Gesetzestext

 

(1)Besorgt der Erbe vor der Ausschlagung erbschaftliche Geschäfte, so ist er demjenigen gegenüber, welcher Erbe wird, wie ein Geschäftsführer ohne Auftrag berechtigt und verpflichtet.

(2)Verfügt der Erbe vor der Ausschlagung über einen Nachlassgegenstand, so wird die Wirksamkeit der Verfügung durch die Ausschlagung nicht berührt, wenn die Verfügung nicht ohne Nachteil für den Nachlass verschoben werden konnte.

(3)Ein Rechtsgeschäft, das gegenüber dem Erben als solchem vorgenommen werden muss, bleibt, wenn es vor der Ausschlagung dem Ausschlagenden gegenüber vorgenommen wird, auch nach der Ausschlagung wirksam.

A. Allgemeines

 

Rz. 1

Mit der Ausschlagung entfällt die Erbenstellung gem. § 1953 rückwirkend auf den Zeitpunkt des Erbfalls. Aus diesem Grunde regelt § 1959 BGB die Wirkung der rechtsgeschäftlichen Tätigkeit des vorläufigen Erben. Allerdings ist der vorläufige Erbe weder zur Verwaltung der Erbschaft verpflichtet, noch trifft ihn die Pflicht zur Beantragung der Nachlassinsolvenz (§ 316 Abs. 1 InsO i.V.m. § 1980 BGB) oder zur Errichtung des Inventars (§ 1994 BGB). Will der vorläufige Erbe die Nachlassfürsorge aber nicht dem Nachlassgericht (§ 1960 BGB) überlassen, so kann er verwaltend tätig werden.[1] Für diesen Fall stellt § 1959 BGB klar, dass Rechtsgeschäfte des vorläufigen Erben, der nicht endgültiger Erbe wird, auch nach der Ausschlagung unter Berücksichtigung der Interessen der Beteiligten nicht zwangsläufig unwirksam sind. Für dingliche Rechtsgeschäfte (Verfügungen) aber gilt Abs. 2. In der Praxis ist ferner zu beachten, dass die Verwaltungshandlung des vorläufigen Erben als stillschweigende Annahmeerklärung gewertet werden kann (vgl. § 1943 Rdn 3), dann ist § 1959 BGB schon tatbestandlich nicht anwendbar.[2]

[1] Vgl. allg. Erman/J. Schmidt, § 1959 Rn 1; Soergel/Stein, § 1959 Rn 1; Kipp/Coing, § 90 III 1.
[2] Soergel/Stein, § 1959 Rn 1 a.E.

B. Tatbestand

I. Geschäftsführung ohne Auftrag (Abs. 1)

 

Rz. 2

Der vorläufige Erbe, der die Ausschlagung oder die Anfechtung der Annahme erklärt (§§ 1943, 1957 BGB), ist dem endgültigen Erbe gegenüber für erbschaftsbezogene Geschäftsbesorgungen in der Zeit seiner vorläufigen Erbenstellung nach den Grundsätzen zur Geschäftsführung ohne Auftrag nach §§ 677 ff. BGB berechtigt und verpflichtet (Abs. 1). Das gilt auch dann, wenn sich der vorläufige Erbe irrtümlich für den endgültigen Erben hält; § 687 Abs. 1 BGB ist nicht anwendbar.[3] Erbschaftsbezogene Geschäfte sind alle tatsächlichen und rechtsgeschäftlichen Handlungen, die im Zusammenhang mit dem Nachlass stehen,[4] z.B.:

 
Erbschaftsbezogenes Geschäft Ja Nein
Abschluss von Verträgen im Zusammenhang mit der Beerdigung x  
Abwicklung/Erfüllung von Verträgen des Erblassers und Nachlassverbindlichkeiten x  
Abschluss von Verträgen zur Verwaltung des Nachlasses x  
Fortführung eines Unternehmens des Erblassers x  
Aktivprozesse des vorläufigen Erben betr. den Nachlass   x
Tatsächliche Handlungen, z.B. Reparaturen von Nachlassgegenständen x  
 

Rz. 3

Im Einzelfall wird die Abgrenzung zu stillschweigenden Annahmeerklärungen und damit die Anwendbarkeit von § 1959 BGB problematisch sein. Das gilt insbesondere bei Aktivprozessen des vorläufigen Erben betr. den Nachlass. Deswegen wird in diesem Fall ein erbschaftsbezogenes Geschäft regelmäßig tatbestandlich auszuschließen sein (vgl. auch § 1959 Rdn 15). Die Voraussetzung eines Fremdgeschäftsführungswillens bei dem vorläufigen Erben braucht i.R.d. entsprechenden Anwendung der §§ 677 ff., 1959 BGB nicht vorzuliegen.[5] Der vorläufige Erbe hat bei erbschaftsbezogenen Geschäften aber den Anforderungen des § 677 BGB zu genügen. Er muss die Interessen und den mutmaßlichen Willen des ihm bekannten endgültigen Erben, des Testamentsvollstreckers oder des Nachlasspflegers wahren. Allerdings wird der vorläufige Erbe den endgültigen Erben nur selten kennen. Regelmäßig ist daher bei objektivierter Betrachtung auf die Interessen eines verständigen und sorgsamen Erben abzustellen; der vorläufige Erbe kann sich – im Falle eines schuldhaften Verstoßes hiergegen – dem endgültigen Erbe gegenüber auch schadensersatzpflichtig machen.[6] Wird der vorläufige Erbe zum endgültigen Erben (vgl. § 1943 BGB), werden durchgeführte Geschäfte rückwirkend seine eigenen Geschäfte.[7] Nach § 684 S. 2 BGB kann der endgültige Erbe die Geschäftsführung des vorläufigen Erben auch genehmigen.

 

Rz. 4

Erbschaftsbezogene Verpflichtungsgeschäfte bleiben wirksam und berechtigen und verpflichten grds. nur den vorläufigen Erben.[8] Der vorläufige Erbe ist gerade nicht Vertreter des endgültigen Erben, da Abs. 1 keine Vertretungsmacht einräumt.[9] Allerdings kann der vorläufige Erbe bei interessensgerechter Geschäftsführung (vgl. Rdn 3) nach §§ 683, 670 BGB Aufwendungsersatz oder bei notwendiger Fortführung eine Handelsgewerbes sogar Befreiung von Verbindlichkeiten verlangen.[10] Im Einzelfall kann sogar ein Anspruch des vorläufigen Erben auf Genehmigung nach § 177 Abs. 1 BGB bestehen.[11] Der Aufwendungsersatzanspruch des vorläufigen Erben stellt eine Nachlassverbindlichkeit dar (§ 1967 Abs. 2 BGB...

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