Gesetzestext

 

(1)Abkömmlinge, die als gesetzliche Erben zur Erbfolge gelangen, sind verpflichtet, dasjenige, was sie von dem Erblasser bei dessen Lebzeiten als Ausstattung erhalten haben, bei der Auseinandersetzung untereinander zur Ausgleichung zu bringen, soweit nicht der Erblasser bei der Zuwendung ein anderes angeordnet hat.

(2)Zuschüsse, die zu dem Zwecke gegeben worden sind, als Einkünfte verwendet zu werden, sowie Aufwendungen für die Vorbildung zu einem Beruf sind insoweit zur Ausgleichung zu bringen, als sie das den Vermögensverhältnissen des Erblassers entsprechende Maß überstiegen haben.

(3)Andere Zuwendungen unter Lebenden sind zur Ausgleichung zu bringen, wenn der Erblasser bei der Zuwendung die Ausgleichung angeordnet hat.

A. Normzweck

 

Rz. 1

Das Gesetz vermutet den Willen des Erblassers, Abkömmlinge nach den Grundsätzen der Stammeserbfolge[1] an seiner gesamten wirtschaftlichen Lebensleistung gleichmäßig teilhaben zu lassen. Es ordnet deshalb an, dass lebzeitige Zuwendungen unter den Voraussetzungen der Abs. 1–3 BGB auf den künftigen Erbteil anzurechnen sind. Ob es sich hierbei um eine Art gesetzlicher Vermutung (praesumptio iuris) wie etwa in § 1006 BGB handelt, wird im Schrifttum nicht vertieft; ebenso wenig, ob sie als prinzipiell widerleglich anzusehen ist. Will der Erblasser den Automatismus der Ausgleichungspflicht vermeiden, so muss er sicherheitshalber entweder testieren oder aber beweiskräftige Anordnungen treffen, die den Voraussetzungen der Abs. 1 u. 3 oder des § 2053 BGB genügen.

[1] MüKo/Ann, § 2050 Rn 1; Staudinger/Löhnig, § 2050 Rn 1; Damrau, FamRZ 1969, 579, 580.

B. Tatbestand

 

Rz. 2

Die Anwendung der Vorschrift setzt voraus, dass mehr als ein Stamm von Abkömmlingen vorhanden, gesetzliche Erbfolge bezogen auf diese Abkömmlinge eingetreten ist und ausgleichungspflichtige Zuwendungen, die den Nachlass schmälern, an einen miterbenden Abkömmling vom Erblasser zu dessen Lebzeiten gewährt worden sind.

I. Mehr als ein Stamm von Abkömmlingen

 

Rz. 3

Ausgleichung findet nur unter Abkömmlingen der Zahl (n ≥ 2) statt, also nicht unter dem einzigen Abkömmling und der Ehefrau des Erblassers. Als Abkömmlinge zählen ausschließlich die Verwandten in absteigender gerader Linie (§§ 1589 S. 1, 1924 Abs. 1, BGB),[2] also Kinder, Enkel, Urenkel usw., wobei sich das Verwandtschaftsverhältnis ausschließlich nach materiellem Familienrecht bestimmt und als Anknüpfung daher nur noch §§ 15911593 BGB im Hinblick auf die Voraussetzungen der Abstammung, §§ 1741 ff. BGB im Hinblick auf die Voraussetzungen der Adoption und deren Rechtsfolgen (§ 1754 BGB für den Minderjährigen, §§ 1754, 1767 Abs. 2 BGB für den Volljährigen) in Betracht kommen.[3] Erbrechtlich beachtlich ist nur die "rechtlich anerkannte Verwandtschaft".[4] Im Zweifel ist vorab ein Statusbeschluss gemäß §§ 169 ff. FamFG zu erwirken; Inzidentprüfung dürfte wegen Spezialität des Statusverfahrens ausgeschlossen sein.[5] Die Auseinandersetzung ist bis zur Behebung des Zweifels gehindert (§ 2043 BGB).

[3] Zur obsolet gewordenen Unterscheidung zwischen ehelichen u. nichtehelichen, legitimierten u.a. Kindern, die in Altfällen noch relevant werden kann, vgl. MüKo/Leipold, § 1924 Rn 5; die hier relevanten Zeitschranken sind bei Palandt/Weidlich, § 1924 Rn 8 besprochen.
[4] Palandt/Weidlich, § 1924 Rn 2, nicht die biologische: BGH NJW 1989, 2197 im Fall einer Auslandsadoption zweifelhafter Wirksamkeit.
[5] Vgl. hierzu BGH NJW 1973, 51 unter Hinw. auf § 154 ZPO, nunmehr auch arg. e § 179 Abs. 2 FamFG.

II. Gesetzliche Erbfolge bezogen auf die Abkömmlinge

 

Rz. 4

Es muss gesetzliche Erbfolge (nur) im Hinblick auf die Abkömmlinge gegeben sein. Dies ist der Fall, wenn keine oder eine unwirksame Verfügung von Todes wegen vorliegt oder wenn zwar testamentarische Anordnungen getroffen wurden, ohne dass sich indessen eine ausdrückliche Erbeinsetzung der Abkömmlinge, jedenfalls aber mindestens zweier von ihnen, feststellen lässt. Zur Ausnahmeregelung des § 2052 BGB vgl. dort.

 

Rz. 5

Problemfall: Es liegt eine unwirksame Verfügung von Todes wegen vor, die vom Gesetz abweichende Quoten anordnet. Damit greift zwar gesetzliche Erbfolge, indessen ist ein anderslautender Wille des Erblassers dokumentiert. Soweit dessen Urheberschaft feststeht und keine Willensmängel hereinspielen, wird zu prüfen sein, ob nicht zumindest die dem Gesetz zugrunde liegende Vermutung erschüttert und die Ausgleichspflicht damit ausgeschlossen ist. Ob in diesem Zusammenhang geringere Anforderungen zu stellen sind als in den Fällen der Auslegung formwirksamer Testamentsteile durch Verwertung formunwirksamer Erklärungen (sie bedarf formwirksamer Anknüpfungspunkte als Grundlage),[6] hängt von der bisher ungeklärten Frage ab, wie ernst man die Rede von der "Vermutung" i.R.d. Ausgleichungsregeln nimmt. Will man die Grundannahme des Gesetzes als prinzipiell widerleglich ansehen, so besteht keine sachliche Rechtfertigung, für die Anknüpfungstatsachen einer solchen Widerlegung Testamentsform oder sonstige Formen zu verlangen.

[6] Vgl. Staudinger/Baumann, § 2247 Rn 70 m.w.N.; zum Grundsatz auch OLG Zweibrücken NJW-RR 200...

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