Entscheidungsstichwort (Thema)

Erbrecht eines Adoptivkindes

 

Leitsatz (amtlich)

Zum gesetzlichen Erbrecht eines Adoptivkindes nach einem deutschen Seitenverwandten seiner Adoptiveltern bei Adoption nach dem Recht des US-Staates Maryland.

Die Anerkennung ausländischer Gerichtsentscheidungen auf dem Gebiet der freiwilligen Gerichtsbarkeit erfordert kein besonderes Anerkennungsverfahren.

Ein ausländisches Adoptivdekret kann zugleich als eine nach früherem deutschem Recht erforderliche vormundschaftsgerichtliche Genehmigung anzusehen sein.

Soweit es sich um die Begründung neuer Verwandtschaftbeziehungen eines deutschen Adoptivkindes zu den Verwandten seiner Adoptiveltern handelt, steht der deutsche ordre public der Anerkennung einer ausländischen Dekretadoption nicht entgegen.

 

Normenkette

EGBGB Art. 24, 22 Abs. 2, Art. 7; FGG § 16a; EGBGB Art. 22; FGG n.F. § 35a Abs. 3; EGBGB Art. 30; EGBGB 1986 Art. 6; BGB § 1929; AdoptG Art. 12 § 1; BGB a.F. § 1763 Satz 1

 

Tenor

Die Revision der Kläger gegen das Urteil des 24. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 3. Juni 1987 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

 

Tatbestand

Die Witwe Anna R. geb. P. (Erblasserin) starb am 29. September 1981 als deutsche Staatsangehörige. Sie hinterließ keine Abkömmlinge. Ihre Erbfolge regelte sie nicht durch Verfügung von Todes wegen. Die Eltern der Erblasserin und ihre Geschwister waren vorverstorben. Miterben nach der Erblasserin und durch Teilerbschein als solche ausgewiesen sind die drei Kinder ihres Bruder

Franz W., die Kläger, sowie die nicht am Verfahren beteiligten beiden Abkömmlinge ihrer Schwester Emma. Das Amtsgericht hat angekündigt, einen weiteren Teilerbschein erteilen zu wollen, durch den die Beklagte, die Adoptivtochter des Bruders Franz Johann W. der Erblasserin, als Miterbin zu einem Drittel bezeichnet werden soll. Im vorliegenden Verfahren begehren die Kläger die Feststellung, die Beklagte gehöre nicht zu den gesetzlichen Erben der Erblasserin.

Die Beklagte wurde am 12. Dezember 1932 in Marienwerder in Ostpreußen als Deutsche geboren. Am 15. März 1945 floh sie mit einer älteren Schwester und deren italienischem Freund aus Marienwerder und gelangte schließlich im Sommer 1945 nach Bergamo/Italien. Mit Einverständnis ihrer Eltern gelang es der Beklagten, im Dezember 1946 in die Vereinigten Staaten einzuwandern, wo sie bei der Schwester ihrer Mutter und deren Ehemann, dem Bruder W. der Erblasserin, beide amerikanische Staatsbürger, Aufnahme fand. Auf Antrag der Tante und des Onkels wurde sie von diesen - mit ihrem Einverständnis - durch Dekret des Circuit Court of Baltimore City vom 2. August 1949 gemeinschaftlich adoptiert. Die leiblichen Eltern der Beklagten, die damals im Gebiet der späteren DDR lebten, hatten ihr Einverständnis mit der Kindesannahme vor dem Notar in Schwerin erklärt. Am 13. Dezember 1954 wurde die Beklagte in den Vereinigten Staaten auf ihren Antrag eingebürgert.

Landgericht und Oberlandesgericht halten die Klage für unbegründet. Mit der Revision verfolgen die Kläger ihr Prozeßziel weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet; die Beklagte gehört zu den gesetzlichen Erben der Erblasserin.

