Entscheidungsstichwort (Thema)

Kumulativer Erbteilserwerb bei Minderjährigenadoption

 

Leitsatz (amtlich)

Wird ein Adoptivkind von Verwandten zweiten Grades (hier: Tante) adoptiert und versterben sowohl die leiblichen Eltern als auch die Adoptiveltern, lässt § 1756 Abs. 1 Satz 1 BGB das Eintrittsrecht des Adoptivkindes in den Stamm der vorverstorbenen leiblichen Eltern fortbestehen, so dass das Adoptivkind neben dem Erbteil der leiblichen Eltern zugleich auch den Erbteil der Adoptiveltern erlangen kann (Fall des Mehrfacherwerbs nach § 1227 Satz 1 BGB).

 

Normenkette

AdoptG Art. 12 § 2; BGB §§ 1755-1756, 1925 Abs. 4

 

Tenor

Die Beschwerde der Beteiligten zu 2) bis 6) gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Nachlassgerichts - Stadt1 vom 23.08.2021 wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Beschwerde unter Einschluss der dem Beteiligten zu 1) im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen werden den Beteiligten zu 2) bis 6) auferlegt.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Der Geschäftswert der Beschwerde wird festgesetzt auf 1.374.527,77 EUR.

 

Gründe

I. Die verwitwete und kinderlose Erblasserin ist am XX.XX.2016 mit letztem gewöhnlichen Aufenthalt in Stadt2 ohne Hinterlassung einer letztwilligen Verfügung verstorben.

Der Vater der Erblasserin war 1943, die Mutter 1979 vorverstorben.

Aus der Ehe der Eltern der Erblasserin sind neben der Erblasserin ein 1974 verstorbener Bruder, Vater der Beteiligten zu 2) bis 5), eine 2009 verstorbene Schwester, Mutter des Beteiligten zu 6), eine 1981 verstorbene Schwester, zugleich Adoptivmutter des Beteiligten zu 1), sowie die 1975 verstorbene, leibliche Mutter des Beteiligten zu 1) hervorgegangen. Der am XX.XX.1960 geborene Beteiligte zu 1) ist einziges Kind seiner unverheiratet gebliebenen Mutter.

Die Adoptivmutter des Beteiligten zu 1) war bis zu ihrem Ableben im Jahre 1981 mit Vorname1 A verheiratet. Nach ihrem Ableben ehelichte ihr Witwer im Jahre 1982 die Erblasserin. Er verstarb sodann im Jahre 1996.

Mit Wirkung vom XX.XX.1967 wurde der Beteiligte zu 1) durch seine Tante Vorname2 A und deren damaligen Ehemann Vorname1 A, späterer Ehemann der Erblasserin, adoptiert.

Das Amtsgericht Stadt3 hat mit Schreiben an das Nachlassgericht vom 09.04.2021 (Bl. 42 d.A.) mitgeteilt, dass dort Vorgänge nach Art. 12 § 2 Abs. 3 des Gesetzes über die Annahme als Kind und zur Änderung anderer Vorschriften (Adoptionsgesetz) vom 02.07.1976 (BGBl. I 1749, nachfolgend: AdoptG) mit Bezug auf die seinerzeitige Adoption des Beteiligten zu 1) nicht ermittelt werden konnten.

Mit notariellem Antrag vom 16.03.2021 hat der Beteiligte zu 1) die Erteilung eines Erbscheins beantragt, der ihn auf der Grundlage gesetzlicher Erbfolge als Miterben der Erblasserin zu 1/2, die Beteiligten zu 2) bis 5) als Miterben zu je 1/16 und den Beteiligten zu 5) als Miterben zu 1/4 ausweisen soll.

Der Beteiligte zu 1) legt seinem Erbscheinsantrag zugrunde, dass ihm aufgrund Vorversterbens sowohl seiner Großeltern wie auch seiner leiblichen Mutter und seiner Adoptivmutter sowohl der in den Stamm der leiblichen Mutter wie auch der in den Stamm seiner Adoptivmutter fallende Erbteil nach der Erblasserin von jeweils 1/4 zustehe.

Die Beteiligten zu 2) bis 6) sind dem Erbscheinsantrag entgegengetreten, da auf die im Jahre 1967 erfolgte Adoption des Beteiligten zu 1) die Vorschriften der §§ 1754 ff. BGB in ihrer seit dem 01.01.1977 maßgeblichen Fassung nicht anwendbar seien.

Das Nachlassgericht hat mit Beschluss vom 23.08.2021 die zur Erteilung des von dem Beteiligten zu 1) am 18.03.2021 beantragten Erbscheins erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet.

Da eine Erklärung der dazu gemäß Art. 12 § 2 Abs. 2 Satz 2 AdoptG Erklärungsberechtigten, dass auf die 1967 erfolgte Adoption des Beteiligten zu 1) durch seine Adoptiveltern die mit Inkrafttreten des AdoptG maßgeblichen Vorschriften keine Anwendung finden sollten, ausweislich der dazu vorliegenden Mitteilung des Amtsgerichts Stadt3 nicht abgegeben worden sei, beurteile sich die Erbfolge nach der Erblasserin hinsichtlich der erbrechtlichen Folgen der Adoption des Beteiligten zu 1) durch die Schwester seiner leiblichen Mutter nach den seit dem 01.01.1977 maßgeblichen Vorschriften und damit insbesondere nach § 1756 Abs. 1 BGB (n.F.). Gemäß dieser Vorschrift habe eine Verwandtenadoption jedoch nur das Erlöschen der Verwandtschaftsverhältnisse des Kindes zu seinen leiblichen Eltern, aber nicht auch zu den übrigen Verwandten zweiten oder dritten Grades zur Folge. Der Antragsteller habe die Erblasserin daher zugleich als Abkömmling seiner Adoptivmutter und über die insoweit weiterhin bestehende Verwandtschaft zu seiner leiblichen Mutter beerbt.

Die Beteiligten zu 2) bis 6) haben gegen diesen ihrem Verfahrensbevollmächtigten am 06.09.2021 zugestellten Beschluss mit am 04.10.2021 bei dem Nachlassgericht eingereichten Schriftsatz Beschwerde erhoben und zur Begründung geltend gemacht, dass der Beteiligte zu 1) die Erblasserin nur über seine Adoptivmutter, aber nicht zugleich auch über seine leibliche Mut...

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