wenn der noch nicht Erzeugte vom Erblasser ausdrücklich zum Nacherben berufen ist; hier bleibt es, da kein Fall des § 2101 BGB vorliegt, bei der Regel des Abs. 1, der Nacherbfall tritt also mit dem Tode des Vorerben ein. Stirbt der Vorerbe in diesem Fall vor der Geburt des Nacherben, so treten zunächst die Erben des Vorerben an dessen Stelle; sie sind "bloße Platzhalter".[10] Der Nacherbfall tritt jedoch nicht erst mit deren Tod, sondern mit der Geburt des Nacherben ein.[11] Diese "Platzhalterschaft" ist auch geboten, wenn der eingesetzte Vorerbe wegfällt durch Ausschlagung, Verzicht oder Erbunwürdigkeit.[12]

[9] Soergel/Harder-Wegmann, § 2106 Rn 3; MüKo/Grunsky, § 2106 Rn 5; a.A. Staudinger/Avenarius, § 2106 Rn 6.
[10] Staudinger/Avenarius, § 2106 Rn 6.
[11] Soergel/Harder-Wegmann, § 2106 Rn 3, der jedoch missverständlich von "Zeugung" spricht; MüKo/Grunsky, § 2106 Rn 5; Palandt/Weidlich, § 2106 Rn 2.
[12] Umfassend hierzu Damrau, ZEV 2004, 19.

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