Die Erbfolge nach der am 29. September 1981 verstorbenen deutschen Erblasserin (mit letztem Wohnsitz in der Bundesrepublik) richtet sich - wie das Berufungsgericht mit Recht annimmt - gemäß Art. 220 Abs. 1 EGBGB n. F. in Verbindung mit Art. 24 Abs. 1 EGBGB a.F. nach dem Recht der Bundesrepublik. Zur Erbfolge berufen sind danach gemäß §§ 1930, 1925 Abs. 1 BGB die Erben der zweiten Ordnung, und zwar, da die Eltern den Erbfall nicht erlebt haben (§§ 1923 Abs. 1, 1925 Abs. 3 Satz 1, 1924 Abs. 2, 3 BGB), deren (nächste) Abkömmlinge nach Stämmen, also hier die Enkel der Eltern. Zu diesen Enkeln gehört auch die Beklagte.

Die Frage, ob das Erbrecht eines Adoptivkindes erbrechtlich oder adoptionsrechtlich zu qualifizieren ist, ist im international-privatrechtlichen Schrifttum außerordentlich umstritten und im vorliegenden Verfahren auch von den in erster Instanz hinzugezogenen Gutachtern eingehend erörtert worden. Einen aufschlußreichen Überblick über den Streitstand und auch über die möglichen Lösungsmodelle bietet der Aufsatz von Klaus Müller, NJW 1985, 2056 ff.. Der Senat vertritt hierzu folgenden Standpunkt:

Ob ein Adoptivkind ein Erbrecht nach einem Verwandten seiner Adoptiveltern hat, kann nach der Auffassung des Senats weder allein danach beurteilt werden, wie das für den Erblasser maßgebende Erbstatut Adoptivkinder behandelt, noch ausschließlich danach, ob das Adoptivkind nach dem für die Adoptionsfolgen maßgebenden Recht ein Erbrecht nach einem solchen Verwandten seiner Adoptiveltern haben soll (vgl. aber KG FamRZ 1988, 434 m. Anm. von Gottwald und Lüderitz S. 436, 481). Sinnvollerweise kann dem Adoptionsstatut aber entnommen werden, ob es zwischen diesem Erblasser und dem Adoptivkind zu einer so starken rechtlichen Beziehung (Verwandtschaft) kommen soll, wie sie das für die Erbfolge maßgebende Recht für eine Beteiligung an der gesetzlichen Erbfolge voraussetzt. Ein verläßliches Anzeichen dafür, daß die durch die Adoption begründete Verwandtschaft hinreichend stark ist, ergibt sich dann, wenn man danach fragt, ob das für die Adoptionsfolgen maßgebende Recht das Adoptivkind am Nachlaß des Erblassers beteiligen würde, wenn dieser nach dem Adoptionsstatut beerbt würde. Ist das nicht der Fall, etwa wenn das Adoptionsstatut das Adoptivkind zwar als Verwandten des Erblassers bezeichnet (und vielleicht teilweise auch so behandelt), es aber erbrechtlich hinter entsprechende Blutsverwandte zurücksetzt (so im deutschen Nichtehelichenrecht etwa die vor dem 1. Juli 1949 geborenen nichtehelichen Kinder im Verhältnis zu ihrem Vater und dessen Verwandten, vgl. Art. 12 § 1 NEG einerseits und Art. 12 § 10 Abs. 2 Satz 1 NEG andererseits), dann spricht einiges dafür, die familienrechtliche Beziehung in dem für die Erbfolge maßgebenden Erbrecht nicht als (hinreichend starke) Verwandtschaft anzusehen.

1.

