Gesetzestext

 

Hat der Erblasser eine letztwillige Zuwendung unter der Bedingung gemacht, dass der Bedachte während eines Zeitraums von unbestimmter Dauer etwas unterlässt oder fortgesetzt tut, so ist, wenn das Unterlassen oder das Tun lediglich in der Willkür des Bedachten liegt, im Zweifel anzunehmen, dass die Zuwendung von der auflösenden Bedingung abhängig sein soll, dass der Bedachte die Handlung vornimmt oder das Tun unterlässt.

A. Allgemeines

 

Rz. 1

Im Falle des § 2075 BGB, der von der Zulässigkeit auflösender Bedingungen bei Verfügungen von Todes wegen ausgeht, handelt es sich grds. um eine Auslegungsregel.[1] Es ist deshalb von einer Auslegungsregel und nicht von einer Umdeutungsregel auszugehen, da § 2075 BGB dem Willen des Erblassers entspricht und ein abweichender Wille in jedem Falle Vorrang hat. Dies ergibt sich aus der Formulierung "im Zweifel".[2] Es ist im Zweifel von einer auflösenden Bedingung auszugehen, da es i.d.R. dem Erblasserwillen entspricht, dass der Bedachte die Zuwendung sofort erhält, diese jedoch dann zurückgeben muss, wenn er sich entgegen dem Willen des Erblassers verhält.

[1] MüKo/Leipold, § 2075 Rn 1; Staudinger/Otte, § 2075 Rn 1; Soergel/Loritz, § 2075 Rn 1.
[2] MüKo/Leipold, § 2075 Rn 1; Staudinger/Otte, § 2075 Rn 1; Soergel/Loritz, § 2075 Rn 1.

B. Tatbestand

 

Rz. 2

Der Erblasser muss eine letztwillige Zuwendung unter der Bedingung gemacht haben, dass der Bedachte während eines Zeitraums etwas unterlässt oder fortgesetzt tut.

I. Bedingung

 

Rz. 3

Voraussetzung ist das Vorliegen einer echten Bedingung, die im Zweifel als auflösende Bedingung ausgelegt wird. Ob der Erblasser eine Verfügung überhaupt von einer Bedingung abhängig gemacht hat oder ob es sich lediglich um einen Wunsch des Erblassers handelt, ist durch Auslegung nach den allg. Auslegungsgrundsätzen zu ermitteln. Um einen Wunsch oder eine Ermahnung handelt es sich dann, wenn es sich um einen moralischen Appell handelt. Hierunter fällt bspw. die Formulierung "Wenn er sich nichts mehr zuschulden kommen lässt" oder "bei anständiger Lebensführung".

II. Willkür des Bedachten

 

Rz. 4

Weiterhin muss das Tun oder Unterlassen in der Willkür des Bedachten liegen. Nach dem Wortlaut der Vorschrift wäre davon auszugehen, dass es sich hierbei um eine weitere Voraussetzung handelt. Demgemäß wäre allerdings das Verhalten des Bedachten allein von seinem Willen abhängig und dürfte nicht von der Mitwirkung eines Dritten abhängig sein. Nach richtiger Ansicht handelt es sich jedoch nicht um eine weitere Voraussetzung, sondern um den sprachlich etwas verunglückten Hinweis auf eine Wollensbedingung.[3] Gegen das Vorliegen einer echten Bedingung könnte es allerdings sprechen, wenn es der bedachten Person allein nicht möglich ist, das Verhalten, das sich der Erblasser vorstellt, herbeizuführen.[4]

[3] Staudinger/Otte, § 2075 Rn 3; Soergel/Loritz, § 2075 Rn 3; a.A. Palandt/Weidlich, § 2075 Rn 2.
[4] Soergel/Loritz, § 2075 Rn 3; MüKo/Leipold, § 2075 Rn 3 (Leipold sieht hierin den eigentlichen Sinn des Gesetzeswortlauts).

III. Fehlerhaftigkeit der Bedingung

 

Rz. 5

Des Weiteren darf die Bedingung nicht fehlerhaft sein. Für den Fall, dass die auflösende Bedingung unmöglich ist, wird davon ausgegangen, dass nur die Bedingung wirkungslos ist, nicht jedoch die Zuwendung als solche.[5] Nach a.A. ist jedoch die ergänzende Auslegung heranzuziehen.[6] Es ist durch Auslegung zu ermitteln, ob die Verfügung wirksam bleibt, auch ohne die Bedingung. Dies dürfte i.d.R. der Fall sein. Im Regelfall führen somit beide Ansichten zum gleichen Ergebnis.

[5] Haegele, JurBüro 1969, 2; Staudinger/Otte (2013), § 2074 Rn 75.
[6] Soergel/Loritz, § 2075 Rn 4.

IV. Fortgesetztes Tun oder Unterlassen

 

Rz. 6

Weiter setzt § 2075 BGB voraus, dass der Bedachte während eines Zeitraums von unbestimmter Dauer etwas unterlässt oder fortgesetzt tut. Handelt es sich um einmalige Handlungen, ist § 2075 BGB nicht anwendbar.

 

Rz. 7

Unter § 2075 BGB fallen die Verwirkungsklauseln[7] (siehe hierzu Rdn 14 ff.) sowie die Wiederverheiratungsklauseln,[8] die zulässige Anordnung der Beibehaltung eines bestimmten Berufes oder des Wohnsitzes, weiterhin, wenn der Erblasser eine bestimmte Lebensführung anordnet (z.B. kein Rückfall zum Vollalkoholiker[9]) oder die Zuwendung von Pflegeleistungen abhängig macht, sofern es sich hierbei nicht um einen bloßen Beweggrund handelt, oder wenn der Erblasser anordnet, dass der Erbe das ihm zugewandte Hausanwesen ständig bewohnt und bewirtschaftet.[10] Unter § 2075 BGB fällt auch die Bedingung, dass ein Ehegatte den anderen nicht verlässt, bzw. eine Einsetzung zum Miterben unter der Bedingung, dass ein Antrag auf Teilungsversteigerung nicht gestellt wird.[11] Unter die Vorschrift des § 2075 BGB fällt es auch, wenn der Nacherbfall eintreten soll, falls der Bedachte seine Bauverpflichtung nicht einhält, d.h. das ererbte Grundstück nicht binnen drei Jahren nach dem Tod des Erblassers bebaut.[12]

 

Rz. 8

Wird das fortgesetzte Tun oder das Unterlassen nur auf einen bestimmten Zeitraum beschränkt, kommt § 2075 BGB nach h.M. nicht zum Zuge.[13] Hier muss die Auslegung entscheiden, ob eine auflösende oder eine aufschiebende Bedingung vorliegt....

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