Gesetzestext

 

Hat der Erblasser seine Kinder ohne nähere Bestimmung bedacht und ist ein Kind vor der Errichtung des Testaments mit Hinterlassung von Abkömmlingen gestorben, so ist im Zweifel anzunehmen, dass die Abkömmlinge insoweit bedacht sind, als sie bei der gesetzlichen Erbfolge an die Stelle des Kindes treten würden.

A. Allgemeines

 

Rz. 1

Auch bei der Vorschrift des § 2068 BGB handelt es sich um eine Auslegungsregel.[1] Anders ist dies in §§ 2069, 2102 Abs. 1 BGB. Dort liegt eine Ersatzberufung vor. § 2068 BGB greift dann ein, wenn aufgrund der Auslegung der Wille des Erblassers nicht eindeutig festzustellen ist.

[1] BGHZ 33, 60; a.A. v. Lübtow, Erbrecht I, S. 285, nach dessen Ansicht handelt es sich um eine Auslegungsregel und Umdeutungsvorschrift; Soergel/Loritz, § 2068 Rn 1 (teils Ergänzungsregel).

B. Tatbestand

I. Grundsatz

 

Rz. 2

Die Vorschrift erfasst die letztwilligen Verfügungen, in denen der Erblasser seine Kinder bedenkt, ohne sich jedoch darüber zu äußern, ob für den Fall, dass ein Kind bereits vorverstorben ist, dessen Abkömmlinge zur Erbfolge berufen sein sollen. Voraussetzung für die Anwendbarkeit von § 2068 BGB ist, dass die eigenen "Kinder" in dieser pauschalen Bezeichnung, d.h. ohne Angaben von Namen und Höhe der Erbteile, zu Erben oder Vermächtnisnehmern eingesetzt worden sind.[2] Die Vorschrift des § 2068 BGB ist auch dann anwendbar, wenn die Erbteile festgelegt sind.[3] Die Vorschrift des § 2068 BGB hat einen sehr engen Anwendungsbereich. Es wird nur der Fall erfasst, dass ein Kind vor Errichtung des Testaments verstirbt. Verstirbt das Kind hingegen nach Testamentserrichtung, greift § 2069 BGB ein.

 

Rz. 3

§ 2068 BGB gilt nur für den Fall, dass ein Kind verstorben ist, nicht für den Fall, dass ein Kind einen Erbverzicht abgegeben hat. In diesem Falle kommt § 2349 BGB zur Anwendung. Auch bei der Ausschlagung ist § 2068 BGB nicht anwendbar, da diese erst nach dem Erbfall erfolgen kann. § 2068 BGB regelt die Situation vor der Errichtung des Testaments. Nicht von Bedeutung ist, ob der Erblasser vom Tod des Kindes Kenntnis hatte.[4] Im Einzelfall kann jedoch die Kenntnis bzw. Nichtkenntnis im Rahmen der Auslegung von Bedeutung sein.

 

Rz. 4

Aus der Formulierung des § 2068 BGB ("Kinder…im Zweifel…") ergibt sich, dass die individuelle Auslegung in jedem Falle vorrangig ist. Diese kann sich auch auf außerhalb des Testaments liegende Umstände stützen. Das Testament kann aufgrund Auslegung dahingehend zu interpretieren sein, dass nur die noch lebenden Abkömmlinge ersten Grades bedacht sein sollen oder dass die Abkömmlinge des Verstorbenen nach anderen Grundsätzen erben sollen als denen der gesetzlichen Erbfolge.[5]

 

Rz. 5

Die Vorschrift des § 2068 BGB gilt sowohl für Erbeinsetzungen als auch Vermächtnisse und Auflagen. Unerheblich ist, ob derartige Zuwendungen in einem Testament, gemeinschaftlichen Testament oder Erbvertrag getroffen worden sind.

[2] Staudinger/Otte, § 2068 Rn 2; Soergel/Loritz, § 2068 Rn 2; MüKo/Leipold, § 2068 Rn 2.
[3] MüKo/Leipold, § 2068 Rn 2; a.A. Ermann/Schmidt, § 2068 Rn 1.
[4] MüKo/Leipold, § 2068 Rn 2.
[5] MüKo/Leipold, § 2068 Rn 2.

II. Begriff "Kinder"

 

Rz. 6

Unter die Bezeichnung "Kinder" fallen die Abkömmlinge ersten Grades. Hierunter zählen auch die Adoptivkinder, es sei denn, dies entspricht nicht dem Willen des Erblassers.[6] Der allg. Sprachgebrauch versteht unter dem Begriff "Kinder" demgegenüber ebenfalls Enkel und entferntere Abkömmlinge.[7] Dies führt dazu, dass im Zweifel alle Stämme zum Zuge kommen, und zwar so, wie sie im Rahmen der gesetzlichen Erbfolge zum Zuge gekommen wären. Die gilt allerdings dann nicht, wenn die individuelle Auslegung zu einem anderen Ergebnis führt. Eine allgemeine Auslegungsregel dahingehend, dass mit dem Begriff "Kinder" stets auch die weiteren Abkömmlinge gemeint sind, gibt es allerdings nicht. Dies kann dazu führen, dass dem längerlebenden Ehegatten, dem die Befugnis zusteht, nur zugunsten der gemeinsamen Kinder abweichende Verfügungen zu treffen, eine Zuwendung zugunsten der Abkömmlinge eines nicht vorverstorbenen Kindes nicht gestattet ist.[8] Seit 1.7.1970 zählen zu den Kindern auch die nichtehelichen, sofern sie nach dem 30.6.1949 geboren sind und eine Vaterschaft des Erblassers festgestellt ist.[9] Nicht unter den Begriff "Kinder" werden die Stief- und Pflegekinder sowie die Schwiegerkinder gerechnet (umstritten). Diese sind im Zweifel nicht bedacht, es sei denn, ein anderer Wille des Erblassers ist zu ermitteln.

[6] BayObLG FamRZ 1989, 1118; nach Ansicht von Bausch, FamRZ 1980, 417 fallen die Adoptivkinder nicht unter die Bezeichnung "Kinder", es sei denn, es entspricht dem Willen des Erblassers. Wurde ein volljähriges Kind adoptiert, fällt dieses nicht unter den Begriff "Kinder", LG Mönchengladbach FamRZ 2000, 569.
[7] H.M. Erman/Schmidt, § 2068 Rn 1; a.A. v. Lübtow, Erbrecht I, S. 285.
[8] OLG Hamm FGPrax 2005, 265.
[9] Soergel/Loritz, § 2068 Rn 3; Böhm, FamRZ 1972, 183 f.

III. Begriff der "Abkömmlinge"

 

Rz. 7

Mit dem Begriff "Abkömmlinge" sind auch die Kinder eines angenommenen Kindes entsprechend dem am 1.1.1977 in Kraft getretenen AdoptionsG...

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