Unter den Abkömmlingen im Sinne der Vorschriften über die gesetzliche Erbfolge sind diejenigen Verwandten des Erblassers (vgl. z.B. Kipp/Coing, Erbrecht 13. Bearb. S. 18) zu verstehen, mit denen dieser oder eine der in §§ 1925, 1926, 1928, 1929 BGB genannten Personen (Eltern, Großeltern usw.) in gerader, absteigender Linie verwandt ist (Deszendenten). Entscheidend sind hier nicht die Abstammung und die Verwandtschaft im biologischen, sondern diejenige im Rechtssinne (MK-Leipold, § 1924 BGB Rdn. 3). Dementsprechend wurden uneheliche Kinder vor der Aufhebung des § 1589 Abs. 2 BGB durch das Nichtehelichengesetz weder im Sinne von § 1924 Abs. 1 BGB (RGRK-Kregel, BGB 12. Aufl. § 1924 Rdn. 5) noch im Sinne von § 1925 Abs. 1 BGB als Abkömmlinge ihres Vaters angesehen. Andererseits sind auch heute noch Kinder, die gemäß § 1593 BGB (nur) als ehelich (verwandt) gelten, obwohl sie nicht blutsverwandt sind, als Verwandte und Abkömmlinge im Sinne der genannten Vorschriften über die gesetzliche Erbfolge anzusehen. Abkömmlinge sind auch die adoptierten Kinder des Erblassers (§ 1754 BGB n.F.). Nicht zu den gesetzlichen Erben gehören jedoch diejenigen Kinder, die von Verwandten des Erblassers mit der Wirkung adoptiert sind, daß sich die durch die Adoption begründete Verwandtschaft (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 1 EheG) nicht auch auf den Erblasser erstreckt (§ 1770 Abs. 1 Satz 1 BGB n.F.; Art. 12 § 1 Abs. 2 AdoptG; vgl. auch § 1737 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F.); deshalb sind mehrere Kinder, die von denselben Eltern nach altem Recht (schwach) adoptiert worden sind und beim Inkrafttreten des neuen Adoptionsrechts volljährig waren, nicht miteinander verwandt und können dementsprechend auch kein gesetzliches Erbrecht nacheinander haben (vgl. z.B. Strohal, Das deutsche Erbrecht 3. Aufl. S. 45 Fn. 8).

2.

Das Berufungsgericht ist der Auffassung, die Adoption der Beklagten durch Adoptionsdekret des Circuit Court of Baltimore City vom 2. August 1949 sei in der Bundesrepublik mit der Wirkung einer Volladoption anzuerkennen. Im Hinblick auf die (damalige) deutsche Staatsangehörigkeit der Beklagten habe es gemäß Art. 22 Abs. 2 EGBGB a.F., § 1751 BGB a.F. der Einwilligung der Beklagten bedurft; diese sei zwar mangels Genehmigung des Vormundschaftsgerichts zunächst nicht wirksam geworden. Der Mangel der Adoption sei aber inzwischen geheilt worden. Die Beklagte habe die Adoption nämlich nachträglich genehmigt, indem sie im Januar 1981 vor dem Nachlaßgericht einen Erbscheinsantrag gestellt und diesen in Kenntnis der Genehmigungsproblematik weiterverfolgt habe. Davon hätten sämtliche Miterben Kenntnis; das sei ausreichend.

3.

Der Senat teilt im Ergebnis die Auffassung des Berufungsgerichts, daß die von dem amerikanischen Gericht ausgesprochene Adoption in der Bundesrepublik anzuerkennen ist.

Die Anerkennung ausländischer Entscheidungen auf dem Gebiete der freiwilligen Gerichtsbarkeit, wie sie nunmehr in § 16a FGG geregelt ist, erfordert kein besonderes Anerkennungsverfahren, wie es für den Bereich des Zivilprozesses in §§ 722f. ZPO vorgesehen ist. Es besteht kein Hindernis, wie bisher im Erkenntnisverfahren über die Anerkennung mitzuentscheiden (vgl. BGHZ 64, 19, 22; Keidel/Kuntze/Winkler, Freiwillige Gerichtsbarkeit 12. Aufl. § 16a FGG Rdn. 9, 2 Fn. 2).

Im Anschluß an die international-privatrechtlichen Rechtsgutachten, die das Landgericht und schon das Nachlaßgericht eingeholt haben, und an die von den Klägern vorgelegten Gegengutachten geht das Oberlandesgericht davon aus, daß die Adoption nach dem Recht des Staates Maryland wirksam ist, also das Verfahren abschließt und Adoptionswirkungen, nämlich solche im Sinne einer Volladoption erzielt und aus amerikanischer Sicht auch Seitenverwandtschaft zu der Erblasserin - und zwar einschließlich einer Erbberechtigung - begründet hat. Das ist für den erkennenden Senat bindend (§§ 562, 549 ZPO).

