Gesetzestext

 

(1)Hat der Erblasser angeordnet, dass der eingesetzte Erbe die Erbschaft erst mit dem Eintritt eines bestimmten Zeitpunkts oder Ereignisses erhalten soll, ohne zu bestimmen, wer bis dahin Erbe sein soll, so sind die gesetzlichen Erben des Erblassers die Vorerben.

(2)Das Gleiche gilt, wenn die Persönlichkeit des Erben durch ein erst nach dem Erbfall eintretendes Ereignis bestimmt werden soll oder wenn die Einsetzung einer zur Zeit des Erbfalls noch nicht gezeugten Person oder einer zu dieser Zeit noch nicht entstandenen juristischen Person als Erbe nach § 2101 als Nacherbeinsetzung anzusehen ist.

A. Konstruktive Vorerbschaft

 

Rz. 1

Die Vorschrift bildet das Pendant zu § 2104 BGB. Sie ergänzt die hinsichtlich der Person des Vorerben unvollständige Anordnung einer Nacherbfolge. Weil das BGB keine herrenlose (ruhende) Erbschaft kennt, muss der Platz des Vorerben notwendig besetzt sein. Diesen Platz nehmen nach § 2105 BGB bei unterbliebener Vorerbenbenennung die gesetzlichen Erben des Erblassers ein (sog. konstruktive Vorerbenberufung).

 

Rz. 2

Die Anwendung der Vorschrift setzt nach Abs. 1 voraus, dass ein Vorerbe nicht benannt ist und sich auch nicht durch Auslegung ermitteln lässt.[1] Des Weiteren muss sich aus der letztwilligen Verfügung ergeben, dass eine Vor- und Nacherbfolge gewollt ist. Ein Fall des Abs. 1 liegt auch dann vor, wenn der Erblasser die Einsetzung des Vorerben widerruft;[2] ferner, wenn der Erbe unter der Bedingung eingesetzt ist, dass er die Erbschaft innerhalb einer bestimmten Frist nicht ausschlägt, und es für die Zeit des Schwebens der Bedingung an einem Erben fehlt; § 2075 BGB greift hier nicht ein.[3] Analoge Anwendung der Vorschrift kommt in Betracht, wenn der eingesetzte Vorerbe nachträglich wegfällt, bspw. durch Anfechtung, und gleichwohl anzunehmen ist, dass die Nacherbfolge bestehen bleiben soll.[4]

 

Rz. 3

Der fehlenden Vorerbenbenennung steht nach Abs. 2 gleich, wenn die Person des Erben durch ein Ereignis nach dem Erbfall bestimmt werden soll oder wenn die Einsetzung einer noch nicht gezeugten natürlichen bzw. noch nicht entstandenen juristischen Person gem. § 2101 BGB als Nacherbeinsetzung anzusehen ist. Durch ein künftiges Ereignis bestimmt i.S.d. Abs. 1 Alt. 1 ist z.B. der künftige Ehemann der X.[5] Erlebt der Erblasser dieses Ereignis noch, wird der zum Nacherben Berufene sogleich Vollerbe. Kein Fall des Abs. 2 ist gegeben, wenn die eingesetzte Person zwar schon vorhanden, aber noch nicht identifiziert ist, wie der unbekannte Lebensretter; hier kann eine Nachlasspflegschaft angezeigt sein (§ 1960 Abs. 1 BGB).[6] Eine beim Erbfall bereits gezeugte Person wird nach § 1923 Abs. 2 BGB rückwirkend mit dem Erbfall Vollerbe; Gleiches gilt gem. § 84 BGB für die bereits errichtete, aber erst nach dem Erbfall genehmigte Stiftung. Abs. 2 greift insoweit nicht.

 

Rz. 4

Die lediglich formal motivierte Regel des § 2105 BGB ist dispositiv und weicht daher dem mutmaßlichen Willen des Erblassers.[7] Hat der Erblasser bspw. einen von mehreren Miterben ohne Regelung der Vorerbfolge zum Nacherben bestimmt, so ist zu prüfen, ob es nicht dem Willen des Erblassers eher entspricht, dass die übrigen Miterben statt der gesetzlichen Erben anteilsweise zu Vorerben berufen sein sollen.[8]

[1] RG JW 1935, 1845.
[2] MüKo/Grunsky, § 2105 Rn 2.
[3] Staudinger/Avenarius, § 2105 Rn 8.
[4] Staudinger/Avenarius, § 2105 Rn 7; Soergel/Harder-Wegmann, § 2105 Rn 2.
[5] RGRK/Johannsen, § 2105 Rn 4.
[6] Staudinger/Avenarius Rn 9.
[7] Staudinger/Avenarius, § 2105 Rn 5.
[8] Vgl. nur Staudinger/Avenarius, § 2105 Rn 5.

B. Gesetzliche Erben

 

Rz. 5

Der Kreis und die Anteile der zu Vorerben berufenen gesetzlichen Erben bestimmen sich nach dem Zeitpunkt des Erbfalls. Anders als bei § 2104 BGB gehört auch der Fiskus zu den gesetzlichen Erben. Dieser kann in entsprechender Anwendung von § 1942 Abs. 2 BGB die Erbschaft nicht ausschlagen, da die Erbschaft ansonsten bis zum Nacherbfall herrenlos würde.[9] Nicht zu den gesetzlichen Erben gehört, wer gem. § 1938 BGB als Erbe ausgeschlossen oder durch Erbunwürdigkeitserklärung (§§ 2339 ff. BGB) oder durch Erbverzicht (§§ 2346 ff. BGB) ausgeschieden ist. (Betreffend nichteheliche Kinder siehe § 2104 Rdn 4).

[9] Staudinger/Avenarius, § 2105 Rn 2; MüKo/Grunsky, § 2105 Rn 4.

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