Daß das amerikanische Gericht für die Adoption international zuständig war (§ 16a Nr. 1 FGG), ist im Hinblick auf § 66 Abs. 1 FGG a.F. nicht zweifelhaft.

Auch Art. 22 Abs. 2 EGBGB in der zur Zeit der Adoption gültigen Fassung steht der Anerkennung nicht entgegen. Diese Vorschrift erklärte zwar die Adoption eines deutschen Kindes durch den Angehörigen eines fremden Staates für unwirksam, wenn nach den deutschen Gesetzen die Einwilligung des Kindes erforderlich war und nicht erfolgt ist. Ein derartiger Fall liegt indessen nicht vor. Es trifft allerdings zu, daß die Einwilligung der Beklagten nach deutschem Recht zu den unentbehrlichen Voraussetzungen für die Wirksamkeit der Adoption gehörte (§ 1741 BGB a.F.). Diese Zustimmung hat die Beklagte persönlich in dem amerikanischen Adoptionsverfahren erteilt. Da die Beklagte zur Zeit der Adoption am 2. August 1949 erst 16 Jahre alt war, bedurfte es zur Wirksamkeit dieser ihrer Einwilligung gemäß § 1751 Abs. 2, 1 BGB a.F. außerdem der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts. Indessen vermißt das Oberlandesgericht eine derartige Genehmigung zu Unrecht.

4.

Es liegt zwar keine Genehmigung eines deutschen Vormundschaftsgerichts vor. Das ist aber unschädlich.

Im Schrifttum wird die Auffassung vertreten, daß die Genehmigung des deutschen Vormundschaftsgerichts nach Art. 22 Abs. 2 Satz 2 EGBGB a.F. nicht erforderlich war, wenn das Adoptionsstatut eine gerichtliche Prüfung vorsieht, ob die Adoption mit dem Kindeswohl vereinbar ist (MK-Klinkhardt, Art. 22 EGBGB Rdn. 180; Jayme, StAZ 1976, 1, 3, 4 Fn. 25; Siehr StAZ 1982, 61, 63, 68; Palandt/Heldrich, 47. Aufl. Art. 23 EGBGB Anm. 2 c). Dem tritt der Senat für den Fall bei, daß das ausländische Adoptionsdekret zugleich als die im Interesse des Kindes erforderliche vormundschaftsgerichtliche Genehmigung angesehen und als solche anerkannt werden kann (§ 16a FGG). Unter solchen Umständen ist der Zweck erreicht, dem das Erfordernis der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung dient. Das ausländische Adoptionsdekret erfüllt dann zugleich die Funktion, die der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung zugedacht ist. Das ist hier der Fall.

Wie Pütter in seiner Arbeit über die Adoption in den USA gezeigt hat, sind die im einzelnen unterschiedlich ausgestalteten Adoptionsverfahren in den Gliedstaaten der USA sämtlich darauf ausgerichtet, das Kindeswohl in besonderem Maße zu wahren. Danach besteht, auch wenn die notwendigen Einwilligungen erteilt und alle sonstigen gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind, kein Anspruch auf das beantragte Adoptionsdekret. Vielmehr steht es im Ermessen des Gerichts, ob bei Abwägung aller Umstände die Vorteile des Kindes die Adoption rechtfertigen (Pütter, Adoption in den USA, insbesondere S. 18, 23, 268; Annotated Code of the Public General Laws of Maryland 1957 Volume 2, 1981 Replacement Volumes § 67 S. 78 "Primary consideration is welfare of child"; § 72 S. 80 "Interests of child are paramount"; vgl. auch Isaac, Adopting a Child today S. 238). Damit ist den Interessen des Kindes, um deren Wahrung es bei der erforderlichen Genehmigung ausschließlich geht, ausreichend Rechnung getragen.

An der internationalen Zuständigkeit der Gerichte von Maryland zur Erteilung der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung fehlte es nicht. Zwar waren für die Erteilung der Genehmigung auch die deutschen Gerichte international zuständig, und zwar unabhängig davon, ob die Beklagte ihren Wohnsitz bei ihrem damals im Bereich der heutigen DDR wohnhaften Vater (§ 11 BGB a.F.) hatte oder nicht. Das ergibt sich aus §§ 43 Abs. 1, 36 FGG a.F. i.V. mit § 14 der Verordnung vom 31. Mai 1934 (RGBl. I 472). Diese Zuständigkeit war aber keine ausschließliche (vgl. dazu heute § 35a Abs. 3 FGG). Das ergibt sich daraus, daß das zuständige deutsche Vormundschaftsgericht den Antrag auf Erteilung der hier erforderlichen Genehmigung gemäß § 46 FGG a.F. an ein anderes Gericht abgeben konnte. Daß das deutsche Gericht die Erteilung der Genehmigung auch einem ausländischen Gericht überlassen durfte, folgt daraus, daß § 47 Abs. 2 FGG a.F. sogar die Abgabe einer im Inland angeordneten Vormundschaft an einen ausländischen Staat zuließ (zum neuen Recht gegen Zulässigkeit der Abgabe eines Antrages gemäß § 43 FGG: Keidel/Kuntze/Winkler, a.a.O. § 47 Rdn. 8). Jedenfalls entfiel spätestens mit der Einbürgerung der Beklagten in den Vereinigten Staaten und dem damit verbundenen Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit (§ 25 RuStAG) jegliches Bedürfnis dafür, die Zustimmungserklärung der Beklagten zu ihrer Adoption in deren Interesse einer zusätzlichen Kontrolle durch ein deutsches Vormundschaftsgericht zu unterziehen.

Auf die vom Berufungsgericht und von der Revision in den Vordergrund gestellte Frage, ob ein etwaiger in der fehlenden Zustimmung des Kindes liegender Mangel der Adoption durch das nachträgliche Verhalten der Beklagten geheilt worden wäre, kommt es daher nicht an.

5.

Art. 22 Abs. 2 EGBGB a.F. steht der Anerkennung der Adoption auch nicht deshalb entgegen, weil die leiblichen Eltern der Beklagten zwar der (schwachen) Kindesannahme nach dem früheren deutschen Adoptionsrecht, nicht aber der völligen Herauslösung des Kindes aus seiner leiblichen Familie zugestimmt hätten.

Wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei feststellt, umfaßte die unstreitig erteilte Zustimmung der leiblichen Eltern auch die Wirkungen der Volladoption. Sie bezog sich auf ein konkretes Adoptionsverfahren vor dem zuständigen Gericht in Maryland, enthielt keinerlei Vorbehalte und konnte aus der Sicht ihres Empfängers, des amerikanischen Gerichts, nicht anders verstanden werden, als daß sie die beabsichtigte Adoption nach dem Recht von Maryland und deren Auswirkungen betraf. Daß die Eltern sich über die Tragweite ihrer Erklärung und deren (mögliche) Folgen nicht oder nicht voll im Klaren gewesen wären, ist nicht festgestellt. Ob die Verwandtschaft der Beklagten zu ihren leiblichen Verwandten durch die amerikanische Adoption beendet worden ist und ob die Entscheidung auch insoweit in der Bundesrepublik anerkannt werden könnte, bedarf hier keiner Entscheidung. Offen bleiben kann auch, ob Art. 22 Abs. 2 EGBGB a.F. (ausschließlich) als Vorschrift des deutschen materiellen Adoptionsrechts (Adoption deutscher Kinder durch Ausländer) anzusehen war, oder ob die Norm neben § 16a FGG (heute noch) eine selbständige Bedeutung hat und der Anerkennung einer ausländischen Dekretadoption auch ohne (sonstigen) Verstoß gegen den ordre public entgegenstehen kann (vgl. BayObLG StAZ 1969, 299, 302; Siehr StAZ 19.82, 63; Klinkhardt I PRax 1987, 157, 161).

6.

Im Rahmen der Prüfung, ob die Adoption der Beklagten in der Bundesrepublik anzuerkennen ist, kann allerdings nicht übersehen werden, daß die Annahme der Beklagten nach den getroffenen Feststellungen - wie bereits hervorgehoben - aus amerikanischer Sicht die Wirkungen einer Volladoption haben soll. Damit ist gemeint, daß das Kind die volle Rechtsstellung eines ehelichen Kindes der Adoptiveltern haben soll, daß es völlig aus seiner leiblichen Familie ausscheidet und nur noch mit den Adoptiveltern und deren Verwandten verwandt ist. Ein derart tiefer Eingriff in die Rechtsstellung des Kindes, aber auch in diejenige aller leiblichen und aller Adoptivverwandten und deren möglicherweise schwerwiegende Folgen etwa erb- oder unterhaltsrechtlicher Art waren dem deutschen Adoptionsrecht im Jahre 1949 unbekannt (§§ 1762 bis 1766 BGB a.F.).

Der deutsche ordre public (Art. 30 EGBGB a.F.; hier § 16a Nr. 4 FGG) steht der Anerkennung derartiger Eingriffe aber nicht entgegen; das gilt jedenfalls, soweit es sich um die Begründung neuer Verwandtschaftsbeziehungen zwischen dem Kind und den Verwandten seiner Adoptiveltern handelt. Insoweit ist das Kindesinteresse, um das es bei der Kindesannahme nach deutschem Recht im wesentlichen geht, abgesehen von der - entfernten und daher kaum ins Gewicht fallenden - Möglichkeit einer Belastung durch Unterhaltspflichten, nicht beeinträchtigt. Im Vordergrund stehen hier eher die gegenläufigen Interessen der neuen Adoptivverwandten, denen insbesondere die Begründung neuer Erb- oder sogar Pflichtteilsrechte in der Person des Adoptivkindes (und seiner Abkömmlinge) lästig sein kann. Hinzu kommen die Interessen der leiblichen Verwandten, deren Erberwartungen in Bezug auf das Vermögen des adoptierten Kindes durch die Begründung der neuen Verwandtschaften des Adoptivkindes zu den Angehörigen der Adoptivfamilie mindestens geschmälert werden. Aber diese aufgezeigten gegenläufigen Interessen rechtfertigen es nicht, den Wirkungen der starken Adoption, soweit sie auf die Begründung neuer Verwandtschaften gerichtet sind, die Anerkennung zu versagen.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes kommt es für die Beurteilung der Frage, ob die Anerkennung einer Entscheidung gegen den deutschen ordre public verstößt, nicht auf den Zeitpunkt an, in dem die ausländische Entscheidung getroffen worden ist, sondern es ist darauf abzustellen, wann über die Anerkennung zu befinden ist (BGHZ 88, 113, 128). Deshalb gibt den Ausschlag, daß auch in der Bundesrepublik seit 1976 die Volladoption Minderjähriger eingeführt ist (§§ 1754, 1755 BGB). Damit hat der Gesetzgeber etwaigen gegenläufigen Interessen gegen die Volladoption Minderjähriger eine Absage erteilt. Das muß der Beklagten, die als Minderjährige adoptiert worden ist, zugute kommen. Daß die Adoption stattgefunden hat, lange bevor das neue deutsche Adoptionsrecht in Kraft getreten ist, fällt dabei nicht ins Gewicht.

7.

Ist die Beklagte hiernach durch die Adoption auch nach deutschem Recht mit den Eltern der Erblasserin (ebenso wie deren - sonstige - Abkömmlinge) in gerader Linie verwandt und infolgedessen auch mit der Erblasserin verwandt geworden, dann gehört sie auch zu deren gesetzlichen Erben.

Soweit die Revision dem entgegenhält, wenn deutsches Erbrecht anzuwenden sei, dann gehörten dazu auch die erbrechtlichen Vorschriften im Adoptionsrecht einschließlich etwaiger Übergangsvorschriften, zielt sie damit auf § 1763 Satz 1 BGB a.F. und auf Art. 12 § 1 AdoptG ab. Ihr kann insoweit aber nicht gefolgt werden:

§ 1763 Satz 1 BGB a.F. ist keine Vorschrift des Erbrechts, sondern eine solche des Familienrechts. Sie beschrieb die Wirkung der schwachen Adoption nach dem Recht, das bis zum Inkrafttreten des neuen Adoptionsrechts gegolten hat, dahin, daß sich die Wirkungen der Adoption nicht auf die Verwandten des Annehmenden erstreckten. Damit war nur gesagt, daß sich die durch die Adoption begründete (rechtliche) Verwandtschaft zwischen den Adoptiveltern und dem angenommenen Kind, die sich gemäß § 1762 BGB a.F. im Grundsatz auch auf die Abkömmlinge des Adoptivkindes erstreckte, nicht auch die Verwandten der Annehmenden einschloß. Damit stellte das Gesetz zugleich klar, daß es insoweit an der entsprechenden familienrechtlichen Rechtsbeziehung (Verwandtschaft) fehlte, auf die das Erbrecht bei der gesetzlichen Erbfolge und im Pflichtteilsrecht für die Weiterleitung des Erblasservermögens abstellt.

Auch Art. 12 § 1 AdoptG greift nicht ein. Diese Vorschrift meint nur solche adoptierten Kinder, die nach den gesetzlichen Regelungen angenommen worden sind, an deren Stelle das neue Adoptionsrecht getreten ist. Kindesannahmen nach ausländischem Recht, wie hier die Annahme der Beklagten, sind nicht gemeint. Im übrigen wäre es wenig sinnvoll, eine nach ausländischem Recht im Ausland dekretierte Adoption durch ein deutsches Gesetz in eine neue Adoption deutschen Rechts "überleiten" zu wollen, und zwar nur deshalb, weil der Adoptierte - wie hier die Beklagte - vor vielen Jahren einmal deutscher Staatsangehöriger war.

Schließlich kommt es auch auf die von der Revision erneut angesprochene Frage einer Rückverweisung des Rechts des Staates Maryland auf das deutsche Erbrecht nicht an. Entgegen der Auffassung, die der vom Landgericht hinzugezogene Gutachter vertritt, verweist das hier maßgebende deutsche Recht für die Frage nach der erbrechtlichen Stellung der Beklagten nach dem Erblasser nicht auf das Recht des Staates Maryland. Dazu besteht keine Veranlassung, weil das deutsche Erbrecht die Erbfolge nach der Erblasserin an sich lückenlos regelt. Offen läßt das deutsche Erbrecht nur die Frage, ob die Beklagte mit den Eltern der Erblasserin und über diese mit der Erblasserin selbst (durch die Adoption) verwandt geworden ist. Nur diese familienrechtliche Vortrage ist über Art. 22 EGBGB aus dem Recht des Staates Maryland zu beantworten. Insoweit kommt eine Rückverweisung auf das deutsche Recht nicht in Betracht, weil auch das Recht von Maryland die Frage, ob Verwandtschaft besteht oder nicht, ein für allemal entscheidet und entscheiden muß (so Artikel 16 § 78 Absatz (a) in Verbindung mit § 80 Abs. 1 - Annotated Code of the Public General Laws of Maryland 1957). Dementsprechend bestimmt Artikel 16 § 80 Abs. 2 Satz 1 a.a.O. ferner, daß die in einem anderen Staat begründete Adoptivverwandtschaft durch die Gerichte des Staates Maryland anerkannt wird. Abgesehen davon ist Artikel 16 § 80 Abs. 2 a.a.O. und der mitgeteilten amerikanischen Rechtspraxis nicht zu entnehmen, daß die erbrechtlichen Wirkungen einer Volladoption nach dem Recht des Staates Maryland etwa so stark sein wollten, daß sie sich für die Erbberechtigung des Adoptivkindes nach einem Verwandten seiner Adoptiveltern auch gegen das für diesen Erbfall maßgebende Erbrecht (ungefragt) durchzusetzen suchten.

 

Unterschriften

Dr. Hoegen

Rottmüller

Dr. Schmidt-Kessel

Dr. Zopfs

Dr. Ritter kann wegen Urlaubs nicht unterschreiben. Dr. Hoegen

 

Fundstellen

Haufe-Index 1456283

NJW 1989, 2197

IPRspr. 1988, 115

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